Mit Leid umgehen

„Das Leben hat mich geschlagen!“

„Ich bin 49 Jahre alt. Vor 15 Jahren verlor ich meine Frau. Sie brachte sich um. Dann kamen schwere Jahre. Die Erziehung meiner beiden Kinder übernahm tagsüber meine Mutter. Inzwischen sind sie 19 und 21 Jahre alt. Und jetzt macht mir die Älteste schwer zu schaffen. Vor zwei Monaten mussten wir sie nach einem Selbstmordver­such in die Psychiatrie bringen. Nach und nach schien es ihr besser zu gehen. Aber vor zwei Wochen waren ihre schweren Depressionen wieder so stark, dass sie von sich aus in die Klinik ging. Ich habe mich ja schon an viel Leid gewöhnt. Aber das jetzt ist so schwer. Ich glaube, ich werde selber noch depressiv. Wie soll ich das alles tragen?“
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Gott hat Sie mit viel Leid konfrontiert. Ihre Zeilen kommen mir vor wie ein Stück aus der biblischen Geschichte Hiobs. Eine schreckliche Nachricht nach der anderen stürzte über ihn herein. Nun fragen Sie, wie Sie dieses schwere Leid bewältigen können.

1. Denken Sie an frühere Tage!

Ihr Bericht lässt ahnen, wie viel Kraft Sie nach dem Tod Ihrer Frau gebraucht haben. Im Rückblick kann ich daraus nur schliessen, dass Sie verschiedene Wege gefunden haben, um mit diesen seelischen Schmerzen umzugehen. Versuchen Sie sich zu erinnern, welche Gedanken, Begegnungen und Bibelworte Ihnen damals hilfreich waren. Wie haben Sie damals entspannt? Vielleicht war es Musikhören oder Sport?

2. Gott hilft Ihnen auch heute!

Nehmen Sie fachliche Hilfe bei Ihrem Hausarzt oder einem Facharzt in Anspruch. Manchmal helfen schon leichte Medikamente, um die erste Phase solch schwerer Zeiten zu bestehen. Ich möchte Ihnen einige der Tipps weitergeben, die Angehörige von psychisch Kranken zusammengetragen haben:

- Körperliche Hilfen: Bewusste Entspannung z.B. durch Joggen, Schwimmen, Gymnastik, Spaziergänge, Gartenarbeit, aber auch durch Musikhören, gezieltes Atmen, Malen, Beobachten von Vorgängen in der Natur.

- Psychische und soziale Hilfen: Gespräche mit verständnisvollen Freunden und Verwandten, mit Menschen, die selbst von grossem Leid betroffen sind; Grübelgedanken auf bestimmte Wochentage oder Tageszeiten beschränken, statt ihnen ständig nachzugeben; Weiterarbeiten und in den gewohnten Verhältnissen verbleiben, auch wenn es manchmal sehr schwer fällt; bewusst Ja sagen zum Leid; sich selbst immer wieder bewusst etwas Gutes tun (Essen gehen, Konzertbesuch usw.); eigene Bedürfnisse gegenüber den erkrankten Familienangehörigen benennen (es sollte sich nicht das ganze Leben um den betroffenen Menschen drehen, er fordert ohnehin schon viel Kraft); Ehrlichkeit wagen, Nein sagen lernen, wenn es einem mal zuviel wird.

- Geistliche Hilfen: Unbedingt gute Seelsorge in Anspruch nehmen, Klagegebete formulieren und sie Gott auch sagen, die Bibel lesen und nach „Hoffnungsworten” Ausschau halten, immer wieder persönlich erlebte Verheissungen aus Gottes Wort in Erinnerung rufen, nicht aufhören, die Gemeinschaft in der Gemeinde zu suchen, in intensivem Kontakt mit Gott bleiben.

Auch wenn Sie nicht alles auf einmal tun können, sollten Sie dennoch mit dem einen oder anderen einfach anfangen. Und zum Schluss: Gott will Sie bei allem Zweifel nicht bestrafen, sondern er sucht – wie bei Hiob – nach einem Glauben, der nicht berechnet, der bei Gott bleibt, auch wenn die äusseren Umstände nur schwer zu ertragen sind.

Autor: Wilfried Veeser, Pfarrer und Psychotherapeut

Datum: 05.07.2006
Quelle: Neues Leben

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