Nationalrat Erich von Siebenthal

«Mein Leben ist in Gottes Hand»

«Nationalrat zu sein ist für mich eine Berufung Gottes», sagt Erich von Siebenthal. Vor einem Jahr war der Gstaader Bergbauer überraschend ins Parlament gewählt worden. Im Gespräch am Küchentisch zieht er Bilanz. Und er sagt, warum ihm das Gebet so wichtig ist.
Wurde vor einem Jahr überraschend in den Nationalrat gewählt: Bergbauer Erich von Siebenthal. (Bilder: erichv7thal.ch)
Die Familie von Siebenthal.
Erich und Maria von Siebenthal.

ideaSpektrum Schweiz: Was wollten Sie mit sieben Jahren werden?
Erich von Siebenthal:
Ich mag mich erinnern, dass ich Doktor werden wollte.

Wann haben Sie erstmals davon geträumt, Nationalrat zu werden?
Nie! Dass ich als kleiner Bergbauer so weit käme, hätte ich nie gedacht.
Und doch ist es Realität.

Das hat schon seine Geschichte. Ich war bei uns im Saanenland in gewissen Kommissionen und wurde 1999 Betriebsleiter der Bergbahn Wasserngrat. So lernte mich das Volk ein bisschen kennen. Im Herbst 2001 suchte man noch einen Bauern für den Grossen Rat. Ich dachte, es gäbe doch bessere Leute als mich. Ich habe viel gebetet und Gott gefragt, wie er es haben will.

Mein verstorbener Vater war auch Politiker. Von ihm habe ich gelernt, dass man Verantwortung übernehmen muss, auch den eigenen Kindern gegenüber. Doch für uns war immer klar, dass ich eigentlich keine Chance hatte. Als es dann am Wahlabend hiess, es habe gereicht, dünkte mich das wahnsinnig! Ich hatte eine schlaflose Nacht. Doch ich habe „gäng“ gewusst: Mein Leben ist in Gottes Hand! Ich zähle darauf, dass er mir die nötige Kraft und Weisheit gibt und auch meiner Familie hilft.

Es kam noch „schlimmer“: Im letzten Herbst waren Sie plötzlich Nationalrat!
Im Herbst 1999 war ja der Sturm „Lothar“, 2002 kam die Borkenkäfergeschichte, 2003 der Hitzesommer mit vielen Schäden. Mit einer Motion habe ich es im Grossen Rat erreicht, dass sich die Regierung stärker für die Schadensbekämpfung einsetzen musste. Da merkten die Leute: Der von Siebenthal macht etwas. Dann wurde ich trotz Kampfwahlen problemlos in zwei wichtige Verbandsgremien der Landwirtschaft und der Waldbesitzer gewählt.

So kam es halt, dass ich als 26. und letzter Kandidat auf der Männerliste der Berner SVP aufgeführt wurde. Und dann wurde ich als achter Nationalrat gewählt, 263 Stimmen vor einem Kandidaten aus der Stadt Bern. Mit menschlichem Verstand analysiert, war das unmöglich. Doch ich vertraute einfach von Anfang an, dass es Gott richtig macht. Und bei ihm ist nichts unmöglich.

Ihre Bilanz nach einem Jahr als Nationalrat?
Ich bin sehr dankbar, dass Gott mir klar sagt, wo der Weg durchgeht. Das ist ein Riesengeschenk! Er gibt mir klare Weisungen und einen breiten Rücken, damit ich meinen Weg möglichst grad gehen kann. Es ist harte Arbeit, doch ich komme in Bern „gäng besser zschlag“.

„Sucht der Stadt Bestes!“, fordert der Prophet Jeremia gemäss der Bibel sein Volk auf. Was heisst das für Sie?
Ich versuche, die Zehn Gebote zu beachten und in die Politik einfliessen zu lassen. Und ich versuche, einen geraden Weg zu gehen, so dass mir die Leute vertrauen können. Ich kann nicht bei jeder Abstimmung zuerst die Bibel aufschlagen. Aber ich erwarte von Gott klar, dass er mich in meinen Entscheiden so führt, dass ich nach seinem Willen handle. Und ich möchte im biblischen Sinn Licht und Salz sein für meine Kollegen und unser Land.

Wie können Sie Gottes Willen erkennen?
Gott sagt in seinem Wort, er gebe uns gerne Weisheit, wenn wir ihn darum bitten. Darum erwarte ich von ihm auch ganz klar, dass er mir in politischen Fragen Weisheit gibt. Ich spüre, dass ich nicht allein entscheiden muss. Wenn ich nicht auf Gott vertrauen könnte, wäre ich ja einfach dem politischen Wind ausgesetzt. Es gab einige Abstimmungen, bei denen ich von der Parteilinie abgewichen bin. Das war nicht immer einfach. Bei der EVP hätte ich es viel einfacher!

Warum gehen Sie dann nicht zur EVP?
Ich bin durch die SVP in die Politik hineingewachsen. Auch mein Vater war in der SVP. Es gab und gibt in der SVP viele Christen, die meine Vorbilder sind. Auf nationaler Ebene sehe ich letztendlich doch, dass die Werte der SVP für unser Land sehr wichtig sind. Ich denke an die Landwirtschaft, die Versorgung des ländlichen Raums, die Neutralität, die Sicherheit. In der Sache habe ich zu 90 bis 95 Prozent mit der SVP keine Differenzen. Und wo es Differenzen gibt, sage ich es auch.

Ihr Oberländer Nationalratskollege Walter Donzé sagt, er wünsche Ihnen mehr Freiheit beim Abstimmen.
Soso! Ich weiss nicht, ob er alles gesehen hat. In der letzten Session zum Beispiel sagte ich meinen Leuten, ich stelle den Menschen klar vor die Forschung. Darum habe ich einem Antrag vom Waber Christian zugestimmt, auch zwei Anträgen der EVP. Bei einer Motion zur Energieeffizienz habe ich mit den Linken gestimmt – wir haben uns mit 80 zu 79 durchgesetzt. Das kann ich natürlich nur in einzelnen Fällen machen. Sonst müsste ich ja die Partei wechseln. Doch gerade in ökologischen oder ethischen Fragen habe ich mich schon wiederholt exponiert. Walter Donzé müsste doch Vertrauen haben, dass der von Siebenthal, der ja vom gleichen Gott geführt wird wie er, seine Sache nicht so schlecht macht.

Hat Ihre Fraktion in letzter Zeit denn keine Fehler gemacht?
Doch, das ist verschiedentlich passiert, und ich lehne einiges klar ab. Aber ich kommuniziere das nicht über die Medien. Das muss man intern angehen. Ich bin mit andern zusammen dran. Ich könnte zum Rüstungsprogramm eine ganze Story erzählen. Ich habe es auch abgelehnt, aber nicht wegen dem Schmid, sondern weil in der Armee gravierende Mängel sind. Doch ich sagte meinen Leuten auch, jetzt müssten bis zum Dezember mit dem Militär Gespräche geführt werden, damit wir dem Rüstungsprogramm dann zustimmen können.

Oftmals nehmen Christen in Sachfragen wie dem Betäubungsmittelgesetz oder der Entwicklungshilfe völlig unterschiedliche Positionen ein. Keine Mühe damit?
Für mich kein Problem. Ich bin dankbar, dass es in allen Fraktionen überzeugte Christen gibt. Es spielt halt auch eine Rolle, woher man kommt, ob aus der Stadt oder aus dem Berggebiet. Je nach Hintergrund kann man als Christ zu unterschiedlichen Ansichten kommen. Wenn ich im Leben einfach Harmonie haben will, muss ich sicher nicht in die Politik einsteigen!

Wie reagiert Ihre methodistische Gemeinde auf Ihr Engagement in Bern und in der SVP?
Sehr positiv. Die Gemeinde hat mich nach der Wahl gesegnet. Viele stehen im Gebet hinter mir. Sie hinterfragen meine Arbeit manchmal schon, doch dann kann ich mich erklären. Überhaupt wird in unserer Gemeinde losgelöst von mir viel für die Politik gebetet. Auch andere freikirchliche Gemeinden am Ort denken an mich und meine Familie. Ein Riesengeschenk für uns!

Walter Donzé meint, Sie seien eine Bereicherung für den Nationalrat. Ist der Nationalrat eine Bereicherung für Sie?
Ganz klar! Der Nationalrat ist für mich eine Berufung Gottes. Trotz harten Auseinandersetzungen ist es einmalig, wenn man mitreden kann, wie es mit unserem Land weitergehen soll. Doch ich trage eine grosse Verantwortung. Deshalb ist das Gebet für mich und das Parlament so wichtig.

Datum: 21.10.2008
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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