Pfingsten

Fest der Verlegenheit

Man
Heiliger Geist.

glaubt es kaum. Das Ereignis, mit dem die Kirchen ihre eigentliche Entstehung begründen, vermögen sie nicht so richtig zu feiern. Der Geburtstag der Kirche löst Verlegenheit allenthalben aus.

Der Grund: Der eigentliche Urheber des Ereignisses, der Heilige Geist, ist physisch nicht zu fassen und geistig nur schwer. Die alte Kirche hat es gerade noch geschafft, ihn am Schluss ihres apostolischen Bekenntnisses unterzubringen: "Ich glaube an den Heiligen Geist". Mehr konnte oder wollte sie in diesem frühen Bekenntnis - dem "Apostolicum" - nicht sagen.

Über Gott konnte und kann man vieles sagen. Die Theologien sind gemacht. Auch die Christologien, die Lehren über Jesus Christus: Er, Gottes Sohn, war als Mensch auf dieser Welt und hat hier konkret gehandelt, gesprochen und gelebt. Er ist für uns gestorben und auferstanden. Seine (armselige) Geburt feiern Kirche, Wirtschaft und Politik gleichermassen mit viel Pomp. Doch was fangen wir mit dem Heiligen Geist an? Zwar soll er nach dem biblischen Bericht schon bei der Schöpfung mitgewirkt zu haben. Aber wie genau, wissen wir nicht.

So wurde denn Pfingsten im Laufe der Geschichte eher mit viel Allotria denn als heiliges Ereignis des machvollen Eingreifens Gottes gefeiert. Man auserkor Pfingstlümmel, warf Pfingsblüttlige in Brunnentröge und veranstaltete Reiterfeste. Und kirchliche Pfingstzeremonien glichen eher Zauberei und Magie denn einem freudigen heiligen Geburtstagsfest.

Es brauchte 19 Jahrhunderte, bis in schwarzen Slums im amerikanischen Westen eine Kirche entstand, die sich später Pfingstkirche nannte. Einfache Menschen, die sich nach einer Belebung der Kirche sehnten, erlebten zu Anfang des letzten Jahrhunderts eine "Geisttaufe" mit Auswirkungen, wie sie vor 2000 Jahren in Jerusalem erlebt wurden. Sie redeten in neuen Sprachen, heilten Kranke und erlebten die unheimliche Kraft des Heiligen Geistes, die sie zur machtvollen Predigt befähigte. Die Bewegung breitete sich in einigen Jahrzehnten rund um die Welt aus und wächst heute in Form neuer Kirchen und Bewegungen schneller als alle anderen.

Seither denken viele Christen bei "Pfingsten" zuerst an die "Pfingstbewegung". Die einen sehen sie in ihrer Dynamik und Emotionalität als Modell einer zeitgemässen Kirche auch in unseren Breitengraden. Andere warnen vor ihrer unausgereiften Theologie und ihren schwachen Strukturen und finden sie abgehoben.

Wie auch immer, sie hat dem modernen Christentum bewusst gemacht, dass es mit dem Heiligen Geist etwas auf sich hat, und dass man mit ihm rechnen soll - und darf, auch wenn man sich schwer tut, ihn zu feiern.

Datum: 27.05.2003
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service