Ein Gott des Hasses im Alten Testament, ein Gott der Liebe im Neuen?

Es könnte diesen Anschein machen. Doch beide Bibelteile sind untrennbar miteinander verbunden. Das wirft zugleich ein überraschendes Licht auf die Person von Jesus.
Glauben

Im Alten Testament schickt Gott Feuer auf Sodom und Gomorrah und vernichtet ganze Völker; im Neuen Testament predigt Jesus die Feindesliebe und lässt sich lieber selber ans Kreuz schlagen, als dass er seine Feinde vernichten würde. Gericht und Zorn also auf der einen Seite – totale Liebe auf der anderen? Für manche Kritiker ist das der Gegensatz zwischen einer primitiven kriegerischen Gottheit und den fortschrittlichen Lehren von Jesus.

Sie richteten sich selber

Die Grundhaltung des Alten Testaments lautet: «Habe ich etwa Gefallen am Tod des Gottlosen, spricht Gott, der Herr, und nicht vielmehr daran, dass er sich von seinen Wegen bekehrt und lebt?»[i] Gericht und Zerstörung finden statt – „Gefallen“ hat Gott  nicht daran. Warum geschahen sie dennoch? Weil jene Umkehr nicht passierte. Einmal war dann «das Mass der Sünden voll».[ii] Im Fall der Amoriter schaute Gott mehr als vier Generationen lang zu.[iii] Dann liess er sie auf dem Weg, den sie selber eingeschlagen hatten.

Er ist kein Rachegott, der blind zuschlägt. Er ist ein Liebhaber, der lange Zeit um Gegenliebe wirbt. Eine reine Beziehung soll doch entstehen.[iv] Nur reagiert der andere Teil nicht immer darauf. Irgendwann lässt der Liebhaber ihn dann tatsächlich seinen eigenen Weg gehen. Er würde sich nie aufdrängen, denn seine Liebe zwingt nicht. Aber sie hört auch niemals auf.[v] Er kann sich nur noch zurückziehen und den andern gehen lassen. Die Bibel nennt das „preisgeben“; was folgt, ist „Gericht“. Denn «Gott lässt sich nicht spotten. Was der Mensch sät, das wird er auch ernten».[vi]

Auflehnung gegen Gott ist auch eine Saat; Vernichtung ist die Ernte. Sie geschah zu Zeiten des Alten Bundes an ganzen Völkern einschliesslich Israel.[vii] Und sie geschah zu Zeiten des Neuen Testaments an Jesus selber. Die Auflehnung seines eigenen Volkes hatte ihn vernichtet.

Auch Jesus war voll Zorn

Schon diese erste Übersicht zeigt deutlich, wie sehr das Alte und das Neue Testament zusammenhängen. Hier wie dort handelt derselbe Gott. Es ist also unmöglich, verschiedene Vorstellungen von Gott gegeneinander auszuspielen.

Der umgekehrte Weg, von Jesus ausgehend, führt zum gleichen Ergebnis. Schon zu Lebzeiten konnte er äusserst unwillig und zornig sein. Mit den Worten «Weiche von mir, Satan» quittiert er eine unpassende Antwort des Petrus. [viii] Den Händlern im Tempel schmiss er die Tische und Stühle um und jagte sie fort, [ix] und die Totenklage um einen Freund macht ihn nicht traurig, sondern aggressiv.[x]

Es muss nicht so weit kommen

Die härtesten Gerichtsworte der Bibel stammen aus dem Mund von Jesus. Heuchler, Schlangen und getünchte Gräber seien die religiösen Führer seiner Zeit,[xi] ja, sie hätten sogar den Teufel als Vater![xii] Er kündigt ihnen und allen, die sich ihm bewusst verweigern, die Hölle an.[xiii] – Harte Worte also auch im Neuen Testament. Und sie gehen weiter, über die Lebzeiten von Jesus hinaus. Denn Gott habe ihm «die Macht verliehen, Gericht zu halten». Dann werden «alle, die Gutes getan haben, .... auferstehen, um das Leben zu empfangen, und die Böses getan haben, um verurteilt zu werden».[xiv]

Diese Linien verbinden Jesus mit dem „Gott des Alten Testament“– seinem Vater im Himmel.[xv] Denn Jesus lebt genau diesen Gott. «Ich und der Vater sind eins.»[xvi] Wie Gott im Alten Testament um die Liebe von seinem Volk Israel geworben hat, so wirbt er durch Jesus um die Liebe eines jeden Menschen, damit am Ende eben keine Vernichtung steht.


 


[i] Hesekiel 18,23
[ii] 1. Mose 15,16; ähnlich 3. Mose 18,24.28
[iii] 1. Mose 15,16
[iv] Das war bereits das Ziel des Alten Bundes; darum wurde er geschlossen. Und aus diesem Grund kann Jesus später sagen, dass im Gebot, Gott und seinen Nächste zu lieben, das ganze Alte Testament zusammengefasst sei; Matthäus 22,37-40!
[v] Nachzulesen im Neuen Testament; 1. Korinther 13,4-8
[vi] Galater 6,7
[vii] Hesekiel 21, 35-37 und andere Stellen.
[viii] Matthäus 16,23
[ix] Markus 11,15-17
[x] Johannes 11,1-45. Die übliche Auslegung, nach der Jesus hier vor allem Mitgefühl zeigt, würde der Geschichte als Ganzer widersprechen. Sie würde grade den „ungläubigen Juden“ Recht geben, gegen die er sich ständig wendet (Vers 36). Mehrmals stösst sich Jesus massiv am Unglauben der Familie des Lazarus wie der anderen Leute (Verse 10, 15, 23, 25-26, 40, 42). Als er seinen Freund wieder auferweckte mit den Worten «Lazarus, komm heraus», da «schrie er mit gewaltiger Stimme» (Johannes 11,43). So schreit kein Trauernder, sondern ein Missverstandener.
[xi] Matthäus 23,27-33;
[xii] Johannes 8,44
[xiii] Matthäus 8,12; 13,41.42 und viele andere Stellen
[xiv] Johannes 5,27-29
[xv] beispielsweise nach Lukas 22,92
[xvi] Johannes 10,30

Datum: 04.06.2005
Quelle: Livenet.ch

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