Kinderlose Paare

Wenn der Wunsch nach Familie nicht in Erfüllung geht

Das Ehepaar P. aus dem Aargau ist seit 15 Jahren zusammen, 2004 haben D. (39 J.) und A. (35 J.) geheiratet. Der Wunsch nach Kindern ging für sie bis heute nicht in Erfüllung. Das Paar durchlebte dadurch eine harte Zeit des Trauerns und Loslassens. Livenet sprach mit D.P. über das in christlichen Kreisen oft tabuisierte Thema «Kinderlosigkeit».
D. und A.P. aus dem Aargau
Dominic P. aus dem Aargau.
D. und A.P. aus dem Aargau.

Livenet: Während sich viele Paare schwer tun, über diese Not zu sprechen, steht ihr öffentlich dazu und redet über eure Geschichte. Warum?
Für uns ist unsere Kinderlosigkeit mittlerweile kein Tabuthema mehr. Wir reden seit ein paar Jahren relativ offen darüber. Am Anfang gingen wir noch nicht so in die Offensive, weil wir noch nicht stark genug gewesen wären. Es ist ein langer Trauerprozess, den man als Paar durchmacht, wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Dieser Prozess ist für uns auch jetzt nicht abgeschlossen. Es bleibt immer etwas Trauer zurück, wie bei einer Narbe, die da ist. Aber wir haben gelernt, damit umzugehen und unseren Fokus auf das Gute zu richten. Wir haben mehr Freiheiten und können uns darüber freuen. Für uns ist auch wichtig, daran festzuhalten, dass Gott gute Pläne hat. Das glaube ich tief im Herzen.

Kamen bei dir oder deiner Frau denn keine Zweifel an diesen «guten Plänen» auf?
Wir gingen durch viele Gefühle der Wut, Trauer, Enttäuschung hindurch. Ich denke, es war auch gut, diese Gefühle zuzulassen und sie auch mit engen Freunden zu besprechen. Die Frage ist, wo man sich langfristig orientiert. Für mich als Mann war es wohl etwas einfacher, den Fokus wieder zu ändern und weiterzugehen. Ich musste aber auch lernen, über meine Gefühle zu reden. Meine Frau litt viel länger unter der ganzen Situation. Für eine Frau, die sich nach einer eigenen Familie sehnt, kann es auch schwierig sein, sich über Geburtskärtchen, die ins Haus flattern, zu freuen. Oder auch wenn sie schwangere Frauen sieht, ist das nicht einfach. Meine Frau fand in dieser Zeit starken Halt bei Gott. Und ich konnte sie unterstützen, weil ich von meinem Typ her positiv bin.

Die Frage ist ja immer, worauf man den Fokus richtet. Schaue ich auf das, was ich habe oder das, was ich nicht habe. Ein Paar mit Kindern hat ganz andere Herausforderungen, die wir nicht haben. Wenn man loslässt, kann man wieder Neues anpacken. Gott hat vielleicht ganz einen anderen Plan mit uns. Ein kleines Beispiel: Meine Frau macht jetzt nochmals eine Ausbildung, was wohl nicht möglich gewesen wäre, wenn die Kinder gekommen wären.

Ein heikles Thema ist die künstliche Befruchtung und andere medizinische Eingriffe. Wie steht ihr als betroffenes Paar dazu?
Wir selbst haben gewisse Dinge auch ärztlich abklären lassen. Meine Überzeugung ist, dass Gott die Ärzte ja auch geschaffen und befähigt hat, also können wir das auch annehmen.

Medizinische Möglichkeiten gibt es wirklich viele. Einige Christen sagen, man dürfe gar nichts machen, andere sagen, man soll alles probieren. Unser Rat ist, dass jedes Paar Gott fragen und dann selbst entscheiden soll. Das Paar verantwortet den gewählten Weg ja auch völlig selbständig.

Wie ist euer Umfeld mit eurer Kinderlosigkeit umgegangen?
Sehr unterschiedlich. Manchmal war es schon unangenehm, wenn wir gefragt wurden, wie wir es denn mit Familie hätten. Es kommt ganz darauf an, wie jemand die Frage stellt. Gewisse Leute sind halt in solchen Dingen unsensibel. Andere gingen sehr gut mit unserer Situation um. Wichtig ist, dass man ganz natürlich zusammen redet, auch gerne mal über Themen wie Hobby und Beruf.

Ich denke, es ist gut, dass wir jetzt offen dazu stehen, dass wir bisher keine Kinder bekommen konnten. Und Gott kann ja immer noch ein Wunder tun. So lässt sich besser damit leben.

Und wie haben sich die Freunde in der Gemeinde verhalten?
Auch hier haben wir positive und negative Erfahrungen gemacht. Wichtig ist meiner Meinung nach, nicht nur «mit der frommen Schiene» zu kommen. Wir haben viele prophetische Eindrücke von Mitchristen bekommen, die sicher waren, Gott würde uns bald ein Kind schenken. Leider trafen die Eindrücke dann nicht ein, was zusätzlich verletzt und enttäuscht. Bei Prophetien oder Gebet um Heilung wäre ich aufgrund unserer Erfahrungen sicher vorsichtig. Natürlich haben wir auch viel gebetet und gehofft, dass das Wunder geschehen wird, aber auch hier muss das Paar seinen Weg finden. Christen würde ich eher den Rat geben, auch mal Zeit mit einem kinderlosen Paar zu verbringen, etwas zu unternehmen und auf andere Gedanken zu kommen.

Die Frage, die einem ja grundsätzlich im Umgang mit Mitmenschen leiten sollte, ist: «Was könnte mein Gegenüber interessieren?». Sicher ist es daher gut, wenn man nicht immer über Baby-Shampoo, Windeln und andere Familienthemen spricht.

Mit eurem öffentlichen Statement wollt ihr ja nicht nur ein Tabu aufweichen, sondern auch betroffenen Paaren helfen. Wie geschieht das das konkret?
Wir waren letztes Jahr am Forum «Ehe+Familie» in Bern und besuchten dort den Workshop «Kinderlos» von Rachel und Martin Stoessel. Da waren viele andere Paare mit dem gleichen Schicksal, doch die Zeit, miteinander auszutauschen war zu knapp. So haben wir die Paare im Frühling ganz unverbindlich zu einem Treffen in Zürich eingeladen. Das war ein toller Nachmittag. Im Herbst werden wir nochmals eine Austauschrunde unter Gleichgesinnten machen, zu der sich acht Paare angemeldet haben. Das Ganze soll in lockerem Rahmen abgehalten werden. Es geht nur darum zu erfahren, wie andere Paare mit ihrer Kinderlosigkeit umgehen und einander zu ermutigen. Ich weiss nicht, wo es hinführt und ob daraus mehr entsteht. Das lassen wir im Moment offen.

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Datum: 23.07.2015
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet

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