„Wir sind die Reichsten der Welt“

Die Reichsten
Kühe
Stau
Matterhorn
Bern

Jawohl, die Weltbank hat Recht: Wir sind die Reichsten, und weil wir es in einem Land mit wenig Rohstoffen so weit gebracht haben, darf das auch sein. – Positive Gedanken eines selbstbewussten Schweizers zum Bettag.

Wir Eidgenossen haben etwas aus uns gemacht, sind mit dabei im globalen Wettbewerb und führen die Länderliste vor allem bei den immateriellen Gütern wie Bildung an. Die Weltbank hat’s erfasst: Das Eigentum ist garantiert im Lande Helvetias, das Rechtssystem funktioniert – und Korruption, die anderswo Recht in Unrecht verkehrt und die aktiven Leute behindert, gibt es bei uns nicht.

Unsere Banken nehmen bloss sauberes Geld an; das haben sie garantiert. Daher stünde einer neuen Fahne nichts im Wege: Wir könnten das weisse Kreuz im roten Feld durchaus durch eine weisse Weste auf Goldgrund ersetzen…

Danken sollte man am Bettag. Warum eigentlich? Wem sollten wir danken? Unsere Spitzenstellung ist das Ergebnis harter Arbeit und des einzigartigen helvetischen Erfindungsgeistes, der Chancen erkennt und rasch reagiert. Wir halten über den Röstigraben und alle anderen Gräben hinweg zusammen; das macht uns stark. Unser Land ist überblickbar und unsere Bundesräte wagen sich noch ohne Bodyguard auf die Strasse. Darauf bin ich stolz.

Gott danken für unseren Lebensraum? Nun, wir haben tatsächlich frisches Wasser, gute Luft, tolle Landschaften, insgesamt vorzügliche Lebensgrundlagen – aber zwischendurch auch Hochwasser. Die Natur hat zwei Seiten wie alles in der Welt. Danken muss man den Ingenieuren, die Verbauungen errichtet haben.

Busse? Die Schweizer zahlen tatsächlich zu viele Bussen. Wer in der grössten Stadt des Landes unaufmerksam parkiert, dem kann passieren, dass er eine Mille hinblättern muss. Busse tun wird er deswegen nicht – sich in Acht nehmen aber schon und vielleicht einmal den Bus nehmen.

Natürlich büssen wir zuviel Verkehr mit Staus, aber dem ist mit neuen Tunnels und Schnellstrassen abzuhelfen. Unsere Zukunft entscheidet sich daran, dass wir offen bleiben für Europa und den Rest der Welt; Abschottung würden wir mit wirtschaftlichem Niedergang büssen. Kurz: ein hochoffizieller Eidgenössischer Tag der Busse ist doch im 21. Jahrhundert wirklich überholt (um der NEAT auf die Beine zu helfen, könnte man ihn eventuell durch einen Tag des öffentlichen Verkehrs ersetzen).

Beten! Wer dafür Zeit findet, soll es tun. Beten kann nicht schaden. Aber ob es nützt? Jedenfalls war nach den Überschwemmungen nicht Zeit zum Beten, sondern es ging darum, die Ärmel hochzukrempeln, die Eingeschlossenen zu evakuieren und dann Wasser abzupumpen, Wohnungen und Keller zu reinigen und all das Weitere an die Hand zu nehmen.

Wenn es eine höhere Macht gibt, dann darf sie es gut meinen mit der Schweiz. Wir meinen es ja auch mit allen gut, haben seit Marignano 1515 keine Angriffskriege mehr geführt und versorgen die halbe Welt mit Medikamenten.

Doch wenn Sie, werte Leserin, werter Leser, an diesem Tag wirklich beten wollen – ich habe nichts dagegen!


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Datum: 18.09.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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