Damals, bei den Israeliten

Wie das Leben zum Fest wird

Ich liege in meiner Hängematte. Döse vor mich hin, Berieselungsmusik, Eros Ramazotti, geniesse jeden Akkord, das Hirn ausgeschaltet, die Seele baumelnd. Fort mit der Denkerei, dem ewigen Konzentriert-Sein! Ich will eine Pause, alleine - schön wäre ein Leben ganz ohne Verpflichtungen! Doch das ist Utopie, ein Wunschdenken, unrealistisch. Das wäre wahrscheinlich auch unbefriedigend und langweilig. Und so versuche ich mir vorzustellen, wie das damals war, bei den Israeliten ...

Wohlstand in Sicht

Langweilig war es dem wandernden Volk auch geworden. Wer geht schon gerne 40 Jahre dieselbe Strecke? Und dazu noch in der Wüste! 40 Jahre Staub, Hitze, trauern um die Dahingerafften. 40 Jahre Strafe Gottes ...

Mose versammelt das Volk Israel und verkündet seinen Leuten, dass sie bald das Gelobte Land erobern werden, ein Gebiet, in dem "Milch und Honig fliesst", mit üppigen Trauben, fetten Wiesen; kein trostloses Manna mehr; statt Wasser Wein; Schluss mit dem Dauer-Campieren, binnen Wochen werden sie in komfortablen Häusern wohnen. Der Wohlstand wird ausbrechen! Volle Speicher, Olivenhaine, speisen wie die Fürsten: Mose versetzt sein Volk in heitere Stimmung. Gleichzeitig ermahnt er die Israeliten, den Herrn, ihren Gott, leidenschaftlich zu lieben. Ihn, Jahwe, nicht zu vergessen, der sie aus der Sklaverei befreit hat, aus den Klauen eines tyrannischen Pharaos. "Vergesst Gott nicht, der euch aus Ägypten geführt hat!" (Vers 12)

Vergessliche Generation

Ich habe den Eindruck, dass diese Aufforderung auch uns gilt. Wir, die Völker und Länder der westlichen Hemisphäre, stehen in Gefahr, Gott zu vergessen. Den Wohlstand, in dem wir leben, nehmen wir nicht mehr bewusst wahr. Logisch, denn die Menschen in meinem jugendlichen Alter gehören nicht zur Aufbau-Generation. Wir wohnen grösstenteils in Häusern und Städten, die andere gebaut haben (Vers 10). Wir sind Nutzniesser unserer Eltern. Wenn wir sie fragen, was es heisst, zu geniessen, dann heisst die Antwort: "Dankbar sein für alles!" Lassen wir dann unsere Grossväter und Grossmütter ihre Armuts- und Kriegsgeschichten erzählen, wie die Lebensmittel rationiert wurden, wie man die Fussballplätze unter den Pflug nahm, zur Anbauschlacht blies - spätestens dann wird uns klar, wie gut wir es haben! Der Lebensstandard in unseren Breitengraden ist heute hoch wie nie zuvor. Wir sind auch in das Gelobte Land gezogen, wie damals die Israeliten. Wir geniessen das Leben und es fällt uns gar nicht schwer! Tausende von prachtvollen Alltagsmenschen "pflegen ihren Körper, sind um ihr Essen und Sattwerden, um Arbeit und Wohnung besorgt" (Bo Giertz) - und vergessen Gott. Wozu brauchen sie ihn noch?

Freudig geniessen

Es ist auffallend, dass in unserem Text nicht die Rede davon ist, berechnend und übertrieben sparsam mit den erhaltenen Gütern umzugehen. Das Volk Israel soll ruhig "essen und trinken" (Vers 11). Gott ist ein Gott, der uns etwas gönnt! Und wir tun gut daran, seine Gaben nach Herzenslust zu geniessen! Mir wird bange, wenn ich Christen - oftmals die frömmsten - kennenlerne, die in einer merkwürdig knauserigen Art ihr Dasein fristen. Sie erregen Mitleid mit ihren abgeschossenen Röcken und nach Mottenkugeln miefenden Kitteln. Dabei möchte ich wetten, dass sie sich eine gepflegte Garderobe durchaus leisten könnten. Es gibt Menschen, die man ermutigen muss, sich mit etwas Schönem zu beglücken: Einer Ferienreise, einem Theaterbesuch, einem feinen Essen. Falls Sie dazugehören, dann sonnen Sie sich einmal am nächsten Seeufer, gönnen Sie sich ein Eis und lassen Sie die Erdbeer-Vanille-Haselnuss-Zusammenstellung auf der Zunge vergehen! Gott, der Ihnen seine Güter anvertraut hat, wird sich mit Ihnen freuen!

"Allzuviel ist ungesund!"

Andererseits besteht die Gefahr der Genusssucht. Vielleicht ist das eher bei den jüngeren Menschen der Fall; aber sicher nicht nur! Mir fällt das Alle-Viere-von-mir-Strecken nicht schwer. Ihnen auch nicht? Darum setze ich mir bei den sogenannten Genussmitteln konkrete Grenzen, so nach dem Motto: "Philemon, der Rosé Oeil-de-Perdrix war köstlich, das Glas ist leer und das reicht für heute!" La dolce vita, das süsse Nichtstun, ist trügerisch! Das Geniessen kann zur Falle werden. So gibt es Menschen, denen man den Spruch "Allzuviel ist ungesund!" sagen sollte. Gott möchte, dass wir seine Gaben in Freiheit geniessen. Vers 4 unseres Textes kann man als die eigentliche Grundmaxime der Israeliten bezeichnen. Auf dieses Glaubensbekenntnis kam es ihnen an: "Höre Israel, Jahwe ist unser Gott, Jahwe allein! Und ihn sollst du leidenschaftlich lieben." Jesus greift darauf zurück und nennt diesen Abschnitt "Das erste und grösste Gebot" (Matthäus 22,37). Und Jesus ist es auch, der unsere Glücks- und Genussauffassung auf den Kopf stellt! Bei ihm darf sich glücklich nennen, wer arm und gesellschaftlich an den Rand gedrängt ist, leidet oder gar verfolgt wird. Jesus gibt zu, dass es etwas kostet, ihm nachzufolgen, er spricht vom Kreuz. Doch wir stehen tatsächlich in der Gefahr, das Christentum als eine einzige rigorose Übung des Verzichts, als einen Weg der Dornen und der Schwachheit zu sehen.

Das Leben - ein Fest

Der Weg mit Jesus ist ein Weg, auf dem wir das Staunen lernen und auf dem wir uns des Lebens freuen können. Jesus will, dass wir das Leben feiern: Das ganze Leben, von der Wiege bis zur Bahre, soll ein einziges Fest sein! Das wird nur möglich, wenn wir zuallererst Gott lieben. Mit einer Liebe, die sich darin äussert, dass wir diesem Gott unser grundsätzliches Ja entgegenbringen, weil er in Christus zu uns ja gesagt hat. Und wenn im Himmel Feststimmung aufkommt "über einen Sünder, der Busse tut" (Lukas 15,10) - warum sollten wir nicht mitfeiern und unser Christsein geniessen?

Wenn wir so das Leben feiern, dann fragen wir uns nicht nur: Was bringt mir dies oder das? Was könnte ich als nächstes erleben und auskosten? Dann fragen wir vor allem: Wie kann ich an diesem Tag Gott verfügbar sein? Was kann ich geben? Womit kann ich meinen Partner, meinen Freund, meinen Mitmenschen beschenken? Auf diese Weise wird unser Leben zum Fest werden, zu einem Honiglecken und Milchtrinken mit dem Gott, der unser Leben reich macht!

Datum: 28.03.2002
Autor: Philemon Wasem
Quelle: Chrischona Magazin

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