Steffen Schwarz

Plötzlich alleinerziehend

Steffen Schwarz war Anfang 20, als er bei der Berufsfeuerwehr einstieg. Diese Arbeit und besonders ein Arbeitskollege forderte ihn heraus, sein Leben zu verändern. Die wirkliche Herausforderung kam jedoch später: S
Steffen und Laura Schwarz
Steffen Schwarz bekam einen der begehrten Plätze bei der Feuerwehr am europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf.
Steffen Schwarz mit seiner Tochter Laura

eine Frau starb, als seine Tochter gerade mal acht Monate alt war. In diesem Moment blieb kein Stein mehr auf dem anderen. Hier erzählt Steffen seine Geschichte.

Auf die 16 ausgeschriebenen Stellen meldeten sich rund 500 Anwärter, eine riesige Konkurrenz! Ob ich da überhaupt eine Chance hatte? Als ich schliesslich eines Morgens auf dem Hof der Feuerwache stand und meinen Blick über die Mitbewerber streifen liess, stach einer aus der Menge heraus: kurz rasierte Haare, durchtrainiert, gross, muskelbepackt. Ein Kunstturner aus der 2. Bundesliga. Bestimmt würde er mir die erhoffte Stelle wegschnappen...

Zu meiner Überraschung wurde ich dann doch genommen, war aber gar nicht begeistert, als ich am ersten Tag der Ausbildung feststellte, dass auch mein härtester «Konkurrent» es geschafft hatte. «Mit dem werde ich bestimmt nie auskommen!», dachte ich.

Ein besonderer Kollege

Doch ausgerechnet mit diesem Kollegen, Jörg, den ich anfangs nicht leiden konnte, klappte die Arbeit im Trupp am besten. Wir wurden ein eingespieltes Team. Da er in meiner Nähe wohnte, bildeten wir eine Fahrgemeinschaft. Ich lernte ihn dadurch besser kennen.

Er war anders. Sein Leben sprach lauter als seine Worte. Er schämte sich nicht, seinen Glauben uns jungen Kerlen gegenüber zu bezeugen, auf eine authentische, ehrliche Art, die wir ihm abnahmen.

«Dein Leben ist ganz schön gottlos»

Während der täglichen Fahrt an den Ausbildungsort hatten wir viel Zeit zum Reden. Nie vergessen werde ich seinen Satz: «Dein Leben ist ganz schön gottlos!» Boooom, das sass! Was nahm er sich nur heraus?! Es gab wahrlich Schlimmere als mich! Doch seine Worte liessen mich nicht mehr los.

Ich begann mich mit Glaubensfragen zu beschäftigen, seine klare Aussage hatte einiges in Bewegung gesetzt. In einer Nacht bekam ich kaum ein Auge zu. Wie ein Film zog mein bisheriges Leben an mir vorbei. Am nächsten Morgen legte ich Jesus Christus den ganzen Mist meines Lebens im Gebet hin und übergab mich ihm.

Veränderungen

Einige Monate nach Ende meiner Ausbildungszeit bei der Feuerwehr ging ich für ein halbes Jahr auf eine englischsprachige Bibelschule. Das hinterliess Spuren. Durch das neu erworbene Wissen und die praktischen Erfahrungen, die ich mit Jesus machte, wurde mein Glaubensfundament fester.

Nach der Bibelschulzeit lernte ich meine Frau kennen und lieben – was für ein Geschenk! 2008 heirateten wir. Als sie schwanger wurde und unsere Tochter auf die Welt kam, schien unser Glück perfekt.

Auch beruflich zeichnete sich eine Veränderung ab.

Plötzlich alleinerziehend

Die Freude über die Arbeitsstelle währte jedoch nur wenige Monate. Meine Frau starb, als unser kleines Mädchen gerade mal acht Monate alt war. In diesem Moment blieb kein Stein mehr auf dem anderen...

Seitdem ich mit unserer Tochter allein war, drehte sich fast alles um Kind, Haushalt und Beruf. Selten erlebte ich Momente zum Durchatmen. War die Kleine abends im Bett, überwältigte mich die Stille im Haus, eine Einsamkeit, die mich fast verrückt machte. Der Verlust, die Trauer, der körperliche und emotionale Stress gehen in so einer Zeit nicht spurlos an einem vorüber. Alle Pläne, Träume und Visionen – ein einziger Scherbenhaufen!

Oft sass ich am Mittagstisch, fütterte meine Tochter und wusste nicht, woher ich die Kraft nehmen sollte, bis zum Abend durchzuhalten. Geschweige denn, meiner Tochter ein so normales Leben wie möglich ohne Mama zu bieten und gleichzeitig zu arbeiten, um unseren Unterhalt zu verdienen. Diese Zeit lehrte mich vor allem das Beten!

Viele Wunder erlebt

Rückblickend durften meine Tochter und ich viele Wunder Gottes erleben. So halfen Kollegen, Freunde und die Familie, dass wir einen Platz zum Wohnen hatten, oder Päckchen mit Babykleidung kamen nach langer Irrfahrt über mehrere Personen bei uns an – genau zum richtigen Zeitpunkt! Gott sorgte für uns! Es gäbe noch manches zu erzählen. Wir haben so viel Gutes erlebt, dass ein «Danke» längst nicht mehr genügt.

Ist nun in so einer Situation alles einfacher, nur weil man Christ ist? Ganz sicher nicht! Häufig bin ich über das Ziel hinausgeschossen oder habe mich anderen gegenüber unmöglich verhalten. Oft, weil ich total übermüdet und gestresst war. Dann musste ich sie um Vergebung bitten, auch Kollegen in der Wachabteilung. Oder ich wusste nicht, wie ich die Kinderbetreuung regeln und den Alltag mit all seinen Kosten bestreiten sollte. Ich schlug mir die Nächte um die Ohren, wenn meine Tochter krank war, musste mitten in der Nacht Wäsche waschen, weil sie sich so oft übergeben hatte, dass keine saubere und trockene Bettwäsche mehr vorhanden war.

Manches Mal stand ich da und dachte: «Das wars jetzt. Es geht nicht mehr weiter. Es gibt keinen Ausweg mehr.» Und doch wurde ich in dieser schweren Zeit innerlich immer wieder ganz ruhig und wusste: Jesus Christus ist und bleibt der (Aus-)Weg, die Wahrheit und das Leben. Trotz Sorgen und Schwierigkeiten bin ich nie mehr alleine! Da ist jemand, Jesus, der meine Lasten kennt, der mich sein Kind nennt, dem ich alles abgeben darf, der mich trägt und der meine Stärke ist.

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Datum: 04.04.2016
Autor: Daniela Wagner
Quelle: Ethos

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