Sein statt Tun

Bete, wie du kannst, nicht wie du nicht kannst

Man sollte mehr beten. Man sollte vollmächtiger beten. Und ausserdem sollte man auf eine Art beten, die Gott gefällt. Unsinn, behauptet Trevor Miller von der Northumbria Community und unterstreicht: Bete. Und bete wie du kannst, nicht wie du nicht kannst.
bittende / betende Frau (Bigstock: 3103142)

Schon die Kirchenväter lehrten Grundsätzliches zum Gebet, das oft so selbstverständlich klingt, dass es leicht übersehen wird. Geistliche Menschen aller Zeiten legten beim Beten mehr Wert auf den Zustand ihres Herzens als auf konkrete Praktiken oder Arten des Gebets. Sie unterstrichen dabei: Das Wichtigste ist es, ein Mensch zu werden, der beten kann, der in seinem Leben Raum hat für Gott, mit dem er redet und dann «betet wie er kann, nicht wie er nicht kann».

Das Gebet der drei Einsiedler

Dieses Motto stammt aus den «Geistlichen Briefen» von Dom John Chapman und ist ein Vorbild für das Gebet, wie es zum Beispiel in der Northumbria Community gelebt wird, die sich am kommunitären Leben der keltischen Christen orientiert. Henri Nouwen erläutert es einmal mit einer Nacherzählung von Tolstois Kurzgeschichte «Die drei Einsiedler» und trifft damit den Kern des Betens:

«Drei russische Mönche lebten auf einer einsamen Insel. Niemand kam zu ihnen, doch eines Tages stattete ihnen ihr Bischof einen Besuch ab. Dabei bemerkte er, das die Mönche noch nicht einmal das Vaterunser beherrschten. Er verbrachte also seine Zeit damit, ihnen mühsam das Gebet des Herrn beizubringen und verliess sie dann, zufrieden mit dem, was er erreicht hatte. Als er mit dem Schiff den Rückweg übers Meer angetreten hatte, sah er plötzlich, wie die drei Mönche auf dem Wasser gingen und ihm folgten – tatsächlich rannten sie dem Schiff hinterher. Als sie es erreichten, riefen sie: 'Lieber Vater, wir haben das Gebet vergessen, das du uns gelehrt hast.' Überwältigt von dem, was er sah, fragte der Bischof sie: 'Liebe Brüder, wie betet ihr denn?' Sie antworteten: 'Wir sagen einfach: Gott, es gibt drei von uns und drei von dir. Sei uns gnädig!' Der Bischof war betroffen von ihrer Heiligkeit und Schlichtheit und sagte nur: 'Geht in Frieden zurück auf eure Insel.'»

Mehr als äussere Form

Die Erzählung unterstreicht den Unterschied zwischen einem gelernten Gebet und einem Leben des Gebets. Christusähnlichkeit und geistliches Wachstum hängen nur bedingt mit unserem Wissen zusammen. Eigentlich ist es klar: Warum sollten wir uns über unser schwaches Gedächtnis ärgern, wenn wir – bildlich gesprochen – übers Wasser laufen können.

Dieses authentische Sein als Christ, dieses Beten wie du kannst, nicht wie du nicht kannst, wird unterschiedlich beschrieben. Thomas Merton spricht davon, dass wir «sein müssen, was wir sind» und Richard Foster nennt es «das wirkliche Zuhause des Herzens finden». Der Apostel Paulus fasst es in ein Einfaches: «Betet ohne Unterlass.»

Sinnvolle Nutzlosigkeit

Gebet lässt sich nicht auf einzelne äussere Formen festlegen, obwohl es natürlich immer eine Gestalt hat. Gebet ist Leben. Leben ist Gebet. Die Mönche von Patmos drückten es so aus: «Wer an Jesus' Brust liegt, der fühlt den Herzschlag Gottes.» Dabei sind wir «unbeschäftigt», aber in Verbindung mit Gott. Der Mystiker Thomas Merton unterstrich: «Ein Mönch wird nicht von einer Aufgabe oder seiner Nützlichkeit bestimmt. In gewissem Sinne soll er 'nutzlos' sei, denn er soll nicht diese oder jene Arbeit tun, sondern ein Mensch Gottes sein.» Die Welt um uns herum scheint zu sagen: «Wenn du deine Zeit nicht gut nutzt, bist du nutzlos.» Gleichzeitig lädt Jesus uns ein: «Komm, verbringe nutzlose Zeit mit mir. Verschwende deine Zeit mit Gott.» Dies ist eines der Geheimnisse des Gebets.

Datum: 16.07.2014
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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