«Der Bauernflüsterer»

Vom Verdingbub zum Bauer und Seelsorger

Der Waadtländer Landwirtschaftsminister Leuba hat Pierre-André Schütz aus dem Pensioniertenleben herausgerissen, als die Suizide von Bauern im Kanton sich häuften. Sofort packte der ehemalige Bauer und Pfarrer an. Nun thematisierte eine Zeitung auch den Glauben des «Bauernflüsterers».
Pierre-André Schütz

Mit seinem Einsatz unter Bauern hat Pierre-André Schütz einen mittleren Medienhype entfacht. Kürzlich brachte auch die Sendung 10vor10 des Schweizer Fernsehens ein Porträt über den engagierten Seelsorger, der sich um Bauern kümmert, die unter den aktuellen Marktbedingungen für Landwirtschaftsprodukte unterzugehen drohen. Sein Einsatz unter den betroffenen Bauern ist immer auch ein Anstoss, über die Schweizer Landwirtschaftspolitik in einem globalisierten Markt und das Verhalten der Konsumenten nachzudenken.

Der Verdingbub, der zum Landwirt genötigt wird

Allerdings war bislang wenig zu lesen und zu hören, was die Person von Pierre-André Schütz ausmacht und wie seine Lebensgeschichte verlaufen ist. Das hat ein Artikel von André Kucera in der NZZ jetzt nachgeholt. Hinter dem heute hoch geschätzten Bauernseelsorger steckt nämlich die Tragödie eines Verdingbuben, der von seinen Eltern in ein Waisenhaus gesteckt und mit sechs Jahren an eine Bauernfamilie weitergereicht wird. Dort muss er hart arbeiten und auf die Freizeitaktivitäten seiner Mitschüler verzichten. Der Heranwachsende muss auch seinen ursprünglichen Berufswunsch aufgeben. Unter der Drohung, sonst nicht von der Familie adoptiert zu werden, lässt sich der 16-Jährige zum Landwirt und zum Agraringenieur ausbilden und übernimmt vorerst den Hof seiner Adoptiveltern, nachdem der Adoptivvater an Krebs verstorben ist. Er übernimmt den Hof, stellt ihn auf Schweinezucht um und heiratet 1973. Jahre später geschieht etwas Entscheidendes, das Kucera in der NZZ so schildert:

Gott als Vater gefunden

«Zehn Jahre später erlebt Schütz bei der Bibellektüre eine Bekehrung. Er spürt auf einmal, dass er nicht länger nach einer Vaterfigur suchen muss, weil er immer schon einen Vater gehabt hat: Gott. Diese Erkenntnis ist so durchschlagend, dass der inzwischen 30-Jährige sein Leben umkrempelt. Er lässt sich zum Diakon ausbilden, verkauft die Landwirtschaftsmaschinen und schliesslich den Hof. Er berät fortan Bauern in technischen Belangen und arbeitet daneben als Seelsorger mit Jugendlichen.

Der Absturz

Mit 51 erleidet Schütz ein Burnout, schläft im Spital 71 Stunden am Stück. Das Kindheitstrauma kommt wieder hoch, ihn plagen Selbstmordgedanken. Dank psychiatrischer Betreuung findet der vierfache Familienvater ins Leben zurück. Wieder wagt Schütz den Neubeginn: Er schreibt sich an der Uni Lausanne in Theologie ein. Danach arbeitet er bis zur Pensionierung als Pastor und sorgt sich um seine wachsende Enkelschar.»

Das macht ihn glaubwürdig

Was ihn als Bauernseelsorger heute qualifiziert, ist seine Fachkompetenz als Bauer und Agraringenieur zum einen und als gläubiger Mensch und Theologe zum andern. Aber er kennt dennoch seine Grenzen und weist einen verzweifelten Bauern auch mal an den Psychiater. Und er macht die Erfahrung von Enttäuschungen. So berichtet er der NZZ von einem Bauern, der sich Stunden nach dem seelsorgerlichen Gespräch das Leben nehmen will und jetzt massiv unter den Folgen des Suizidversuchs leidet. Er lässt sich nicht als Problemlöser für alle und alles beschreiben. Er hat als Christ die Tiefen des Lebens erlebt. Das macht ihn glaubwürdig.

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Datum: 22.03.2017
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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