Jakobus

Um jene Zeit aber legte Herodes, der König, Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln; er tötete aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert.Apostelgeschichte 12,1-2Von den drei Jüngern im engsten Kreis um Jesus ist uns Jakobus am wenigsten vertraut. Die Bibel liefert uns fast überhaupt kei­ne klaren Details über sein Leben und seinen Charakter. In den Evangelien erscheint er nirgendwo als Einzelperson, sondern steht immer in Verbindung mit seinem jüngeren und bekann­teren Bruder Johannes. Einzig in der Apostelgeschichte ist von ihm allein die Rede – dort wird sein Märtyrertod geschildert.Diese Informationsknappheit erscheint sonderbar, denn aus menschlicher Sicht wäre es logisch gewesen, wenn er die Gruppe angeführt hätte. Jakobus war der ältere Bruder von Jo­hannes. (Darüber besteht kein Zweifel, denn er wird immer als Erster von beiden genannt.) Und von den beiden Brüderpaa­ren schien die Familie von Jakobus und Johannes bedeutender gewesen zu sein als die von Petrus und Andreas. Das deutet die Tatsache an, dass Jakobus und Johannes häufig nur die »Söh­ne des Zebedäus« genannt werden (Mt 20,20; 26,37; 27,56; Mk 10,35; Lk 5,10; Joh 21,2) – ein Hinweis darauf, dass Zebedäus ein wichtiger Mann war.Zebedäus’ Ansehen könnte von seinem finanziellen Erfolg, von seiner familiären Abstammung oder von beidem herrüh­ren. Anscheinend war er recht wohlhabend. Sein Fischereibe­trieb war groß genug, um mehrere Tagelöhner zu beschäftigen (Mk 1,20). Außerdem hatte seine ganze Familie eine solch hohe Stellung, dass der Apostel Johannes sogar »dem Hohenpries­ter bekannt war.« Nach Jesu Festnahme war es Johannes somit möglich, Petrus in den Hof des Hohenpriesters mitzunehmen (Joh 18,15-16). Berichten aus der Anfangszeit der Gemeinde zufolge war Zebedäus ein Levit, der in enger Verbindung mit der hohenpriesterlichen Familie stand. Was auch immer der Grund für seine Bekanntheit gewesen sein mag: Auf jeden Fall stellt die Schrift ihn als wichtigen Mann dar, dessen Familien­ansehen von Galiläa bis nach Jerusalem zum Haus des Hohen­priesters reichte.Als älterer Sohn einer solch wichtigen Familie hätte Jakobus annehmen können, dass er zum bedeutendsten Apostel auf­steigen würde. Dies könnte in der Tat einer der Hauptgründe für die vielen Kontroversen gewesen sein, »wer von ihnen für den Größten zu halten sei« (Lk 22,24). Allerdings nahm Jakobus nie den ersten Platz unter den Aposteln ein – mit einer Ausnah­me: Er war der erste Märtyrer unter ihnen.Jakobus ist eine weitaus bedeutendere Persönlichkeit, als wir aufgrund der wenigen Informationen vermuten würden. In der Apostelliste in Markus 3,16-19 taucht er direkt hinter Petrus auf. Aus gutem Grund können wir annehmen, dass er eine star­ke Führungsperson war – und nach Petrus wahrscheinlich den größten Einfluss besaß.Natürlich gehörte auch Jakobus zum inneren Kreis der drei Jünger. Er, Petrus und Johannes waren die Einzigen, die Jesus mitnahm, als er Jairus’ Tochter von den Toten auferweckte (Mk 5,37). Dieselbe Dreiergruppe bezeugte Jesu Herrlichkeit auf dem Berg der Verklärung (Mt 17,1). Jakobus gehörte zu den vier Jüngern, die Jesus auf dem Ölberg persönlich befragten (Mk 13,3). Außerdem setzte sich Jesus mit ihm, Petrus und Johan­nes im Garten Gethsemane ab, um mit ihnen allein zu beten (Mk 14,33). Als Mitglied des kleinen inneren Kreises hatte er das Vorrecht, Jesu Macht der Totenauferweckung zu bezeugen. Er sah seine Herrlichkeit bei seiner Verklärung, seine Souverä­nität, als er sie auf dem Ölberg in die Zukunft blicken ließ, und die Todesangst des Heilands im Garten. All diese Erlebnisse müssen seinen Glauben enorm gestärkt und ihm das Rüstzeug für Leiden und Märtyrertod gegeben haben.Wenn es überhaupt ein Schlüsselwort gibt, das auf das Le­ben des Apostels Jakobus zutrifft, dann ist es das Wort Eifer. Aus den wenigen Informationen über ihn wird deutlich, dass er ein Mann voller Eifer und Intensität war. Ihm und Johan­nes gab Jesus den Beinamen Boanerges, »Söhne des Donners«. Das ist eine anschauliche Beschreibung seiner Persönlichkeit. Er war eifernd, stürmisch und leidenschaftlich. Er erinnert uns an Jehu aus dem Alten Testament, der dafür bekannt war, seinen Wagen in einem halsbrecherischen Tempo zu fahren (2Kö 9,20). Jehu sagte: »Komm mit mir und sieh mein Eifern für den HERRN an!« (2Kö 10,16). Anschließend löschte er das Haus Ahab aus und räumte mit dem Baalsdienst im Land auf. Allerdings geriet Jehus Eifer außer Kontrolle, und es stellte sich heraus, dass sein »Eifern für den Herrn« von egoistischen, welt­lichen Ambitionen und blutrünstigster Grausamkeit durchzo­gen war. Die Schrift sagt: »Aber Jehu achtete nicht darauf, mit seinem ganzen Herzen im Gesetz des HERRN, des Gottes Is­raels, zu leben. Er wich nicht von den Sünden Jerobeams, der Israel zur Sünde verführt hatte« (2Kö 10,31). Auch dem Eifer des Apostels Jakobus waren ähnlich ehrgeizige und blutrüns­tige Neigungen beigemischt (obschon in einem wesentlich ge­ringeren Maß), und vielleicht wäre er sogar einen vergleichbar zerstörerischen Weg gegangen, als Jesus ihm begegnete. Doch Gottes Gnade machte ihn zu einem Mann Gottes und einem der führenden Apostel.In seiner Auflistung der Jünger erwähnt Markus den Beina­men von Jakobus und Johannes, »Söhne des Donners«, sowie auch Simons zusätzlichen Namen Petrus (Mk 3,17). Wir wis­sen nicht, wie oft Jesus diesen Namen benutzte; in der ganzen Schrift taucht er nur einmal bei Markus auf. Anders als Petrus’ Name, der offenbar helfen sollte, einen felsähnlichen, stand­haften Charakter zu formen, scheint »Boanerges« die Söhne des Zebedäus zu rügen, wann immer sie ihrem hitzigen Tem­perament freien Lauf ließen. Vielleicht gebrauchte der Herr ihn sogar in humorvoller Hinsicht, während er sie leicht er­mahnte.Die wenigen Informationen, die wir über Jakobus haben, unterstreichen die Tatsache, dass er eine hitzige, leidenschaft­liche Veranlagung besaß. Während Andreas einzelne Men­schen zu Jesus brachte, wünschte sich Jakobus, dass er Feuer vom Himmel senden und ganze Ortschaften zerstören könne. Selbst die Tatsache, dass Jakobus der erste Märtyrer war – und das durch die Hand keines Geringeren als Herodes –, legt nahe, dass Jakobus kein passiver oder ruhiger Mann war. Vielmehr rief sein Charakter Schwierigkeiten hervor, durch die er sich sehr schnell Todfeinde machte.Leidenschaftliche Persönlichkeiten haben in der geistlichen Leiterschaft durchaus ihren Platz. Auch Elia war eine solche Person. (Jakobus bezog sich auf Elia, als er Feuer vom Himmel herabfallen lassen wollte.) Nehemia war ähnlich leidenschaft­lich (vgl. Neh 13,25). Und auch Johannes der Täufer hatte ein feuriges Temperament. Anscheinend besaß Jakobus eine ähn­liche Persönlichkeitsstruktur wie diese Männer Gottes. Gegen­über bösen Menschen wurde er sehr ungeduldig.In einem solchen Eifer ist an sich nichts Falsches. Man be­denke nur einmal, dass auch Jesus sich eine Geißel machte und damit den Tempel reinigte. »Seine Jünger gedachten da­ran, dass geschrieben steht: ›Der Eifer um dein Haus verzehrt mich.‹« (Joh 2,17; vgl. Ps 69,10). Mehr als alle anderen wusste Jakobus, was es heißt, vom Eifer für den Herrn verzehrt zu wer­den. Wahrscheinlich wurde dieser Eifer noch durch Jesu Vor­bild geschürt – z.B. als der Herr die jüdischen Führer tadelte, ein Wehe über die Städte Chorazin und Betsaida aussprach und dämonische Mächte vernichtete. Eifer ist eine Tugend, wenn er wirklich im Dienste der Gerechtigkeit steht.Aber gelegentlich ist Eifer alles andere als gerecht – zum Beispiel, wenn er nicht der rechten Erkenntnis entspringt (vgl. Röm 10,2). Ebenso gefährlich ist ein Eifer ohne Weisheit und Sensibilität. Wann immer Eifer zu unkontrollierter Leiden­schaft wird, kann er tödlich sein. Manchmal neigte Jakobus dazu, von so einem fehlgeleiteten Eifer überwältigt zu werden. Das illustrieren besonders zwei Begebenheiten. Einmal wollte Jakobus Feuer vom Himmel herabfallen lassen. Und ein ande­res Mal bemühten Jakobus und Johannes die Hilfe ihrer Mutter, die sich für ihre Söhne für die besten Plätze im Reich Gottes einsetzen sollte. Im Folgenden werden wir diese beiden Bege­benheiten einzeln untersuchen.Feuer vom HimmelLukas 9,51-56 liefert uns eine gute Erklärung dafür, weshalb Jakobus und Johannes als Söhne des Donners bekannt waren. Jesus traf gerade die Vorbereitungen für eine Reise durch Sa­maria. Er war auf dem Weg nach Jerusalem zum letzten Passah­fest, von dem er wusste, dass er letztendlich zu seinem Tod, sei­ner Grablegung und seiner Auferstehung führen würde. Lukas schreibt: »Es geschah aber, als sich die Tage seiner Aufnahme erfüllten, da richtete er sein Angesicht fest darauf, nach Jerusa­lem zu gehen. Und er sandte Boten vor seinem Angesicht her; und sie gingen hin und kamen in ein Dorf der Samariter, um für ihn Unterkunft zu bereiten. Und sie nahmen ihn nicht auf, weil sein Angesicht nach Jerusalem hin gerichtet war« (V. 51­-53).Es ist von großer Bedeutung, dass Jesus durch Samaria reisen wollte. Obwohl die kürzeste Reiseroute von Galiläa nach Jeru­salem direkt durch Samaria führte, wählten Juden bewusst den viel längeren Weg durch die Wüste Peräa, mit dem ein zweima­liges Überqueren des Jordans verbunden war, nur um Samaria zu umgehen.Die Samariter waren ein Mischvolk, das teilweise aus den Is­raeliten des Nordreichs hervorging. Als Israel von den Assyrern erobert wurde, gerieten die wichtigsten und einflussreichsten Menschen aus jedem Stamm in Gefangenschaft, und das Land wurde mit Heiden und Fremden neu besiedelt, die dem assyri­schen König treu ergeben waren (2Kö 17,24-34). Arme Israeli­ten, die im Land geblieben waren, heirateten diese Heiden.Da sie den Herrn nicht fürchteten, hatten diese Heiden von Anfang an keinen Erfolg. So sandte der assyrische König einen weggeführten Priester ins Land zurück, um den Menschen die Furcht des Herrn zu lehren (2Kö 17,28). Das Resultat war eine Religion, die Elemente der Wahrheit und des Heidentums ent­hielt. »So fürchteten sie den HERRN und dienten zugleich ihren Göttern entsprechend dem Brauch der Nationen, aus denen man sie gefangen weggeführt hatte« (2Kö 17,33). Anders ausge­drückt: Sie behaupteten noch immer, Jahwe als Gott anzubeten (und akzeptierten angeblich den Pentateuch als Gottes Wort), gründeten aber gleichzeitig ihre eigene Priesterschaft, bauten sich ihren eigenen Tempel und dachten sich ein eigenes Op­fersystem aus. Sie gründeten also eine neue Religion, die größ­tenteils auf heidnischen Traditionen basierte. Die samaritische Religion ist ein klassisches Beispiel für die Unterwerfung der Schrift unter menschliche Traditionen.Ursprünglich stand der samaritische Tempel auf dem Berg Garizim in Samaria. Er wurde zur Zeit Alexanders des Großen erbaut und etwa 125 Jahre vor Christi Geburt zerstört. Von den Samaritern wurde der Berg Garizim noch immer als heilig an­gesehen, und sie waren davon überzeugt, dass dies der einzi­ge Ort war, an dem Gott angemessen verehrt werden konnte. Deshalb sagte die samaritische Frau in Johannes 4,20 zu Jesus: »Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet, und ihr sagt, dass in Jerusalem der Ort sei, wo man anbeten müsse.« Dies war offenbar einer der Hauptstreitpunkte zwischen Juden und Samaritern. (Bis zum heutigen Tag betet eine kleine Gruppe sa­maritischer Nachkommen auf dem Berg Garizim an.)Viele, die ursprünglich israelitischer Abstammung waren und später aus der Gefangenschaft nach Samaria zurückkehr­ten, stammten ebenfalls aus Mischehen, so dass ihnen die sa­maritische Kultur sehr entgegenkam. Natürlich betrachteten die Juden die Samariter deshalb als Mischvolk und ihre Religi­on als Mischreligion. Daher nahmen die Juden zur Zeit Chris­ti solch große Unannehmlichkeiten auf sich, um nicht durch Samaria reisen zu müssen. Die ganze Region hielten sie für unrein.Doch in diesem Fall war Jesus auf dem Weg nach Jerusalem, und wie bereits zuvor (Joh 4,4) wählte er den direkten Weg durch Samaria. Unterwegs würden er und seine Nachfolger Unterkünfte benötigen, wo sie essen und die Nacht verbringen konnten. Da die Reisegesellschaft recht groß war, schickte er Boten voraus, die für Unterbringung sorgen sollten.Da es offensichtlich war, dass Jesus zum Passahfest nach Je­rusalem wollte, und die Samariter glaubten, dass solche Fes­te und Zeremonien auf dem Berg Garizim stattfinden sollten, wurde seinen Boten jegliche Unterkunft verwehrt. Die Sama­riter hassten nicht nur die Juden, sondern auch die Anbetung in Jerusalem. Aus diesem Grund waren sie an Christi Vorhaben überhaupt nicht interessiert. Er repräsentierte alles Jüdische, das sie verachteten. So lehnten sie die Bitte kurz und bündig ab. Das Problem bestand nicht darin, dass es in den Gasthäusern keine Zimmer mehr gab. Es bestand darin, dass die Samariter ihnen die Gastfreundschaft absichtlich verwehrten. Sollte Jesus auf seinem Weg zur Anbetung in Jerusalem durch ihre Stadt rei­sen, würden sie es ihm so unangenehm wie möglich machen. Sie hassten die Juden und ihre Anbetung genauso sehr, wie die Juden sie und ihre Anbetung hassten. Es gehörte zur guten Ge­pflogenheit, den Samaritern den Rücken zuzukehren.Natürlich ist Jesus den Samaritern stets mit seiner Güte be­gegnet. Er heilte einen samaritischen Aussätzigen und lobte die Dankbarkeit des Mannes (Lk 17,16). Von einer samariti­schen Frau hatte er Wasser bekommen und ihr im Gegenzug das Wasser des Lebens gegeben (Joh 4,7-29). Er blieb zwei Tage in dem Dorf der Frau und brachte ihren Nachbarn das Evan­gelium (Joh 4,39-43). In einem seiner bekanntesten Gleichnis­se war der Held ein Samariter (Lk 10,30-37). Später befahl er seinen Jüngern, das Evangelium in Samaria zu predigen (Apg 1,8). Stets zeigte er den Samaritern seine Freundlichkeit und sein Wohlwollen.Aber jetzt behandelten sie ihn bewusst geringschätzig.Jakobus und Johannes, die Söhne des Donners, wurden au­genblicklich mit leidenschaftlichem Zorn erfüllt. Sie wussten sofort, wie man in dieser Situation zu handeln hatte. Sie sag­ten: »Herr, willst du, dass wir Feuer vom Himmel herabfallen und sie verzehren heißen, wie auch Elias tat?« (Lk 9,54; UELB).Dass Elia erwähnt wurde, war sehr bezeichnend. Die Be­gebenheit, auf die Jakobus und Johannes zurückgriffen, hatte sich in diesem Gebiet ereignet. Sie waren mit dem alttesta­mentlichen Bericht vertraut und kannten seinen historischen Bezug zu Samaria. Hier sehen wir, wie tief der Groll der Juden gegenüber Samaria saß.Es war eine historische Tatsache, dass der Name Samaria schon lange vor der assyrischen Eroberung mit Götzendienst und Abfall in Verbindung stand. Ursprünglich war Samaria der Name einer der wichtigsten Städte im Nordreich. Unter Ahabs Herrschaft war Samaria in den Tagen Elias zu einem Zentrum der Baalsverehrung geworden (1Kö 16,32). Dort baute Ahab auch seinen berühmten Elfenbeinpalast (1Kö 22,39; vgl. Am 3,12-15).Ahabs Palast wurde zur dauerhaften Residenz der ihm nach­folgenden Könige des Nordreichs. An diesem Ort fiel Ahasja in seinem Obergemach durchs Gitter und verletzte sich ernstlich (2Kö 1,2).Ein Gitter ist eine Art Schirm oder Rost aus einem Kreuzmus­ter aus Holzstreifen. Es könnte auch eine dekorative Fenster­verkleidung gewesen sein. Jedoch ist es wahrscheinlicher, dass es ein dürftiger Ersatz für eine Umzäunung der Dachterrasse war. Anscheinend lehnte sich Ahasja unvorsichtig an dieses Gitter, und als es nachgab, fiel er vom Obergeschoss seines Pa­lasts.Ahasja war Ahabs Sohn und Thronfolger. Seine Mutter Ise­bel lebte noch während seiner Regierungszeit und hielt durch ihn ihren bösen Einfluss aufrecht. Sein Unfall fügte ihm an­scheinend lebensbedrohliche Verletzungen zu, so dass er sein Schicksal wissen wollte. Deshalb entsandte er Boten mit dem Auftrag: »Geht hin, befragt Baal-Sebub, den Gott von Ekron, ob ich von dieser Krankheit genesen werde!« (V. 2).Nach dem mosaischen Gesetz war das Befragen von Wahr­sagern strengstens verboten (5Mo 18,10-12). Baal-Sebub zu befragen, war sogar noch schlimmer. Er war eine Gottheit der Philister. Sein Name bedeutet »Herr der Fliegen«. Das Land der Philister war voller Fliegen, und die Philister glaubten, der Gott der Fliegen würde in ihrem Land leben, weshalb sie ihn zu ei­nem ihrer Hauptgötter machten. Sie besaßen einige berühmte Seher, die behaupteten, sie könnten in die Zukunft schauen. Normalerweise gaben sie schmeichelhafte Prophezeiungen, die in ihrer Vieldeutigkeit kaum daneben liegen konnten. Den­noch hatten es diese Seher zu Elias Zeiten in ganz Israel zu Ruhm und Ansehen gebracht.Nie zuvor hatte jemand eine solch abscheuliche Gottheit wie Baal-Sebub erfunden. Angeblich herrschte er über die Fliegen - jene scheußlichen Insekten, die um alles Verwesende und Schmutzige herumschwirren, Krankheiten verbreiten und Ma­den hervorbringen. Das ist ein treffendes Bild für diese Art von Gott. Wer würde jemals daran denken, einen Gott anzubeten, dessen Bereich alles Faulige und Unreine ist? Ein solcher Gott war für die Juden derart abstoßend, dass sie den Namen Baal-Sebub geringfügig veränderten in »Beelzebul«. Dieses abscheu­liche Wesen verkörperte alles Unreine und Unheilige – alles, was im Gegensatz zum wahren Gott steht. (Zur Zeit Jesu be­nutzte man daher den Namen Beelzebul, wenn man vom Teu­fel sprach – Lk 11,15). Dies war also der Gott, von dem Ahasja seine Zukunft wissen wollte.Deshalb sandte der Herr Elia, um die Boten abzufangen. Die Schrift sagt: »Da redete der Engel des HERRN zu Elia, dem Tischbiter: Mache dich auf, geh hinauf den Boten des Königs von Samaria entgegen und sage zu ihnen: Gibt es denn kei­nen Gott in Israel, dass ihr hingeht, um Baal-Sebub, den Gott von Ekron, zu befragen?« (2Kö 1,3). Der Engel hatte eine erns­te Nachricht für den verletzten König: »Darum, so spricht der HERR: Von dem Bett, das du bestiegen hast, wirst du nicht he­runterkommen, sondern du musst sterben!« (V. 4).Elia tat, was ihm aufgetragen wurde, und ließ Ahasja die Bot­schaft durch die königlichen Boten zukommen. Diese wussten nicht einmal, wer Elia war. Als sie dem König Bericht erstatteten, sagten sie einfach: »Ein Mann kam herauf, uns entgegen« (V. 6).Ahasja fragte: »Wie war das Aussehen des Mannes, der euch entgegenkam und diese Worte zu euch redete?« (V. 7).Sie antworteten: »Es war ein Mann, mit einem haarigen Mantel bekleidet und an seinen Hüften gegürtet mit einem le­dernen Schurz« (V. 8).Ahasja erkannte ihn sofort: »Das ist Elia, der Tischbiter!« (V. 8). In den Jahren zuvor wurden Ahab und Isebel mehrfach mit Elia konfrontiert, deshalb kannte Ahasja ihn. Natürlich hasste Ahasja ihn; wahrscheinlich entschied er sich in diesem Augen­blick, ihn zu töten. So sandte er »zu ihm einen Obersten über fünfzig Mann und seine fünfzig Leute« (V. 9). Dass Ahasja so viele Soldaten schickte, beweist seine feindlichen Absichten. Wahrscheinlich hatten sie den Auftrag, ihn festzunehmen und zu Ahasja zu bringen, damit der König Elias Hinrichtung bei­wohnen und sich darüber freuen konnte.»Der [Oberste] ging zu ihm hinauf, und siehe, er saß auf dem Gipfel des Berges« (V. 9). Die Größe der Abordnung brachte Elia nicht aus der Fassung. Er versteckte sich nicht und lief auch nicht vor ihnen davon. Ruhig saß er auf dem Berggipfel, wo sie ihn mit Sicherheit finden würden.Der Oberste sprach zu ihm: »Mann Gottes, der König sagt: Komm herab!« (V. 9).Elias Antwort brachte die Sache auf den Punkt: »Wenn ich ein Mann Gottes bin, so fahre Feuer vom Himmel herab und fresse dich und deine fünfzig Mann! Da fuhr Feuer vom Him­mel herab und fraß ihn und seine fünfzig Mann« (V. 10). Der hebräische Ausdruck deutet an, dass die ganze Abordnung vollständig vernichtet wurde. Von einem Augenblick auf den anderen blieb von ihnen nur noch Asche übrig. Anscheinend gab es Zeugen, die es dem König berichteten.Doch Ahasja war töricht und starrsinnig. »Und er sandte nochmals zu ihm, einen anderen Obersten über fünfzig Mann mit seinen fünfzig Leuten. Der stieg hinauf und sagte zu ihm: Mann Gottes, so spricht der König: Schnell, komm herunter! Aber Elia antwortete und redete zu ihnen: Wenn ich ein Mann Gottes bin, so fahre Feuer vom Himmel herab und fresse dich und deine fünfzig Mann! Da fuhr Feuer Gottes vom Himmel herab und fraß ihn und seine fünfzig Mann« (V. 11-12).Es ist unglaublich: Ahasja gab immer noch nicht auf! Er sandte eine weitere Kompanie von fünfzig Männern. Doch der Oberste dieser dritten Abordnung war weise. Er trat demütig vor Elia und bat um das Leben seiner Männer. Dieses Mal gab der Engel des Herrn Elia den Auftrag, mit den Soldaten zu ge­hen und Ahasja persönlich zu treffen. Elia folgte ihnen und brachte die schicksalhafte Nachricht Ahasja persönlich.Und Ahasja starb »nach dem Wort des HERRN« (V. 13-17). All das geschah in dem Gebiet, durch das Jesus nach Jerusa­lem reisen wollte. Die Jünger kannten die Geschichte von Elias feurigem Sieg gut. Sie gehörte zu jenen alttestamentlichen Be­gebenheiten, an die sie wohl allein schon aufgrund ihrer Reise durch diese Region dachten.Als Jakobus und Johannes Feuer vom Himmel als ange­brachte Reaktion auf die samaritische Ungastlichkeit vorschlu­gen, dachten sie wahrscheinlich, sie würden sich auf einen ver­gleichbaren Präzedenzfall berufen. Schließlich wurde Elia für sein Handeln nicht gerügt. Im Gegenteil: Elias Antwort war zu diesem Zeitpunkt und unter diesen Umständen angemessen.Aber für Jakobus und Johannes war es nicht die richtige Re­aktion. Zunächst einmal waren ihre Motive falsch. In ihrer Fra­ge offenbarte sich eine gewisse Überheblichkeit: »Herr, willst du, dass wir sagen, dass Feuer vom Himmel herabfallen und sie verzehren soll?« Natürlich besaßen sie nicht die Macht, Feuer vom Himmel herabfallen zu lassen. Christus war der Einzige von ihnen, der das konnte. Wäre es eine angemessene Reakti­on gewesen, dann hätte er es selbst tun können. Unverschämt drängten sich Jakobus und Johannes auf, er solle ihnen Macht geben, Feuer vom Himmel regnen zu lassen. Vielfach forder­ten seine Gegner Christus heraus, derartige Wunder zu wirken, doch jedes Mal weigerte er sich (vgl. Mt 12,39). In Wirklichkeit baten sie ihn, ihnen die Macht zu geben, etwas zu tun, von dem sie wussten, dass er es nicht tun würde.Außerdem hatte Jesus einen anderen Auftrag als Elia. Chris­tus war gekommen, um zu erretten – nicht, um zu zerstören. Deshalb erteilte er den Boanerges-Brüdern einen deutlichen Tadel: »Er aber wandte sich und bedrohte sie und sprach: Wis­set ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid? Denn des Men­schen Sohn ist nicht gekommen, der Menschen Seelen zu ver­derben, sondern zu erretten« (Lk 9,55-56; Schlachter).Wie konnten sie den Geist seiner Lehren auch nur derart missverstanden haben, nachdem sie so viel Zeit mit Jesus ver­bracht hatten? »Denn der Sohn des Menschen ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren ist« (Lk 19,10). Sein Auf­trag war es, zu erretten – nicht zu richten. Obgleich er jedes Recht dazu hatte, uneingeschränkte Verehrung zu fordern, kam »der Sohn des Menschen nicht … um bedient zu werden, son­dern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele« (Mt 20,28). »Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn errettet werde« (Joh 3,17). Jesus selbst sagte: »Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe; und wenn jemand meine Wor­te hört und nicht befolgt, so richte ich ihn nicht, denn ich bin nicht gekommen, dass ich die Welt richte, sondern dass ich die Welt errette« (Joh 12,46-47).Natürlich wird eine Zeit kommen, in der Christus die Welt richten wird. Dann wird er offenbart »vom Himmel her mit den Engeln seiner Macht, in flammendem Feuer. Dabei übt er Ver­geltung an denen, die Gott nicht kennen, und an denen, die dem Evangelium unseres Herrn Jesus nicht gehorchen; sie wer­den Strafe leiden, ewiges Verderben vom Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Stärke« (2Thes 1,7-9). Doch jetzt war weder die Zeit noch der Ort dafür.Wie Salomo schrieb: »Für alles gibt es eine bestimmte Stun­de. Und für jedes Vorhaben unter dem Himmel gibt es eine Zeit: … Zeit fürs Töten und Zeit fürs Heilen, Zeit fürs Abbrechen und Zeit fürs Bauen, … Zeit fürs Steinewerfen und Zeit fürs Steine­sammeln, … Zeit fürs Schweigen und Zeit fürs Reden, … Zeit fürs Lieben und Zeit fürs Hassen, Zeit für Krieg und Zeit für Frieden« (Pred 3,1-8). Jakobus und Johannes hatten vorüber­gehend vergessen, dass jetzt »der Tag des Heils« ist (2Kor 6,2).Vielleicht findet sich aber auch eine Spur von Großmut in ihrer Entrüstung über die Samariter. Ihr Eifer für die Ehre Christi ist sicherlich eine große Tugend. Es ist weitaus besser, mit gerechtem Zorn erfüllt zu sein, als passiv zu bleiben und Beleidigungen gegen Christus zu erdulden. So ist ihr Ärger in gewisser Weise bewundernswert, auch wenn in ihrer Reaktion Überheblichkeit mitschwang und ihr Lösungsvorschlag völlig indiskutabel war.Jesus verurteilte jedoch Elias Reaktion nicht und vertrat auch nicht bei jedem Konflikt einen rein pazifistischen Ansatz. Elia handelte um der Ehre Gottes willen und mit Gottes ausdrück­licher Zustimmung. Das Feuer vom Himmel war eine öffentli­che Demonstration von Gottes Zorn (nicht von Elias Zorn), und es war ein verdientes Strafgericht über ein unvorstellbar böses Regime, das über Generationen hinweg den Thron Israels inne­hatte. Eine solch extreme Bosheit verlangte nach einem extrem schweren Gericht.Sicherlich wäre bei jeder Sünde der unmittelbare Tod das verdiente Strafgericht, wenn Gott auf eine solche Weise mit uns umgehen wollte. Aber dankbarerweise reagiert er für ge­wöhnlich anders. »Sein Erbarmen ist über alle seine Werke« (Ps 145,9). Er ist »barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue« (2Mo 34,6). Er hat keinen »Gefal­len am Tod des Gottlosen! Wenn nicht vielmehr daran, dass der Gottlose von seinem Weg umkehrt und lebt!« (Hes 33,11).Jesu Beispiel lehrte Jakobus, dass Barmherzigkeit und Gnade Tugenden sind, die ebenso (und manchmal noch mehr) entwi­ckelt werden sollten wie gerechte Entrüstung und feuriger Ei­fer. Beachten Sie, was hier geschah. Anstatt Feuer vom Himmel herabfallen zu lassen, »gingen sie nach einem anderen Dorf« (Lk 9,56). Sie fanden einfach anderswo Unterkunft. Möglicher­weise war das etwas beschwerlicher, aber weitaus besser und unter diesen Umständen angemessener als die Reaktion von Jakobus und Johannes auf die samaritische Ungastlichkeit.Einige Jahre nach dieser Begebenheit, als die frühe Gemein­de zu wachsen begann und das Evangelium sich über Judäa hinaus verbreitete, ging Philippus »hinab in eine Stadt Sama­rias und predigte ihnen den Christus« (Apg 8,5). Und etwas Wunderbares geschah. »Die Volksmengen achteten einmütig auf das, was von Philippus geredet wurde, indem sie zuhörten und die Zeichen sahen, die er tat. Denn von vielen, die unrei­ne Geister hatten, fuhren sie aus, mit lauter Stimme schreiend; und viele Gelähmte und Lahme wurden geheilt. Und es war große Freude in jener Stadt« (V. 6-8).Unter den Bekehrten fanden sich zweifellos auch einige Leute, die Jesus vor Jakobus’ Ansinnen verschont hatte. Und wir können sicher sein, dass selbst er sich über die Errettung von so vielen Menschen freute, die Christus einst so schamlos verunehrten. Throne im Reich GottesMatthäus 20,20-24 gibt uns einen weiteren Einblick in Jakobus’ Charakter. Hier sehen wir, dass Jakobus nicht nur leidenschaft­lich, eifernd und unsensibel war, sondern auch ehrgeizig und zu selbstbewusst. Diesmal versuchten er und sein Bruder Johan­nes, eine höhere Stellung als die anderen Jünger zu bekommen:Dann trat die Mutter der Söhne des Zebedäus mit ihren Söhnen zu ihm und warf sich nieder und wollte etwas von ihm erbitten. Er aber sprach zu ihr: Was willst du? Sie sagt zu ihm: Bestimme, dass diese meine zwei Söhne einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken sitzen mögen in deinem Reich! Jesus aber ant­wortete und sprach: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde? Sie sagen zu ihm: Wir können es. Er spricht zu ihnen: Meinen Kelch werdet ihr zwar trinken, aber das Sitzen zu meiner Rechten und zu meiner Lin­ken zu vergeben, steht nicht bei mir, sondern ist für die, denen es von meinem Vater bereitet ist. Und als die Zehn es hörten, wurden sie unwillig über die zwei Brüder.Auch Markus schildert diese Begebenheit, allerdings erwähnt er nicht die Vermittlung durch ihre Mutter. Obgleich Matthä­us berichtet, dass sie die Bitte vor Jesus bringt, macht ein Ver­gleich mit dem Bericht von Markus klar, dass ihre Söhne die Initiatoren waren.Vergleichen wir Matthäus 27,56 mit Markus 16,1, so finden wir außerdem heraus, dass die Mutter von Jakobus und Johan­nes Salome hieß. Sie gehörte zu vielen »Frauen … die Jesus von Galiläa nachgefolgt waren und ihm gedient hatten« (Mt 27,55). Mit anderen Worten: Diese Frauen unterstützten ihn finanziell und sorgten wahrscheinlich auch für Essen (vgl. Lk 8,1-3). Auf­grund des familiären Wohlstands war es Salome möglich, über längere Zeitabschnitte hinweg bei ihren Söhnen zu sein, mit allen Nachfolgern Jesu überallhin zu reisen sowie logistischen, praktischen und finanziellen Bedürfnisse zu entsprechen.Wenn wir uns Jesu Verheißung in Matthäus 19,28 anschau­en, erkennen wir, dass der Ursprung von Salomes kühner Bitte unzweifelhaft bei Jakobus und Johannes gelegen haben muss. »Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auch ihr werdet in der Wiedergeburt, wenn der Sohn des Menschen auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen wird, auf zwölf Thro­nen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.« Im selben Zusammenhang erinnert Jesus jedoch auch daran, dass »viele Erste Letzte werden und Letzte Erste sein« werden (V. 30). Die Verheißung von Thronen hatte die Aufmerksamkeit von Jako­bus und Johannes auf sich gezogen. Deshalb entschlossen sie sich, ihre Mutter in ihrem Interesse um die wichtigsten Throne bitten zu lassen.Sie gehörten bereits zum vertrauten Kreis der Drei. Sie waren schon länger seine Jünger als die anderen. Wahrscheinlich hat­ten sie zahlreiche Gründe, weshalb sie diese Ehre verdienten. Warum sollten sie nicht einfach darum bitten?Was Salome betraf, so war sie gewiss bereit, sich für ihre Söh­ne einzusetzen. Offenbar hatte sie die Ambitionen ihrer Söh­ne unterstützt, was möglicherweise deren Einstellung erklären könnte.Jesu Antwort erinnerte sie auf subtile Weise daran, dass der Herrlichkeit Leiden vorangehen: »Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder mit der Taufe getauft werden, mit der ich getauft werde?« (Mk 10,38). Obwohl er ihnen mehrfach erklärt hatte, dass er gekreuzigt werden würde, verstanden sie nicht, welche Taufe er hier meinte. Sie hatten keine Idee, was wohl der Kelch bedeutete, von dem er sprach.In ihrem törichten, ehrgeizigen Selbstvertrauen versicherten sie ihm: »Wir können es.« Sie verlangten nach Ehre und einer guten Position und wollten von ihm diese höchsten Throne zu­gesichert bekommen.Aber er gab ihnen dieses Versprechen nicht. Stattdessen sagte er ihnen, sie würden seinen Kelch trinken und mit der gleichen Taufe getauft werden wie er. (In diesem Augenblick konnten sie noch nicht wissen, wofür sie sich freiwillig zur Ver­fügung gestellt hatten.) Doch Jesus sagte, dass ihnen dadurch nicht unbedingt die wichtigsten Throne zuteil werden würden. »Das Sitzen zu meiner Rechten und zu meiner Linken zu ver­geben, steht nicht bei mir, sondern ist für die, denen es von meinem Vater bereitet ist« (Mt 20,23).Schließlich führten ihre Ambitionen zu Konflikten unter den Aposteln, da die anderen zehn es mitbekamen und ihr Miss­fallen darüber äußerten. Die Frage, wer wohl die wichtigsten Throne verdiente, ließ eine große Debatte unter ihnen aufkom­men, die sie sogar noch beim letzten Abendmahl weiterführten (Lk 22,24).Jakobus wollte eine herrliche Krone, und Jesus reichte ihm den Kelch des Leidens. Er verlangte nach Macht, und Jesus machte ihn zum Diener. Er strebte nach einer Führungspositi­on, und Jesus gab ihm das Grab eines Märtyrers. Er wollte herr­schen, und Jesus gab ihm ein Schwert – nicht zum Kämpfen, sondern zur Vollstreckung seiner eigenen Hinrichtung. Vier­zehn Jahre später sollte Jakobus der Erste von den zwölf Jün­gern sein, der für seinen Glauben getötet wurde.Ein Kelch des LeidensDas Lebensende von Jakobus wird in Apostelgeschichte 12,1-3 berichtet: »Um jene Zeit aber legte Herodes, der König, Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln; er tötete aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert. Und als er sah, dass es den Juden gefiel, ließ er weiterhin auch Petrus festnehmen.«Bedenken Sie, dass dies die einzige Schriftstelle ist, in der Ja­kobus allein genannt wird. Uns werden nur wenige Einzelhei­ten über seinen Märtyrertod mitgeteilt. Die Schrift sagt, dass Herodes ihn mit dem Schwert tötete (was bedeutet, dass er enthauptet wurde). Es war nicht Herodes Antipas, der bereits Johannes den Täufer töten ließ und Jesus den Prozess mach­te, sondern sein Neffe und Thronfolger, Herodes Agrippa I. Wir wissen nicht, weshalb dieser Herodes der Gemeinde gegenüber feindlich gesonnen war. Natürlich war bekannt, dass sich sein Onkel am Mordkomplott gegen Christus beteiligt hatte, und die Predigt vom Kreuz brachte sicherlich die ganze Herodes-Dynastie in Verlegenheit (vgl. Apg 4,27). Offenbar wollte He­rodes die Spannungen zwischen der Gemeinde und den jüdi­schen Führern zusätzlich zu seinem politischen Vorteil nutzen. Er startete eine Hetzkampagne gegen Christen und ging schon bald zum Morden über. Als er sah, wie sehr es den jüdischen Führern gefiel, entschied er sich, auch Petrus festzunehmen.Petrus konnte durch ein Wunder entkommen, und Herodes starb wenig später durch ein Gericht Gottes. Die Schrift sagt, dass Herodes die Gefängniswachen nach Petrus’ Flucht töten ließ und nach Cäsarea ging (Apg 12,19). Dort nahm er für sich die Verehrung in Anspruch, die allein Gott zusteht. »Das Volk aber rief ihm zu: Eines Gottes Stimme und nicht eines Men­schen! Sogleich aber schlug ihn ein Engel des Herrn, dafür, dass er nicht Gott die Ehre gab; und von Würmern zerfressen, verschied er« (V. 22-23). Damit endete die direkte Bedrohung der Gemeinde durch Herodes.Allerdings ist es bezeichnend, dass gerade Jakobus der erste Apostel war, der getötet wurde. (Jakobus ist der einzige Apos­tel, dessen Tod in der Schrift beschrieben wird.) Nach wie vor war Jakobus ein Mann voller Eifer. Sein Eifer, der nun unter der Kontrolle des Heiligen Geistes stand, war bei der Verbreitung des Evangeliums so ausschlaggebend, dass er Herodes’ Zorn hervorrief. Offenbar war Jakobus nun an dem Punkt angelangt, wo er immer sein wollte und wofür Christus ihn ausgebildet hatte – an vorderster Front, als sich das Evangelium ausbreitete und die Gemeinde wuchs.Dieser Sohn des Donners wurde von Christus gefördert; er wurde vom Heiligen Geist bevollmächtigt; und er wurde zu ei­nem Mann geformt, dessen Eifer und Ehrgeiz in den Händen Gottes brauchbare Werkzeuge zur Ausbreitung seines Reiches waren. Er war noch immer couragiert, eifrig und der Wahrheit verpflichtet und hatte anscheinend gelernt, diese Eigenschaf­ten im Dienst für den Herrn einzusetzen, anstatt sie für seine eigene Selbstverherrlichung zu gebrauchen. Und nun hatte Jakobus eine solch große Wirkung, dass er als Erster starb, als Herodes die Gemeinde aufhalten wollte. So trank er den Kelch, den Christus ihm gab. Sein Leben war kurz, aber sein Einfluss hält bis zum heutigen Tag an.Die Geschichtsschreibung hält fest, dass sein Zeugnis bis zum Augenblick seiner Hinrichtung Frucht brachte. Eusebi­us, ein Historiker der frühen Kirche, gibt einen Bericht über Jakobus’ Tod weiter, der von Klemens von Alexandria stammt: »[Klemens] sagt, dass die Person, die Jakobus zur Hinrichtungs­stätte führte, von seinem Zeugnis bewegt wurde und bekann­te, selbst auch Christ zu sein. Deshalb wurden sie, so sagt er, dort zusammen hingeführt, und auf dem Weg bat er Jakobus um Vergebung. Und nachdem Jakobus kurz überlegte, sagte er: ›Friede sei mit dir‹; dann küsste er ihn. Und so wurden sie beide gleichzeitig enthauptet.« 1 Somit hatte Jakobus am Ende seines Lebens gelernt, ähnlich wie Andreas zu handeln und Menschen zu Christus zu führen, anstatt anderen das Gericht zu wünschen.Jakobus ist der Prototyp einer leidenschaftlichen, eifrigen Führungsperson, die dynamisch, stark und ehrgeizig ist. Letz­ten Endes wurde seine Leidenschaft durch Sensibilität und Gnade gemäßigt. Mit der Zeit hatte er gelernt, seinen Zorn zu kontrollieren, seine Zunge im Zaum zu halten, seinen Eifer zu bändigen, sein Verlangen nach Rache auszuschalten und sei­ne egoistischen Ambitionen vollständig aufzugeben. Und der Herr gebrauchte ihn zu einem wunderbaren Werk in der frühen Gemeinde.Für einen Mann mit dem Eifer eines Jakobus sind solche Lektionen manchmal schwer zu lernen. Doch müsste ich wäh­len zwischen einem Mann mit einem brennenden, glühenden und leidenschaftlichen Enthusiasmus und seinem Potenzial, Fehler zu machen, einerseits und einem Mann mit einer kühl berechnenden Kompromissbereitschaft andererseits, so würde ich mich jedes Mal für den ersten entscheiden. Ein solcher Ei­fer muss immer durch Liebe gemäßigt und brauchbar gemacht werden. Doch wenn er erst einmal der Kontrolle des Heiligen Geistes unterstellt ist und mit Geduld und Langmut vermischt ist, ist ein solcher Eifer ein großartiges Werkzeug in den Hän­den Gottes. Das Leben von Jakobus ist ein deutlicher Beweis dafür.1 Eusebius, Ecclesiastical Church History 2.9.2-3.Fortsetzung: Johannes - Der Apostel der Liebe

Datum: 02.07.2007
Autor: John MacArthur
Quelle: 12 ganz normale Männer

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service