Rechte Parteien stoppen?

«Die ersten Christen hatten keine Angst vor Anhängern anderer Religionen»

In vielen europäischen Ländern sind rechtspopuläre Parteien auf der Überholspur. Und es gibt auch Christen, die diese Parteien aus unterschiedlichsten Gründen unterstützen. Wie sollten die Gemeinden vorgehen? Frank Hinkelmann, Präsident der Europäischen Evangelischen Allianz, hat dazu einige Ideen.
Frank Hinkelmann
Flüchtlinge

Die Flüchtlingswelle hat in vielen europäischen Ländern etwas bewirkt, was noch vor wenigen Jahren undenkbar erschien: Politisch rechtsgerichtete Parteien bekommen immer mehr Zulauf. Sei es die SVP in der Schweiz, die AfD in Deutschland, der FN in Frankreich oder die FPÖ in Österreich: Mit ihren rechtspopulistischen Slogans, die oftmals gegen die Bemühungen der aktuellen Regierungen, das Flüchtlingsproblem irgendwie unter Kontrolle zu bekommen, gerichtet sind, treffen sie in vielen Europäern Anklang. Gegen ein geeintes Europa, gegen Ausländer, gegen Flüchtlinge.

Welche ethischen Themen sind wichtig?

Zwischen Politik und Bevölkerung steht die Kirche. Auch Christen wählen – und nicht wenige wählen eher rechts, da diese meist konservativen Parteien häufig für Werte stehen, welche auch Christen vertreten. Hierin sieht der Österreicher Frank Hinkelmann, Präsident der Europäischen Evangelischen Allianz, eine grosse Gefahr: «Eine grosse Anzahl von evangelischen Christen würde Hofer (FPÖ) in den Wahlen unterstützen, weil er gegen Abtreibung ist», erklärte Hinkelmann in einem Interview mit Evangelical Focus. «Meine Sorge in all dem ist, dass die Evangelikalen scheinbar eine 'unbewusste Liste' bestimmter ethischer Themen haben, die für sie wichtig sind, während andere ethische Themen für sie weit unwichtiger sind. Und sich um Flüchtlinge zu kümmern, fällt scheinbar in die zweite Kategorie…»

Einsatz für Flüchtlinge

Dabei gibt es in allen europäischen Ländern viele Gemeinden und einzelne Christen, die sich unerlässlich für Ausländer einsetzen, sei es auf kirchlicher oder persönlicher Ebene. So erhielt erst vor kurzem die Griechische Evangelische Allianz einen Preis für den enormen Einsatz unter den Flüchtlingen (Livenet berichtete).

Auch in Österreich sind viele Gemeinden im Einsatz, wie Hinkelmann beobachtet: «Sie helfen Flüchtlingen auf ganz praktische Weise: Sie versorgen sie mit nötigen Gütern, bringen ihnen Deutsch bei, laden sie in die Gemeinden ein, usw. Ich persönlich habe gesehen, dass viele Flüchtlinge völlig frustriert sind mit dem Islam und sehr interessiert daran, über den Gott der Bibel zu erfahren. Dies ist eine wunderbare Möglichkeit und viele Gemeinden haben Bibelgruppen auf Farsi und Arabisch gestartet.»

Rechte Parteien stoppen

Es steht ausser Frage, dass Gott für Ausländer, für Flüchtlinge ist, generell für die Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Jesus selbst wuchs als Flüchtlingskind in Ägypten auf. Doch wie ist der Konflikt zu lösen, auf der einen Seite die biblischen Werte in unseren Ländern zu verteidigen, auf der anderen Seite aber für die Flüchtlinge einzustehen und die rechtspopulistischen Parteien zu stoppen?

Für Frank Hinkelmann ist hierbei ein grosses Thema die Angst vor den Flüchtlingen, Angst vor der Übermacht des Islam in den westlichen Ländern: «Zunächst müssen wir evangelikalen Christen uns um unsere Angst kümmern. Angst war noch nie ein guter Ratgeber und ich glaube, viele Menschen, Christen mit inbegriffen, haben grosse Angst in Bezug auf Migration und Muslime, die nach Europa kommen. Zusätzlich glaube ich, dass die Kirche dazu berufen ist, zu lehren, was die Bibel wirklich darüber sagt, wie wir Menschen, die unter Krieg und Verfolgung leiden, behandeln sollen. Und ich glaube, dass die Kirche in Österreich, aber auch in vielen anderen Teilen Europas, verstehen muss, was es bedeutet, in einem post-christlichen Land ein Zeuge für Christus zu sein. Zu oft verstecken wir uns hinter unserem christlichen Erbe, das eh nur eine Art Volksversion oder nominale Version des echten Christentums ist.»

Und genau hier läge die Herausforderung: «Wir müssen neu lernen, was es bedeutet, Nachfolger Jesu […] zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die ersten Gemeinden in Rom oder Ephesus im ersten Jahrhundert besorgt waren, wenn Menschen anderer Religionen in ihre Städte zogen. Es war vielmehr umgekehrt: Sie waren so überzeugt von ihrem Glauben, dass sie ihn freiwillig mit den Anhängern anderer Religionen teilten. Das sollten wir tun. Das ist die Herausforderung, die vor uns liegt!»

Das gesamte Interview mit Frank Hinkelmann ist hier (auf Englisch) nachzulesen.

Zum Thema:
Christliche Politik: Fünf Missverständnisse
Wohl der Gesellschaft: Sollen sich Kirchen einmischen?
Glaube und Politik: Christliche Werte allein genügen nicht
Freikirchen und die Flüchtlinge: Den persönlichen Bezug zu den Migranten herstellen

Datum: 15.02.2017
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Evangelical Focus

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service