Mehr Pfingsten

«Ohne die Hilfe des Heiligen Geistes läuft gar nichts»: Meinrad Schicker.

Was tut der Heilige Geist? Und haben Pfingstkirchen mehr mit ihm zu tun als andere? Meinrad Schicker, Sekretär der Bewegung plus und Pastor ihrer Thuner Gemeinde, beantwortet Fragen der Livenet-Redaktion.

Livenet: Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Gibt Gott seinen Heiligen Geist allen Menschen?
Meinrad Schicker: Zuerst einmal ist nach biblischem Verständnisder Heilige Geist als «Odem Gottes» Ausgangspunkt für alles Leben: Ohne diese Lebenskraft Gottes gäbe es kein Leben und keine Ordnung im Kosmos; alles würde wieder zu Chaos. Aber im engeren Sinn ist der Heilige Geist gewissermassen das Siegel der Zugehörigkeit zum Reich Gottes. Alle Christen erhalten somit exklusiv gewissermassen die Gabe des Heiligen Geistes als Zeichen der Zugehörigkeit zu Jesus (vgl. Epheser 1,13).

Wie soll man den Heiligen Geist von anderen Geistern unterscheiden?
Wo Gottes Geist am Wirken ist, entfaltet sich Leben. Wo «böse Geister» die Menschen inspirieren oder manipulieren, wird Leben durch Gewalttätigkeit erdrosselt. Der Heilige Geist führt in die Mündigkeit und herrliche Freiheit der Kinder Gottes. Wenn Menschen unter Zwang - auch religiösen - und Druck kommen, hat sich der Heilige Geist längstens verabschiedet. Wenn Liebe als Wertschätzung und Respekt vor jedem Leben gelebt wird, siehst du den Heiligen Geist an der Arbeit - mag er auch noch so verborgen sein.

Was kann ich tun, um den Heiligen Geist zu erleben?
Zuerst einmal muss ich gar nichts tun, als einfach Jesus als meinen Herrn anerkennen: Damit erhält jeder den Heiligen Geist. Die erste befreiende Heilserfahrung des Heiligen Geistes ist es, dass er uns erkennen lässt, dass Gott unser Vater ist - und wir Kinder Gottes. Diese kindliche Geborgenheit und Sicherheit ist das erste «Markenzeichen» des Heiligen Geist; sie drückt sich in der Anrufung Gottes als «Abba-Vater», lieber Vater, aus!

Dann dürfen und sollen wir uns natürlich auch nach den weiteren Gaben und Wirkungen des Heiligen Geistes ausstrecken. Nicht umsonst sagt ja Jesus, dass Gott gerne jenen den Heiligen Geist gibt, die ihn darum bitten.

Wie verändert der Heilige Geist Menschen?
Der Heilige Geist ist kein Konsumartikel; er ist viel mehr als der Verursacher eines religiös-ekstatischen Kicks. Der Heilige Geist lässt uns nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte zu Menschen werden, die mutig die Botschaft von Jesus in alle Welt hinaustragen (Apostelgeschichte 1,9). Aber diese Botschaft besteht nicht so sehr in blossen Worten; die Botschaft sind wir selbst. Darum hat die Begegnung mit dem Heiligen Geist immer auch mit der Zuwendung zum Bruder, zur Schwester und zu einer notleidenden Welt zu tun.

Wenn unsere Erfahrungen mit dem Heiligen Geist nicht zur Hinwendung an die Welt führen, dann können wir sicher sein, dass hier nicht mehr Gott gefeiert wird: Dann wird nur noch religiöse Selbstbefriedigung betrieben.

Braucht es den Heiligen Geist für ein spirituelles Leben?
Ohne die Hilfe des Heiligen Geistes läuft gar nichts. Er öffnet uns die Augen für Jesus. Mit dem Heiligen Geist werden wir erst dazu fähig, selbst die Liebe Gottes zu erfahren (Römer 5,5) und dann selbst zu lieben (Galater 5,22). Ohne den Heiligen Geist wäre ich ein abgestorbener Ast ohne Blätter und Früchte.

Ist es nicht gut, neben dem Heiligen Geist aus vielen anderen spirituellen Quellen zu schöpfen?
Es gibt für uns Christen nur Jesus als Weg und Quelle des Lebens. Der Heilige Geist nun ist ja nichts anderes als der gegenwärtige Christus; darum sagte Jesus ja so geheimnisvoll, dass er gehen muss, damit er durch den Heilige Geist zu uns kommen kann: «Ich bin bei euch allezeit!»

Vom Heiligen Geist heisst es aber weiter, dass er wie der Wind - das hebräische und das griechische Wort für Geist (ruach, pneuma) bezeichnen ja auch den Wind - sich nicht von uns Menschen definieren und in den Griff nehmen lässt.

Das Abenteuer des Glaubens besteht darin, sich immer wieder neu in jeder Begegnung überraschen zu lassen, ob und wie mir Jesus hier begegnen kann. Darum kann ich angstfrei Menschen aus anderen Kulturen und Religionen begegnen und mich überraschen lassen, ob mir hier allenfalls Christus begegnen will.

Schon David drückt im Psalm 139 aus, dass Gott überall zu finden ist - sogar an den dunkelsten Orten. Und die Zusage, dass das Reich Gottes verborgen mitten unter uns ist, ermutigt zu einer abenteuerlichen Entdeckungsreise: Ich will entdecken, wo Gott durch den Heiligen Geist am Wirken ist - sicher oft auch an überraschenden Orten!

Wenn alle Kirchen von Pfingsten herkommen - warum werden die BewegungPlus und andere Gemeinden als Pfingstkirchen bezeichnet? Haben Sie ‚mehr Pfingsten' in Ihrem Gemeindeleben als andere?
Die Pfingstkirchen durften anfangs des 20. Jahrhunderts die biblische Wahrheit wieder neu erleben, dass Gott immer noch unmittelbar erlebt werden kann und Überraschendes wirkt - auch heute noch. Leider verfestigten sich in der pfingstlichen Dogmatik dann gewisse Überzeugungen; zusätzlich waren offensichtlich viele Kirchen- und Freikirchen von der enthusiastischen Dimension des Heiligen Geistes im Umfeld der Pfingstkirchen überfordert. Das hat zu schwierigen und unnötigen Grabenkämpfen geführt. Inzwischen hat sich Gott sei Dank vieles wieder entspannt - und ich wage zu behaupten, dass die meisten Freikirchen gewissermassen «soft-charismatisch» geworden sind. Gut so!

Was kann von Pfingsten in die Schweizer Kirchen insgesamt hineinfliessen?
Pfingsten ist der Schlüssel zur Sehnsucht der Reformationskirchen, dass endlich das allgemeine Priestertum Realität werden kann. Pfingsten steht dafür, dass sich die Feuerzunge des Heiligen Geistes auf jeden Christen gesenkt hat: Jeder Christ ist durch den Heiligen Geist begabt - und darum herausgefordert, sich selber ins kirchliche und damit auch gesellschaftliche Leben einzubringen.

Die Dynamik der Pfingstbewegung in aller Welt hat hier ihr innerstes Zentrum: Wer sich selbst als von Gottes Geist begabt und darum auch geadelt weiss, kann nicht mehr nur Gottesdienstbesucher oder Passiv-Mitglied sein. Vom Geist bewegte Kirchen können keine «Pfarrer- oder Pastoren-Kirchen» sein. Der Einzelne erhält durch den Heiligen Geist gewissermassen den Ritterschlag, selbst tragender Teil eines grossen Geheimnisses zu sein: Im Miteinander der Gläubigen will Jesus Gestalt gewinnen und als Licht in diese Welt hineinleuchten. Wer müsste da nicht begeistert sein?

Link zum Thema:
Das Pfingst-Dossier von Jesus.ch

Datum: 01.06.2009
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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