Israelfeindlichkeit

«Ein Seismograph antijüdischer Entwicklungen»

«Kann das Heks im Auftrag der Kirche
Jude schaut auf geschändete Gräber.
Ekkehard Stegemann
Flagge von Israel.

zum Beispiel die Migros zum Boykott israelischer Produkte auffordern?» Der ermeritierte Basler Theologieprofessor Ekkehard Stegemann sieht das anders.

Das Buch von Tilmann Knechtel «Die Rothschilds – eine Familie beherrscht die Welt» zeigt laut Ekkehard Stegemann, dass antijüdische Vorurteile noch weit verbreitet sind. Laut Stegemann braucht es daher weiterhin Organisationen wie die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft CJA, die seit 70 Jahren Antisemitismus bekämpft. Denn antijüdische Vorurteile gebe es selbst in kirchlichen Organisationen wie dem Ökumenischen Rat der Kirchen ÖRK und dem Heks.

Schwarze Stereotypen

In der öffentlichen Debatte sei das Verhältnis zwischen der jüdischen Gemeinschaft und den Christen hierzulande kaum ein Thema, so weit es um «schwarze» Stereotypen gehe, also um bekannte antijüdische Vorurteile. Doch selbst diese würden im Internet weiterhin bewirtschaftet.

Das erwähnte Buch gebe es bei Amazon bereits in der siebten Auflage. Die Werbe-Info zu diesem Buch könnte direkt aus dem nationalsozialistischen «Stürmer» stammen. Dazu kämen aber auch neue Konfliktthemen. Um sie zu benennen, brauche es weiterhin Institutionen wie die CJA, in der Christen aller Konfessionen und Juden aller Richtungen zusammenkommen – dabei auch über Konfliktthemen diskutieren und nötige Aufklärungen dazu erarbeiten. Die CJA verstehe sich als Seismograph für Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die eben nie völlig antisemitismusfrei ist.

Sinkende Tabuisierungsschwelle

Der Hydra Antisemitismus wachsen laut Stegemann immer wieder neue Köpfe. Antisemitismus ist die barbarische Unterseite unserer Zivilisation. Er sieht eine sinkende Tabuisierungsschwelle in unserer Gesellschaft. So würden drastische judenfeindliche Äusserungen heute in der Gestalt der modernen Variante des Anti-Israelismus kommuniziert. Dies gelte nicht einfach nur für den rechten Rand, sondern komme heute aus der Mitte der Gesellschaft.

Eine Gruseldebatte

Wer aufmerksam im Internet und vor allem in den Kommentarspalten digitaler Zeitungen liest, kommt laut Stegemann «aus dem Gruseln nicht mehr heraus». Er erinnert an die «Beschneidungsdebatte», die vor vier Jahren auch in der Schweiz intensiv geführt wurde. Dabei wurde die Beschneidung auf Facebook und Twitter, aber auch in Zuschriften an den Zentralrat der Juden in Deutschland und den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund als «barbarisches Ritual», als «Kinderverstümmelung», als «Verbrechen einer antiquierten Religion», als «perverse Säuglingsfolter» und so weiter geschmäht. Stegemann: «Und das steht immer noch im Netz, so dass das antisemitische Gift öffentlich weiterhin wirksam bleibt.»

Israelkritik und Israelfeindichkeit

Laut Stegemann überschreitet vieles, was sich für «Israelkritik» hält, die Grenze zum antisemitischen Anti-Israelismus. Die eigentliche Grundlage solcher Kritik nennt er eine Obsession. Das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Heks zum Beispiel unterstützt im Fahrwasser des Ökumenischen Rates der Kirchen ÖRK vor allem antiisraelische Aktionen. Das sei politisch einseitig, zumal es in Israel viele gute palästinensisch-israelische Projekte gebe wie etwa das Friedensdorf Newe Shalom, die ebenfalls Unterstützung verdient hätten. Die Kritik auch vieler NGOs gehe sogar so weit, dass sie das Verschwinden eines israelischen Staates befürworten. «Für mich ist da eine Dämonisierung Israels im Gange», so Stegemann gegenüber kirchenbote-online.

Wasserfasten als antiisraelische Aktion

Er nennt ein weiteres Beispiel: Der ÖRK hatte während der Passionszeit zu einem siebenwöchigen Wasserfasten aufgerufen. «Dies wurde mit der bodenlosen Lüge untermauert, Israel würde den Palästinensern den Zugang zu Wasser verwehren.» Das Heks habe diese Geschichte bereitwillig aufgenommen und verbreitet. Ein anderer Fall sei die aktuelle Petition, die sich gegen die Blockade des Gazastreifens wehrt. «Wenn man die Politik Israels schon Blockade nennen will, müssen die Petitionäre aber auch auf die Ursachen hinweisen. Diese liegen in den Terrorinfiltrationen nach Israel und dem massiven Raketenbeschuss der israelischen Zivilbevölkerung aus Gaza, erinnert Stegemann. Zudem sollten die Petitionäre nicht verschweigen, dass die Israelis täglich Hunderte von Lastwagen mit Hilfsgütern, etwa Nahrungsmitteln und Medikamenten, nach Gaza bringen. Dies werde völlig ausgeblendet und stattdessen einseitig die Hamas-Diktion übernommen. Stegemann: «Damit wird mit Blick auf Israel wieder an antijüdische Stereotypen angeknüpft.»

Zur Webseite:
Christlich-jüdische Arbeitsgemeinschaft in der Schweiz

Zum Thema:
Peinlicher Rechtsstreit: Freibrief für Antisemitismus?
Parlamentarier in Berlin: «Antisemitismus hat bei uns keinen Platz»
Deutschland: Darf über Antisemitismus im Islam diskutiert werden?

Datum: 07.10.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet / kirchenbote-online

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service