Ratschläge zum Nicht-Befolgen

Soll Kirche besinnlich bleiben oder missionarisch leben?

Kirche sollte sich lieber auf ihre ursprünglichen Werte zurückbesinnen, statt zwanghaft mit der Zeit gehen zu wollen. Das rät die Journalistin Jule Schulte in einem Kommentar auf neon.de. Wie hilfreich ist dieser Ratschlag tatsächlich? Eine Antwort.
St. Peters Kirche und Fraumünster: Auch in Zürich sind Kirchen allgegenwärtig.
Dieses Plakat beschreibt Journalistin Jula Schulte in ihrem Artikel.

«Liebe Kirche, ihr habt da was falsch verstanden», überschreibt Schulte ihren Artikel. Sie fühlte sich «ernsthaft irritiert», als sie an einer Hamburger U-Bahn-Station den Text des Christlichen Plakatdienstes las:

Du kannst Gott
totlachen
totsagen
totschweigen
und ihn doch nicht hindern
dich zu suchen
dich anzusprechen
dich zu liken.
(Früher stand dort einmal «dich zu lieben». Das «Liken» war durch den Facebook-Daumen nach oben ersetzt.)

Anbiedern – nein, danke

Es gibt eingängige Slogans, an denen man nicht vorbeikommt. Ikeas «Entdecke die Möglichkeiten» gehört dazu. Sie sind so erfolgreich, dass sie kopiert, zitiert und immer wieder verwendet werden. Und eine ganze Weile muss die Welt mit den tausend kreativen und weniger kreativen Derivaten dieser Werbung leben. Das betrifft Kirchen, aber auch (fast) alle anderen Gruppen. Was am Anfang noch witzig oder wenigstens nett klingt, wird mit jeder Verwendung abgelutschter. Dass Schulte den Facebook-Daumen auf dem Plakat ähnlich empfindet, ist absolut verständlich. Doch wollen sich Christen damit tatsächlich anbiedern, einschmeicheln, auf unaufrichtige Art und Weise beliebt machen oder zugehörig zeigen?

Offensichtlich gibt es dazu verschiedene Meinungen. Ich halte die Facebook-Affinität des Plakats maximal für ungeschickt, aber nicht für berechnend-anbiedernd. Nebenbei bemerkt wird die «Generation Facebook» ja auch immer älter. Und nachdem sich dort kaum mehr Jugendliche bewegen, zeigt so ein Plakat vielleicht den Wunsch, das mittlere Alter anzusprechen und weniger, jugendgemäss zu klingen.

Kirche mit WLAN?

Jule Schulte stellt in ihrem Beitrag klar: «Ich gehe nicht in die Kirche, glaube nicht an Gott, verurteile aber auch niemanden, der es tut.» Im Anschluss daran macht die Journalistin deutlich, was sie von (manchen) medialen Anstrengungen der Kirche hält: «Aber ich werde jetzt nicht auf einmal in die Kirche stürmen, nur weil es da WLAN gibt. Oder weil mich das durch vermeintliche Jugendsprache mehr anspricht.» Frau Schulte, da sind wir einer Meinung. Für WLAN gibt es Hotspots, Cafés und viele andere Möglichkeiten. Dazu besuche ich auch keinen Gottesdienst. Aber für mich gehört WLAN inzwischen so zu meinem normalen Leben, dass ich gar nichts dagegen habe, wenn eine Kirche es auch anbietet…

Mit Aussagen wie: «Wir müssen nicht auf die Kirche aufmerksam gemacht werden. Wir sehen euch. Gefühlt an jeder Strassenecke – und kommen trotzdem nicht» bekommt der Artikel dann eine neue Wendung. Offensichtlich geht es der Neon-Redakteurin nicht nur darum, sprachliche Besonderheiten zu kritisieren, sondern festzuhalten, dass Kirche insgesamt nicht mehr zeitgemäss sei. Darüber lässt sich streiten. Aber es ist fast ein Zirkelschluss, wenn Kirche auf alte Formen festgelegt und gleichzeitig erklärt wird, dass WLAN nicht dazu passt. Was, wenn Kirche mal mit und mal ohne WLAN auskommt und damit tatsächlich so alt oder so modern ist wie die Menschen darin?

Rückbesinnung oder Aktivität?

Am Schluss schreibt Schulte der Kirche ins Stammbuch: «Konzentriert euch auf das, was ihr könnt. Ruhe, Gemeinschaft, Besinnlichkeit. Das kann auch die Generation Internet ab und zu mal gebrauchen». Danke, aber das ist mir zu klischeebeladen. Klar gehören Ruhe und Gebet in einen Gottesdienst, aber Kirche ist per se nicht nach innen gerichtet, beschaulich und still. Im Gegenteil. Dietrich Bonhoeffer drückte es folgendermassen aus: «Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.»

Kann Kirche nur Besinnlichkeit? Dann wäre sie schon fast tot. Echte Kirche ist begeistert von Jesus und macht ihn (missionarisch) zum Thema in ihrer Umgebung. Echte Kirche mischt sich gesellschaftlich ein, wenn Menschen nicht wie Ebenbilder Gottes behandelt werden. Echte Kirche hat positive Angebote für alle Menschen in ihrem Umfeld – ob «gläubig» oder nicht – und macht diese auch bekannt. Manchmal fällt diese Werbung ungeschickt aus und manchmal ist sie genial. Doch der Motor des Ganzen ist nicht Anbiederung, sondern Liebe. Zum Glück kommt das oft auch so an, wie es gemeint ist.

Zum Thema:
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Datum: 01.02.2018
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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