Immer auf Achse

Jesus fährt mit

Frauen gibt es nur wenige, die sich ans Steuer eines Lasters wagen. Alexandra Sturzenegger ist so eine Ausnahme. Ihr Erlebnis auf der Strasse nach Schaffhausen hat sie grundlegend verändert. Sie wünscht sich, dass bald noch viele Lastwagenfahrer erkennen, wie sehr Gott an ihrem Leben interessiert ist.
Alexandra hat ihre Fahrerkabine in eine Kirche umgewandelt.
Ich war die Henne unter den Hähnen.
Ich hatte einfach Angst.
Truck4

Es ist Montag, nach einem schönen Wochenende mit Familie und Freunden – es hatte wieder einmal am Freitag nach Hause gereicht – geht es wieder los. Eine Sendung Zubehörteile, in Plastikcontainern bis morgen abzuliefern in Italien. Dazwischen liegen tausend Kilometer und die Alpen mit Staus auf den Autobahnen, grauenvollen Unfällen, verschmutzter Luft. Mitfahrer sind die Risiken wie Unfälle, Bussen, Lohneinbusse durch Verspätungen die nur dank Schwarzarbeit zu vermeiden sind, und ganz gemein, der Raub ganzer Brummis. Alltag der Brummis. Dazu kommt noch dass die Transportpreise ohnehin sehr tief sind, den Gewinn haben die KonsumentInnen, heisst es. Einseitig tragen die Brummis das hohe Risiko. Der Kreislauf der modernen Konsumgesellschaft fordert seine Opfer.

Die tägliche Parade

Die mehrachsigen mächtigen Brummer stehen aufgereiht am Strassenrand. Sie warten. Hinter den grossen Windschutzscheiben sitzen Männer (und Frauen) am Steuer, die morgens in aller Frühe aus den Liegekabinen gekrochen sind, sie haben hier geschlafen, damit sie die Zielvorgaben der Logistikspezialisten erreichen können. Freiheit war ihr Traum, Sachzwänge die tägliche Realität. Einsamkeit gehört immer mehr zum Beruf, denn die Rückkehr am selben Tag ist meist Illusion. Chauffeure haben darum ihren eigenen Lebensrhythmus, ihr eigenes Milieu. Unter ihnen lebt eine Christin, Alexandra, Ich habe abgemacht, gehe zum Treff.

Alexandra – Brummifahrerin

Wir sitzen im Mövenpick-Restaurant in Sihlbrugg. Alexandra dreht laufend den Kopf nach vorbeifahrenden Lastwagen. Chauffeure leben in einer eigenen Welt. Das wurde mir auf der soeben beendeten Fahrt nach Wallisellen und zurück schnell bewusst. Kein Brummer entgeht ihren Augen. Unzählige Fahrer sind ihre Freunde. „Dass der hier überhaupt fahren darf.“ Alexandra zeigt auf einen Sattelschlepper, der direkt aus Amerika zu kommen scheint: Lauter Chrom! «Traumhaft!» Sie trinkt einen Schluck Rivella und bemerkt so nebenbei: «Hier würde ich gerne arbeiten.» Es war der Traum der grossen Freiheit, der Alexandra in das Transportgewerbe führte. Heute ist sie aufgewacht, aber die Grosse Liebe für die Brummis ist geblieben.

Brummis, die modernen Nomaden

Jesus hätte wohl die Lastwagen um sich geschart, wie damals die Wanderer in der Wüste. Er hätte damit den Neid der Gutbürgerlichen auf sich gezogen. Aber das nahm Jesus in Kauf. Chauffeure sind für ihn ebenso wichtig wie Theologen und Hausfrauen. Gott macht da keine Unterschiede. Er schreckt vor 40 Tönnern nicht zurück. Gott ist flexibel, abgehärtet und dennoch voller Liebe ist er ihnen nahe. Alexandra hat Jesus gefunden und wirbt nun für seine Botschaft unter den Brummis. Wie sie dazu kam, was sie auf ihrem Weg erlebt hat, das will sie mir erzählen.

Fernfahrt nach Schweden unter Stress

Letzten Monat fuhr ein Kollege mit einem Transportauftrag in der Tasche an einem Mittwoch frühmorgens zu einem Kunden in Zürichs Industriegebiet. Die Fracht sollte nach Schweden, es waren Präzisionsteile und eine kleine Produktionsanlage. Abliefertermin am liebsten schon gestern. Da gilt es keine Zeit zu verlieren, denn mit den obligatorischen Pausen kann er es Schaffen am Donnerstag dort abzuladen und wenn er jetzt nicht zuviel Zeit verliert noch vor Freitag nacht wieder zuhause zu sein. Dieser Transport lohnt sich, darum gibt er alles um ihn auch zur Zufriedenheit des Kunden zu erledigen. Ein Kampf gegen die Zeit, die unaufhaltsam zerrinnt, die niemand aufhalten kann. Zeit ist sohl das wichtigste Element im Leben der Brummi-Fahrer. Wenn er es gut macht und Glück hat, kann er Freitag Abend noch zu Hause sein. Beim Kunden angekommen wartet der Lagerchef schon, alles ist auf Paletten sauber aufgereiht, in Plastikfolie gewickelt. Schnell hat der Stapler alles sauber geladen, inzwischen noch schnell einen Kaffee aus dem Firmenautomaten an der Rampe, Ladekontrolle, durchsicht der Papiere für den Zoll, denn trotz der neuen Euronorm wo alles per Elektronik von System zu System mitreist kann es Probleme geben. Eine halbe Stunde später ist er schon wieder am Steuer, fährt Richtung Autobahnauffahrt nach Zürich – Basel – Deutscher Zoll, dann die Lange Strecke durch Deutschland – Schweden. Zwei Tage später geht es wieder zurück, mit einer neuen Ladung. Insgesamt eine lange, aber einigermassen angenehme Strecke. Fernfahrer sehen viel während den Fahrten. Das ist die schöne Seite des Berufs.

Die grosse Freiheit und ein kaputtes Familienleben

Einsamkeit gehört aber immer mehr zum Beruf, denn die Rückkehr am selben Tag ist meist Illusion. Chauffeure haben darum ihren eigenen Lebensrhythmus, ihr eigenes Milieu. Das verlorene Familienleben wird oft ersetzt durch Tabak, Alkohol, Drogen, Pornographie, Prostitution und Spiel. Nicht bei Allen, aber das Risiko ist hoch, denn jeder Menschen braucht Ausgleich und Liebe. Auch Chauffeure haben Bedürfnisse. In die Führerkabine der grossen Brummer wurde sie von Kollegen gelockt. Sie war damals erst achtzehn. Frauen gab es nur wenige, die sich ans Steuer eines Lasters wagten. «Ich war die Henne zwischen den Hähnen und genoss meine Stellung.» Der Weg auf die Strasse war eine Flucht nach vorn. In der grossen Kabine war sie jemand. Sie konnte von oben herabschauen, allen zeigen, was sie zu leisten fähig war. Von ihren Eltern bekam sie keine Unterstützung, der Vater interessierte sich kaum für seine Tochter, die Mutter sagte ihr immer wieder, wie unfähig sie sei. Sie machte sich auf die Strasse und fand ihr eigenes Leben.

Ich bin der Star

Mit ihrem Sattelschlepper konnte Alexandra beeindrucken. Sie gewann Wettkämpfe, fuhr besser um die Hindernisse als viele Männer. Am Stammtisch konnte sie mit den Witzen und Sprüchen der Fernfahrer mithalten. «Ich redete nicht anders als sie, und die Männer änderten ihre Sprache nicht wegen mir.» Rauchen, Alkohol, Sex, Alexandra kannte nichts anderes. Sie war eine Chauffeuse mit allem, was dazu gehörte. Die Männer akzeptierten sie. Sie gehörte dazu. Dann hatte sie einen schweren Unfall. Sie fuhr bei Nebel mit 90 km/h auf einen stehenden Lastwagen auf. Ihr Sattelschlepper war beladen! „So was überlebt man normalerweise nicht. Ich hatte nur ein gebrochenes Bein, Prellungen und schwere Schnittwunden.“

Heilung

Alexandra zeigt mir die lange Narbe auf der Stirn. Sie ist gut verheilt. Ich hatte sie kaum bemerkt. Überhaupt hat sie sich sehr verändert. Ich lernte sie vor einigen Jahren kennen. Damals steckte sie in einer tiefen Depression, heute nicht mehr zu erkennen, sie strahlt und lacht viel. Die Haare hat sie sich kurz geschnitten, was die neue Offenheit noch unterstreicht. Diese Veränderung war ein langer Prozess mit einschneidenden Erlebnissen. Doch nach drei Monaten sass sie wieder am Steuer. Einige Monate später bekam sie zum Geburtstag ein Buch von ihrer Tante: «Jesus unser Schicksal» von Wilhelm Busch, dem Pfarrer, nicht dem Autor von Max und Moritz. «Mir wurde beim Lesen schlagartig bewusst: Wenn es einen heiligen Gott gibt, habe ich keine Chance. Mein Leben lässt keinen Spielraum für Selbstgerechtigkeit.»

Jemand zieht mich zu sich

Alexandra wollte auf Nummer sicher gehen und vereinbarte einen Termin bei einem Pfarrer. Sie bekannte ihre groben Sünden, denn sie wollte ihre Seele retten. «Gott war für mich eine Lebensversicherung. Ich habe damals nicht gewusst, dass sich Gott tatsächlich für mich und mein Leben interessiert. Ich hatte keine Beziehung zu ihm. Ich hatte einfach Angst. Deshalb wollte ich mein Leben ändern, eine Kehrtwendung machen.» Diese Umkehr änderte auch nicht viel an Alexandras Leben. Sie fuhr ihren Brummer und glaubte an Gott. Jesus vergibt Sünden. Viel mehr wusste sie damals nicht. Sie kannte auch die Bibel noch nicht, hatte noch keine rechte Beziehung zu Gott.

Hilfe von Oben, Gott offenbart seine Liebe

Schnellstrasse Winterthur-Schaffhausen. Dichter Nebel. 90 km/h. «Alexandra, wenn du so schnell weiterfährst und ein Fahrzeug da steht, kannst du nicht bremsen.» Alexandra hörte eine Stimme. Sie war verwirrt, wusste nicht, wo die Stimme herkam. Sie sass allein in der Fahrerkabine. Dann hörte sie die Stimme wieder. Intuitiv verlangsamte sie ihre Fahrt auf sechzig. Plötzlich stand ein Auto am Strassenrad. Alexandra konnte knapp ausweichen. «Ich wusste sofort: Diese Stimme war Gott. Er hatte mich beschützt. Ich bin ihm nicht gleichgültig. Er interessiert sich für mich. Mein Leben ist ihm wichtig.» Nun erkannte Alexandra eine ganz neue Dimension des Glaubens. Sie betete, dankte Gott für seine Bewahrung. «Ich wusste, von nun an bin ich nicht mehr allein in meiner Lastwagenkabine. Gott ist bei mir. Er interessiert sich echt für mich. Ich kann meine Probleme anders lösen als mit Flucht und Alkohol.» Alexandra begann ihren Freunden von Jesus zu erzählen. Viele lachten sie aus und dachten: typisch Frau, ein weiblicher Spleen. Das beruhigt sich schon wieder.

Standfest im neuen Glauben

Sie blieb jedoch beim Glauben trotz Hochs und Tiefs. Alexandra entschied sich für regionale Fahrten, damit sie mehr Gelegenheiten fand, Gottesdienste zu besuchen. Sie verteilte den Chauffeuren christliche Literatur. Einige Gebundenheiten konnte sie nicht besiegen. Sie wurde depressiv, rauchte und griff auch immer wieder zur Flasche. «Doch Gott liess mich nicht los. Er behielt mich im Auge und schenkte mir immer wieder die richtigen Menschen.» Ein solcher von Gott gesandter Mensch war ein Offizier der Heilsarmee, er betete sie frei von dämonischen Bindungen, gebot im Namen Jesu den dunklen Mächten, sich fern zu halten. Dies war wieder eine Wende, die sie weiter ins Licht führte.

Ich kann beim Fahren beten!

Alexandra hat ihre Fahrerkabine in eine Kirche umgewandelt. Ihr Glaube begann sich zu vertiefen. Alexandra lernte Hilfe anzunehmen. Sie trifft sich regelmässig mit einer Beraterin. Vieles in ihrem Leben musste angegangen werden. «Wer kann schon im Stundenlohn beten? Ich kann während der Fahrt CDs auflegen und Loblieder singen, kann beten, in den Pausen die Bibel lesen.» Alexandra hat gelernt, auf Gottes Stimme zu hören. Immer wieder erlebt sie, wie Gott ihre Wege führt. Wenn sie unterwegs ist und den Eindruck hat, jemandem telefonieren zu müssen, wenn sie Bibeln verteilt und Chauffeure trifft, die sie mit suchen nie gefunden hätte. Immer wieder erlebt sie, wie Gott ihr ein Wort ins Gedächtnis ruft, um es einem Menschen zuzusprechen. Dies kann ein Bibelvers sein oder ein Zuspruch für eine ganz bestimmte Situation. Alexandra ist einfach offen für das, was Gott ihr aufträgt.

Ihre wahre Begabung entdeckt

Sie arbeitet nur noch teilzeitlich im Stunden- oder Taglohn, damit genügend Freiraum bleibt, um Chauffeuren eine Bibel zu schenken. Zusammen mit Freunden von der Heilsarmee haben sie eine kleine Organisation gegründet, die das Evangelium den Lastwagenfahrern bringt. Sie haben eine ‘Truckerbibel’ drucken lassen, die sie zusammen mit einer Country-CD verschenken. Dabei danken sie den Fahrern für ihren wichtigen Dienst, den sie für die Bevölkerung tun. Was wäre, wenn sie nicht fahren würden? Alexandra ist überzeugt, dass Jesus die Chauffeure liebt. Manche Chauffeure spötteln und nennen sie die Pfarrerin. Alexandra lässt sich jedoch nicht beirren. Auch ihre Anwesenheit in den Beizen ist geführt: «Wenn du nicht gehst, muss ich allein gehen.» Sagte ihr eine Stimmeund sie setzt hinzu: Ja, Jesus kann nicht nur eine Chauffeuse lieben. Er liebt alle!

Bibeln für Brummis

Die Fahrer haben nur wenige Gelegenheiten, die Botschaft des Evangeliums zu hören. Sie sind unterwegs, haben keinen geregelten Lebensrhythmus und besuchen keine Gottesdienste. Die Kirche ist ihnen fremd. Vielen hat sie schon eine Bibel geschenkt. Manchmal wollen Fahrer auch, dass sie für sie betet. Die Chauffeure sind die grösste Arbeitnehmergruppe in Europa. Alexandra wird von dieser Tatsache angespornt. Die Truckerbibeln mussten bereits nachgedruckt werden. «Sie sagen nie nein. Viele sind überrascht, dass ihnen jemand etwas schenkt. Chauffeure sind Zigeuner: „Immer unterwegs, haben sie einen zweifelhaften Ruf, sie verkehren hauptsächlich untereinander.“ Als ich Alexandra frage, ob das mit dem schlechten Ruf der Tatsache entspreche, sagt sie mir: «Chauffeure leben nicht heilig. Pornographie, Drogen, Alkohol sind die tägliche Realität. Es ist ein rauher Beruf. Viele sind geschieden und einsam. Aber wer einmal gefahren ist, kann es nicht mehr lassen.» Fahren ist eine Sucht. Fahren ist ein Traum. Nur Gott begegnen die Fahrer viel zu selten. Alexandra ist gespannt auf das, was Gott noch tun wird. Ein Chauffeur, den sie in der Lagerhalle traf, und dem sie eine Bibel in die Kabine gelegt hatte, erzählte ihr später erfreut, er sei auch Christ. Jesus habe auch sein Leben verändert.

Die Arbeit trägt Früchte

Er ist nicht der einzige. Aber zu wenig Chauffeure kennen Jesus und seine Liebe zu ihnen. Alexandra wünscht sich, dass bald noch viele Fahrer erkennen, wie sehr Gott an ihrem Leben interessiert ist. Ihr Erlebnis auf der Strasse nach Schaffhausen hat sie grundlegend verändert. Aus der Lebensversicherung ‘Gott’ ist ein persönlicher Freund geworden, der eine ganz neue Dimension in Alexandras Leben brachte. «Ich bin von Gott geliebt.» Glaube ist für Alexandra Alltagsleben geworden. Gott ist in ihre Fahrerkabine eingestiegen. Er spricht mit ihr. Er schenkt ihr Menschen, die ihr weiterhelfen. Er hat ihr eine neue Aufgabe anvertraut: Truckerbibeln für Truckerfahrer. Sie hat ihre Liebe zu den Lastwagen und Sattelschleppern nicht verloren, das habe ich auf der Fahrt mit ihr gesehen. Sie ist auch heute noch gerne mit einem Schlepper unterwegs. Aber noch wichtiger sind ihr heute die Menschen am Steuer.

Das Angebot

Die Truckerbibel ist ein Gratis-Angebot für alle LKW-Fahrer. Ein Anruf im Büro von Agape auf Achse genügt. Agape auf Achse ist eine junge Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, dass jeder Fahrer eine Bibel in seiner Führerkabine hat. Agape auf Achse hat ein offenes Haus. Fahrer sind jederzeit willkommen an der Oeggenringenstrasse 6, 6274 Eschenbach.

Datum: 18.09.2004
Quelle: Bordzeitung - Texte zum Leben

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service