Michael Glatze

Früher LGBT-Aktivist, heute glücklich verheiratet und Pastor

Seine Geschichte hat viele Wellen geschlagen, aktuell ist sie unter dem Namen «I am Michael» sogar in den US-Kinos: Michael Glatze, der ehemalige bisexuelle Aktivist, ist heute Pastor und bereut, wie er in der Vergangenheit über andere Homosexuelle gesprochen hat. Denn «wir sind nicht hier, um andere zu verurteilen, sondern um jeden bedingungslos zu lieben.» Hier ist seine Geschichte.
Michael Glatze mit seiner Frau Rebekah
Rebekah und Michael Glatze

Michael Glatze gehört wohl zu einer der umstrittensten Personen der Aktualität. Wieso umstritten? Vielleicht, weil jemand, der sich einmal politisch stark gemacht hat, auch sofort politischen Gegenwind erfährt, wenn er umstrittene Aussagen macht. Oder weil sich jemand, der sich gegen die LGBT-Szene ausspricht, schnell starke Feinde macht. Oder weil er im Laufe der Zeit durch verletzende Kommentare – die er später bereute – viele Wunden geschlagen hat. Oder weil es für viele einfach nicht zu glauben oder zu akzeptieren ist, dass jemand, der einmal schwul oder bisexuell war, heute glücklich verheiratet sein kann. Doch das ist Michael Glatze, so sagte er zumindest in verschiedenen Interviews.

Advokat für die LGBT-Szene

Der 1975 geborene US-Amerikaner wächst in einer christlichen Familie auf, «nicht streng christlich, aber doch christlich angehaucht». Als Teenager fühlt er sich sowohl von Mädchen als auch von Jungs angezogen, doch aus Scham reagiert er nicht weiter darauf. Dann sterben seine Eltern – und das gibt ihm, wie er heute erklärt, den Freiraum, zu experimentieren. «An der Universität begann ich meine erste Beziehung mit einem Mann.»

Doch nicht nur das: Glatze beginnt, sich für die Rechte von Homosexuellen, Bisexuellen und Transgender stark zu machen. Er arbeitet zunächst beim «XY Magazin» für schwule Männer, 2004 gründet er mit seinem Partner Ben das Magazin «Young Gay America». Zeitgleich setzt er sich weiterhin für die Rechte der LGBT-Szene ein und produziert Filme zu dem Thema.

«Danke, Gott»

Doch dann treten bei ihm gesundheitliche Probleme auf. Er meint, Herzprobleme zu haben, bekommt Angstzustände. «Ich hatte zum ersten Mal im Leben Angst vor dem Tod. Als ich dann herausfand, dass es nichts Ernstes war, ging ich nach Hause in mein Zimmer und sagte 'Danke, Gott!'. Das war das erste Mal im Leben, dass ich Gott als solches anerkannte.»

Worte, die ihn hinterfragen

Michael kauft sich eine Bibel und beginnt darin zu lesen. Die Worte von Jesus sprechen ihn an. Nach und nach beginnt er, seine eigene Sexualität zu hinterfragen. Er fühlt sich seit Längerem innerlich unzufrieden, hat das Gefühl, dass etwas in seinem Leben nicht in Ordnung ist, und fragt sich, ob das etwas mit seiner sexuellen Identität zu tun haben könnte. «Ein Jahr lang dachte ich an alle möglichen Gründe, nur nicht an den offensichtlichsten…»

Und nach vielen Monaten des Bibellesens beginnt er zu fragen, was Gott eigentlich von ihm möchte. Zum ersten Mal versteht er, dass Gott nicht will, dass er in Homosexualität involviert ist. «Es kam einfach in mir auf, klar wie das Tageslicht: Das Problem war meine sexuelle Identität. Aber das machte mir Angst. Ich dachte: Im Ernst? Das ist doch albern, ich bin homosexuell. Ich kämpfte damit, zu verstehen, was mit mir geschah. Man hatte mir immer gesagt, dass wenn man Zweifel über die Korrektheit der eigenen Homosexualität hat – so wie ich sie hatte und versuchte, zum Schweigen zu bringen –, dann läge das daran, dass man die verinnerlichte Homophobie aufarbeiten musste. Aber das stimmte für mich einfach nicht mehr.»

«Ich wähle das Leben»

Ende 2005 sitzt Michael in seinem Büro von «Young Gay America» und schreibt drei Worte auf seinen Monitor: «Ich bin hetero». Das fühlt sich für ihn richtig an. Und so schreibt er weiter: «Homosexualität = Tod. Ich wähle das Leben.» Dann steht er auf und verlässt das Gebäude. Kurz darauf zieht er aus dem Haus aus, in dem er mit seinem Partner Ben und einem anderen Mann eine Dreiecksbeziehung geführt hat, und beendet damit die zehnjährige Beziehung zu Ben. Am Anfang kommen die homosexuellen Anziehungen und Gefühle noch ab und an wieder. Dann greift er auf Meditation zurück. «Anstatt auf die Gefühle zu reagieren, beobachtete ich sie und merkte, dass sie ein Teil meiner eigenen Gebrochenheit waren, nicht Teil meiner Identität. Je mehr ich das machte, desto weniger bekam ich diese Gefühle.» Eine Therapie macht er nicht.

Von einem Extrem ins andere

Doch mit seiner Lebensveränderung bewegt sich der ehemalige Aktivist ins andere Extrem: Er veröffentlicht Artikel auf der Internetseite einer extrem rechten christlichen Organisation, redet sehr harsch über Homosexuelle und bezeichnet sie als «krank» und «wütend». Wie viele Menschen er damit verletzt, wird ihm erst später bewusst. «Ich spüre, dass ich mich bei einigen meiner Freunde und früheren Kollegen entschuldigen muss, denn was ihnen in ihrem Leben passiert, bleibt zwischen ihnen und Gott», erklärte er 2015 in einem Interview mit «The Christian Post». «Es ist nicht meine Aufgabe, Leute zu verdammen oder ihnen zu sagen, wie sie ihr Leben leben sollen.»

Glücklich verheiratet – mit einer Frau

Er macht einen Abstecher über die Mormonen-Kirche, findet dann ganz zum christlichen Glauben und schreibt sich einige Zeit später in einer Bibelschule in Wyoming ein. Nach zwei heterosexuellen Beziehungen beginnt er 2011, mit Rebekah auszugehen, die ebenfalls an seiner Bibelschule studiert. 2013 heiraten die beiden. «Ich bin ständig aus dem Häuschen, total begeistert, demütig und einfach nur dankbar, dass ich nach einer so langen Zeit der Suche mit so vielen Entscheidungen und Orten, die mich nicht erfüllten, es endlich gefunden habe und die Frau getroffen habe, mit der ich zusammen sein soll.»

Bedingungslos lieben statt verurteilen

Aktuell sind Michael und Rebekah Pastoren einer Gemeinde im ländlichen Teil von Wyoming. Ihr Fokus liegt darauf, Menschen zu helfen, die Veränderung suchen. «Nach unserer Hochzeit beteten und sprachen wir darüber, wie ich persönlich einige dieser Themen [die LGBT-Szene und Homosexualität] über die Jahre hinweg behandelt hatte. Rebekah und ich merkten, dass wir eine andere Geschichte erzählen wollten durch die Art, wie wir mit Glauben und Jesus umgehen. Wir haben den tiefen Wunsch, das zu tun, und betonen, dass wir nicht hier sind, um andere zu verurteilen, sondern um jeden bedingungslos zu lieben.»

Eine politische Figur will er nicht mehr sein, deshalb haben sich die beiden aus der Öffentlichkeit auch so gut wie ganz zurückgezogen. Aber bereut er seine Vergangenheit? «Ich glaube, Gott musste mich an unterschiedliche Orte führen, mich viele verschiedene Perspektiven und Religionen studieren lassen, damit ich endlich die Wahrheit finden konnte. Das 'XY Magazin' war einfach Teil dieser Reise.»

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Datum: 27.03.2017
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Youtube / Christian Post /New York Times

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