Interview mit Peter Andenmatten

„Fremdbetreute Kinder sind weniger belastbar“

Nebst der Wissensvermittlung muss die Schule nicht nur vermehrt Erziehungsarbeit leisten, sondern neuerdings, mit der Einführung der Blockzeiten, auch Betreuungsfunktionen übernehmen.
Peter Andenmatten
Mahlzeit
Schulklasse

Bettina Busch hat sich für den EDU-Standpunkt mit dem Stadtzürcher Primarlehrer Peter Andenmatten über den Trend unterhalten, Kinder ausserhalb ihrer Familie zu betreuen. Auszüge:

EDU-Standpunkt: Peter Andenmatten, inwieweit hat die Zunahme der ausserfamiliären Kinderbetreuung auch Auswirkungen auf die Schule? Sind die Anforderungen an die Schule, bzw. an die einzelne Lehrperson gestiegen?
Peter Andenmatten: Dadurch, dass immer mehr an die Schule delegiert wird, steigen auch die Anforderungen. Dies hat höhere Ansprüche auch an die einzelne Lehrperson zur Folge. Konkret bedeutet dies nicht nur zusätzliche Arbeit und mehr Zeitaufwand, sondern auch eine Mehrbelastung.

Dies vor allem auch deshalb, weil die Erziehung und Betreuung der Kinder infolge zunehmender Gewaltbereitschaft oder sexueller Übergriffe schwieriger wird. Viele Lehrkräfte sind überfordert oder fühlen sich nach einigen Jahren «ausgebrannt».

Wie wirkt sich dies auf die Qualität der Schule aus?
Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, dass die Qualität des Unterrichts abgenommen hat. Neuerungen wie die Einführung der Blockzeiten tragen dazu bei. Schon die Unterstufenkinder haben heute viele Fachlehrer (Teamteaching, Deutsch für Fremdsprachige, Schwimmen, Handarbeit, Musikschule, Heimatkunde, Biblische Geschichte, Religion) und oft noch Therapiestunden (Logopädie, Psychomotorik usw.) oder einen Termin bei der Sozialarbeiterin.

Dies bedeutet, dass Kinder das Schulzimmer und die Bezugsperson wechseln müssen, oft dreimal an einem Vormittag. Bei jedem Wechsel werden sie mit anderen Wertvorstellungen, Führungsstrukturen und Erwartungen konfrontiert. Es erstaunt nicht, dass viele Kinder überfordert sind, was sich sowohl auf die Leistungen als auch auf ihr Verhalten negativ auswirkt.

Gemäss der weltweit grössten Langzeitstudie über Kinderbetreuung aus den USA zeigen fremdbetreute Kinder ein dreimal höheres Aggressionsverhalten als jene, die vorrangig von ihrer Mutter betreut wurden.

Dies entspricht meiner Beobachtung. Sicher gibt es Ausnahmen. Grundsätzlich erlebe ich fremdbetreute Kinder als aggressiver und weniger belastbar als Kinder, die vorwiegend von ihren Eltern betreut werden.

Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen der vermehrten ausserfamiliären Kinderbetreuung?
Die Hauptursache besteht darin, dass öfters beide Elternteile einer Arbeit nachgehen. Manche Familien sind darauf angewiesen. Viele Frauen arbeiten jedoch, weil unsere Wohlstandsgesellschaft Bedürfnisse weckt, die nur mit finanziellem Aufwand befriedigt werden können. Und sicher gibt es auch Frauen, die im Berufsleben Bestätigung suchen oder sich selbst verwirklichen möchten.

Widerspiegelt diese Entwicklung eine allgemeine Werteverschiebung in unserer Gesellschaft?
Die Überzeugung, dass ein Staat nur gesund sein kann, wenn seine Grundzellen, also die Familien, gesund sind, hat keine Priorität mehr. Dies hat zur Folge, dass die traditionelle Familie immer weniger Unterstützung und Schutz durch den Staat geniesst. Die Ursache dieses Gesinnungswandels liegt darin, dass der Mensch nicht mehr nach Gott, seinen Geboten und Ordnungen fragt, die ihm das Leben mit seinen Gesetzmässigkeiten erklären würden.

So ist es nicht erstaunlich, dass heute viele Frauen ihre wichtige Rolle als Mutter nicht mehr erkennen können. Es fehlt ihnen die Sicht für die Familie. Die überaus wichtige, spannende und bereichernde, aber auch verantwortungsvolle Aufgabe der Kindererziehung wird deshalb für viele Frauen zu einer belastenden oder gar lästigen Aufgabe. Sie möchten sie an staatliche Institutionen wie Tagesschulen, Horte usw. delegieren. Anstelle der Kindererziehung suchen sie nach einer neuen Herausforderung und Bestätigung im Berufsleben.

Da sich viele Familien nicht einmal mehr um eine ausserfamiliäre Betreuung bemühen, sondern die Kinder sich selbst überlassen («Schlüsselkinder »), muss leider an vielen Schulen, insbesondere solchen mit einem hohen Ausländeranteil, eine zunehmende Verwahrlosung festgestellt werden.

Was sollte getan werden, um dem aktuellen, realen Bedürfnis nach familienexterner Kinderbetreuung auf andere Weise zu begegnen?
Seit die Sozialarbeit unserem Schulhaus angegliedert wurde, kann ich beobachten, wie verheerend die Folgen sind, wenn man Probleme nicht an der Wurzel anpackt, sondern lediglich Symptombekämpfung betreibt. Die Probleme nehmen zu; Eltern, Pädagogen, Psychologen usw. stossen immer häufiger an ihre Grenzen. Andererseits entsteht ein riesiger Apparat (Schulpsychologie, Sozialarbeit, Psychomotorik, Heilpädagogischer Förderunterricht, Logopädie), um die Probleme irgendwie in den Griff zu bekommen.

Würde stattdessen nach den Ordnungen Gottes gefragt und die Bedeutung der Familie wieder erkannt, könnte sich schnell einiges ändern. Eine Familie, die gelernt hat, in Harmonie zu leben, kann durch nichts ersetzt werden! Deshalb müsste der Staat alles daran setzen, die auf der Ehe basierende Familie zu unterstützen. Stattdessen werden entgegengesetzte Forderungen wie die Registrierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften unterstützt.

Die Eidgenössische Volksinitiative «Für die Familie – Kinder sichern Zukunft! », für die im Moment Unterschriften gesammelt werden, versucht in dieser ungesunden Entwicklung Gegensteuer zu geben. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Probleme noch grösser werden müssen, bis wir endlich kapitulieren und wieder nach Gott und seinen Ordnungen fragen.

Im Sinn einer Dienstleistung führt die EDU-Standpunkt-Redaktion ein Verzeichnis von Angeboten in der Kinderbetreuung auf christlicher Grundlage und von christlichen Schulen.

Kennen Sie Angebote, die anderen weiterhelfen könnten? Mails an: info@edu-udf.ch

Datum: 05.06.2004

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