Advent in den Sieber-Werken

Ein Brothaus für Menschen ohne Obdach

Die Adventszeit ist für Menschen am Rand der Gesellschaft vor allem eines: kalt. Martin Fischer, neuer Geschäftsführer der Sozialwerke Pfarrer Sieber in Zürich, ist in ihre Welt eingestiegen.
Leben an der Grenze.
Verteilt im Brothaus Nahrung: SWS-Geschäftsführer Martin Fischer.
Das bodenlose Gefühl, dass das Leben für nichts ist…
…wird in der Gemeinschaft aufgefangen.

Jesus.ch: Was haben uns Randständige in der Adventszeit zu sagen?
Martin Fischer: Der Advent fällt mit der kältesten Jahreszeit zusammen. In dieser Zeit wird es dramatisch für Menschen, die kein Obdach und kein Bett haben. Diese Menschen sagen uns: Vergesst uns nicht, auch wir gehören zu eurer Gesellschaft!

Die hochschwangere Maria und Joseph suchten einst in Bethlehem Unterschlupf. Betroffene, aber auch viele andere Menschen in Zürich sollen erleben, was Bethlehem für sie persönlich heisst. Der Name „Beth-Lehem“ bedeutet “Haus des Brotes“. Wir von den Sozialwerken Pfr. Sieber wollen ein solches Brothaus sein. Menschen sollen an Leib und Seele gestärkt werden!

Was beschäftigt die Betroffenen in dieser Zeit vor Weihnachten?
Vielfach läuft in unseren Einrichtungen „daily business“. Im Rehabilitationszentrum Sunedörfli achten die Mitarbeiter in der Adventszeit auf schöne Bräuche: Sie schmücken mit den Betroffenen ihre Häuser und stellen Krippen auf. Viele Randständige haben das noch nie erlebt. Für sie ist es eine berührende Erfahrung.

Aber für die nicht versorgten Obdachlosen der Stadt geht es in den kalten Nächten ums nackte Überleben. Es darf nicht sein, dass Menschen in unserem Land erfrieren!

In einem Interview sagten Sie kürzlich, dass Sie dieses Jahr Weihnachten verbringen mit „abgeschriebenen Menschen, die ohne wohlige Stube und eigene Familie kaum was zu feiern haben“. Was haben Sie vor?

Zum Beispiel bin ich am „Sune-Egge“ eingeladen – der sozialmedizinischen Krankenstation, in der auch Aids-Patienten betreut werden. Ich halte dort öfter Andachten.

Bei diesen Besuchen ergeben sich manchmal tiefe Gespräche. Kürzlich wurde ich mitten in der Andacht mit der Frage eines Anwesenden konfrontiert: „Meine Freundin hat vor zwei Wochen ihr Kindlein verloren – was ist der Sinn dahinter?“

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Also unterbrach ich die Andacht und wir unterhielten uns über seine Frage, hinter der eine andere zum Vorschein kam: „Kann es sein, dass der liebe Gott das Kind sterben liess, damit es nicht auch ein so verschissenes Leben hat wie ich?“ Menschen suchen Antworten – nicht nur in der Weihnachtszeit – und sie suchen diese Antworten auch bei Gott.

Ist die Art, wie wir in der Schweiz Weihnachten feiern, überholt?
(Lacht.) Ich finde es schön, wenn man mit Geschenken feiern kann. Das Grösste ist wohl, das Geschenk zu feiern, welches Gott uns gegeben hat! Gott hat sich uns Menschen zugewandt – das ist Grund für ein Fest. Ich wünsche mir, dass viele Schweizer Weihnachten mit jenen Menschen feiern, welche diese Zeit als reinen Horror erleben.

Und ich hoffe, dass es nicht bei einer Einladung bleibt. Es ist nicht damit getan, dass man jemanden einmal einlädt. Wir könnten das ganze Jahr über Weihnachten feiern. Gott kommt zu uns! Menschen müssen dies einander sagen – und damit drücken sie aus, dass Gott auch zu ihrem Gegenüber kommt.

Was halten Sie davon zu spenden statt Weihnachtsgeschenke zu geben?
Viele Menschen unterstützen uns finanziell – besonders in der Adventszeit. Dieses Geld brauchen wir jetzt auch besonders. Gestern hat uns die Belegschaft einer Versicherung einen grösseren Betrag gespendet. Damit finanzieren wir Pyjamas, Handschuhe und Trainer für Obdachlose. Viele von ihnen frieren jetzt wie die Schlosshunde – mit diesem Geld helfen wir sehr direkt und unkompliziert.

Sie sehen die Finanzen der SWS-Sozialwerke aktuell aus?
Im Moment fehlen uns für einen ausgeglichenen Jahresabschluss noch eine gute Million Schweizer Franken.

Wenn Menschen Ihnen helfen möchten, wie können sie das tun?
Primär brauchen wir Geld. Jeder kann mit einer Spende helfen. Natürlich brauchen wir auch freiwillige Helfer – das ist ein harter Job. Wir haben Freiwillige, die selber noch betroffen sind – sie stehen kaum auf eigenen Beinen, schon möchten sie ihre Hilfe weitergeben. Manche ringen noch mit dem Alkohol und möchten schon mitarbeiten. Gerade deswegen brauchen wir Freiwillige, welche auch die nötigen inneren Kräfte mitbringen. Nicht nur guter Wille ist gefragt, unsere Helfer sollen auch auf stabilen Füssen stehen.

Martin Fischer, was trägt Sie durch diese Adventswochen?
Gott ist leidenschaftlich an mir interessiert. Er hat alles dafür eingesetzt, in meine Haut zu kriechen und mich zu verstehen. Ich möchte mithelfen, Türen für ihn aufzustossen. Auf diesen Glauben hin brennen bei mir Kerzen.

Datum: 14.12.2005
Quelle: Jesus.ch

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