Ruhe in der Hektik: Hans-Peter Lang über Advent und Weihnachten

Hans-Peter Lang. (Bild: Steven Bufton)
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Ruhe in der Weihnachtshektik – wie ist das möglich?

Er sieht die Menschen auf der Schattenseite des Lebens und sucht Lösungen: Der Aargauer Sozialunternehmer Hans-Peter Lang bietet mit den Betrieben der Stiftung Wendepunkt vielen hundert sozial schwachen, psychisch leidenden und arbeitslosen Menschen Beschäftigung und eine neue Perspektive. Die Spannung von Advent und Weihnachten kann er mit Händen greifen – und zugleich erlebt er die Nähe von Jesus Christus.

Livenet: Was beschäftigt im Advent die Menschen, die im Wendepunkt arbeiten?
Hans-Peter Lang: Die Tage werden kürzer, überall sind Häuser vorweihnächtlich geschmückt und beleuchtet. Wir spüren bei vielen Mitarbeitenden tief innen ein Suchen – eigentlich nach der Gemeinschaft, welche Weihnachten ausgelöst hat. Sie reagieren häufig depressiv und traurig, mit Angst oder Aggression. Die Adventsfeiern gehen durch, die Weihnachtstage kommen näher und manchmal ist uns, als spürten wir den Kampf zwischen Finsternis und Licht.

Aus Erfahrung wissen wir, dass sich Mitarbeitende anders verhalten als im Frühjahr oder an warmen Sommertagen, und gehen bewusst in diese Wochen hinein. Wir erzählen, wie es zum Weihnachtsfest gekommen ist. Viele Mitarbeitende stammen aus anderen Religionen. Sie sehen die Kerzen in den Büros und fragen, was sie bedeuten. Wir reden darüber. Der Input, die Morgenbesinnung, die jede Woche an den vier Hauptstandorten gehalten wird, bringt ihnen Jesus nahe. Sie können den Sinn von Weihnachten erfassen: Gott kam in die Welt und wurde Mensch; er kam nicht in einem Schloss zur Welt, sondern in einem Stall. Er musste mit seinen Eltern flüchten und war Asylant in Ägypten. Wir sehen ihn nicht auf dem Podest; er ist – wie viele unserer Leute – am Rand. Dies wird auch zum Thema persönlicher Gespräche.

Damit helfen wir ihnen, mit den vollen Auslagen und dem Rummel umzugehen. Die Leute sind wegen der Reizthemen und Situationen empfänglicher. Manche sind enttäuscht, dass sie im zu Ende gehenden Jahr wieder keine Stelle gefunden haben. Unsere Leiter können auf sie eingehen, der eine, indem er das Evangelium weitergibt, der andere mit Trost. Mit alldem ist Advent doch eine besondere, eine heilige Zeit.

Wie feiern die Wendepunkt-Leute Weihnachten?
Am letzten Arbeitstag des Jahres sind die Mitarbeitenden in jedem Betrieb zu einem Fest geladen. Es beginnt morgens um 11 Uhr. Da werden sie von ihren Vorgesetzten bedient. Der Raum ist geschmückt, am Bäumchen brennen Kerzen, die Weihnachtsgeschichte wird erzählt, sie erhalten kleine Geschenke – und sie sind die Gäste. Wir haben das seit Beginn unserer Arbeit so gehalten.

Wie erleben Sie persönlich die Adventswochen?
Als Zeit mit besonderen Gelegenheiten. Auch in den Kontakten mit Verantwortlichen in Banken und Versicherungen, in Politik und Verwaltung spüre ich die Spannung zwischen Licht und Finsternis. Im Gespräch frage ich manchmal, wie sie dies erleben. Weil die letzten Monate des Jahres in manchen Betrieben überaus streng sind (Budget, neue Konzepte), sehen viele nur noch Arbeit vor sich. Sie stellen sich darauf ein, auch an Weihnachten zu arbeiten. Ich spüre ihre innere Not – und kann dann spontan auf den ruhenden Pol hinweisen, den ich erlebe. Ich erhalte Kraft in der Hektik an dem Ort des Friedens. Weil Jesus in mir ist, kann ich im Frieden Gottes leben. Das gibt mir Freude und Kraft, obwohl ich viel arbeite, oft spät am Abend.

Sie können mit der Spannung dieser letzten Zeit des Jahres gut umgehen?
Ja. Früher arbeitete ich als Bauführer. Anfang Dezember verabschiedete ich die Saisonniers, in der Hoffnung, dass sie wiederkommen. Wir machten ein Fest, manchmal auf der Baustelle. Damals suchte ich Jesus noch – aber von meiner Kindheit her war es mir schon in jenen Jahren wichtig, den Leuten eine Botschaft mitzugeben.

Natürlich muss ich im Advent Prioritäten setzen. Wichtig scheint mir, dass wir uns in spannungsvollen Situationen nicht in Emotionen verlieren, die viel Kraft kosten oder etwas zerstören, sondern Jesus in Gebeten übergeben, was uns Sorge macht. Wenn ich ruhig bin, fällt dies den Leuten auf, die sich mit denselben Problemen herumschlagen. Hier kommt etwas von dem zum Ausdruck, was Jesus uns zugesprochen hat: Wir sind Salz und Licht, wenn er in uns ist.

Wie feiert Hans-Peter Lang Weihnachten?
Ich freue mich sehr auf ruhige Tage. Am 21. Dezember schliessen wir im Wendepunkt das Jahr festlich ab. Am 24. Dezember feiern unsere Kinder bei ihren Schwiegereltern. Meine Frau und ich gehören der Heilsarmee Aarau an; wir helfen mit bei ihrem Fest. Im Restaurant Laterne gibt es ein Weihnachtsessen, an dem Alleinstehende, Alleinerziehende und Menschen am Rand teilnehmen. Das ist immer sehr schön. Am 25. Dezember kommen unsere Kinder mit den sechs Enkeln zu uns. An den folgenden Tagen haben meine Frau und ich Zeit zum Lesen, für Spaziergänge und Besuche. Wir lassen das Jahr auslaufen.

Was beschäftigt den Sozial-Manager im Blick auf 2008?
Wie wird es Menschen ergehen, die den Forderungen der Wirtschaft nicht entsprechen? Die Frage treibt mich um. Nach einer Studie von Swiss Staffing, dem Verband der Personalvermittler, wird Europa bis 2015 einen dramatischen Wohlstandseinbruch erleiden – ganz einfach weil Fachkräfte fehlen! Manche wandern in andere Erdteile ab. Andererseits kommen immer mehr Menschen gar nicht in eine Ausbildung. In der Schweiz schaffen aktuell 17‘000 Jugendliche den Schritt nicht. Wir arbeiten mit Berufsverbänden und dem Amt für Wirtschaft und Arbeit zusammen, um neue Angebote zu schaffen, die z.B. mit einem Zertifikat für Baupraktiker abschliessen. Die Wirtschaft braucht solche Leute – auch gut qualifizierte Hilfsarbeiter! Die jungen Leute sind da, aber man muss ihnen einen Weg auftun. Ihnen fehlt etwas: Sie wissen sich nicht zu benehmen, sie sprechen schlecht Deutsch, wollen sich nicht zu einer Ausbildung aufraffen oder können sich nicht entschliessen.

Weiter sehe ich die Not der Sozialhilfeempfänger. Die IV nimmt weniger Leute auf. Die Sozialhilfe muss sie zur Arbeit anleiten und etwas anbieten. Für diese Menschen, die verarmen und ausgegrenzt werden, wollen wir Angebote schaffen, wir wollen ihnen eine Stimme geben, ihr Anwalt sein. Und mit der Wirtschaft Neues anpacken. Es begeistert mich, dass wir seit zwei Jahren Lehrlinge mit gutem Erfolg coachen. Über 100 Lehrverhältnisse begleiten wir, und es gibt deutlich weniger Abbrüche. Als Christen haben wir besondere Chancen, denn Christus zeigt uns Dinge, bevor andere sie wahrnehmen.

Neben dem Potenzial junger Menschen und der Lage der Sozialhilfeempfänger beschäftigt mich drittens die fehlende Solidarität in unserer alternden Gesellschaft. In zehn Jahren wird die Hälfte der Schweizer über 50 sein. Ich frage mich, wie wir den Generationen helfen können, miteinander zu denken und füreinander zu handeln.

Was stimmt Sie im Blick aufs Neue Jahr zuversichtlich?
Mich begeistert, dass Gott die Stiftung Wendepunkt bis hierher geführt hat. Wir haben unsere Arbeit getan, unseren Teil gebracht. Gott hat seine Hand darüber gehalten – und er hat Türen aufgetan und Entscheidungen herbeigeführt, wie wir es nicht vermocht hätten. Wir erleben, dass das grosse Schiff Wendepunkt, wenn Gott sein Kapitän ist, auch im Sturm auf Kurs bleibt. Das gibt Vertrauen und Gelassenheit. In der Hand Gottes können wir leben und weitergehen.

Links zum Thema:
Homepage der Stiftung Wendepunkt: www.wende.ch
Mehr zu Weihnachten: Das Weihnachtsdossier von Jesus.ch

Hans-Peter Lang hat die Stiftung Wendepunkt 1993 gegründet. Heute umfasst sie zusammen mit den Tochterfirmen 750 Personen. Die gemeinnützige, gesamtschweizerisch tätige Sozialunternehmung betreibt auf christlicher und sozialer Grundlage geschützte und umfassend betreute Arbeits-, Ausbildungs- und Wohnmöglichkeiten. Dadurch will sie Menschen, welche aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden sind, die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und das Berufsleben ermöglichen.

Datum: 10.12.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch

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