Statistik des Grauens

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Unsere zunehmend gottlose Gesellschaft tut sich schwer, in ethischen Fragen wie der Abtreibung zu entscheiden. Da liegt der Versuch nahe, Statistiken als mathematische «Beweise» für die eigene Position aufzustellen. Fehlen aber «harte» Daten, verlieren die präsentierten Zahlen ihren Wert. Obschon in verschiedenen Ländern der Staat selbst Abtreibungszahlen erhebt, sind sie oft unvollständig. Noch schwieriger ist die Erfassung von Daten durch Befürworter einer liberalen Abtreibungsregelung. In der Schweiz beispielsweise führt nur die SVSS (Schweiz. Vereinigung für Straffreien Schwangerschafts-abbruch) eine nationale Abtreibungsstatistik. Diese stützt sich teilweise auf Schätzungen oder unverbindliche Befragungen. Angesichts des globalen Trends zur Liberalisierung der Abtreibung ist die Annahme, dass die öffentlichen Abtreibungs-Zahlen eher zu tief als zu hoch sind, sicher nicht verfehlt.

Trotz unvollständiger Erfassung zeichnen die Zahlen ein Bild des Schreckens. Jährlich werden ca. 46 Mio. Kinder abgetrieben. Im Vergleich dazu kostete der 2. Weltkrieg in sechs Jahren inklusive Holocaust und zivile Opfer 55 Mio. Menschen das Leben. Jedes vierte Kind wird heute vor der Geburt getötet. Der Mutterleib, früher Sinnbild für Schutz und Geborgenheit, ist zum gefährlichsten Ort des Menschen geworden.

Wesentlichen Einfluss auf die globale Liberalisierung der Abtreibung hatte ein Entscheid des Obersten Amerikanischen Bundesgerichts vom 22. Januar 1973. In den Prozessen Rowe gegen Wade und Doe gegen Bolton formulierte der Gerichtshof wider jede Rechtspraxis in der Verfassung ein neues persönliches Recht der Frau, zu jeder Zeit eine Abtreibung durchführen lassen zu können. In der Folge schnellte die Abtreibungsrate der «legalen» Abtreibungen in den USA innert sieben Jahren von 230000 auf 1,55 Mio. jährlich. Dasselbe Bundesgericht brachte den Bau des Tellico-Damms in Tennessee, ein 116 Millionen US-Dollar-Projekt, zum Stillstand. Grund war das mögliche Aussterben des Schnecken-Grundbarsches, eines siebeneinhalb Zentimeter langen Fisches.

Trotz restriktiven Gesetzen wurde auch in der Schweiz und anderen Ländern die Abtreibung stillschweigend legitimiert. Von 1980 bis 1988 wurden in der Schweiz noch vier Frauen wegen Abtreibung verurteilt. Ab 1988 fanden keine Verurteilungen mehr statt. Heute steht die amtlich nicht anerkannte Todesursache «Abtreibung» in der Schweiz an dritter Stelle aller Todesfälle hinter Herz-Kreislauf-Problemen und Krebs.

Amtliche Statistiken in Amerika und Deutschland zeigen übereinstimmend, dass nur 1 bis 4 % aller Abtreibungen aufgrund ernsthafter medizinischer Gefährdung der Mutter, Vergewaltigung/Inzest oder Missbildungen des Kindes angestrebt werden. Über 96 % aller Aborte gründen auf Lebensstil-abhängigen Unpässlichkeiten der Mutter oder ihres Umfeldes.

Mit gezielt verharmlosender Sprache versuchen die Abtreibungsbefürworter die Unmenschlichkeit einer Abtreibung zu übergehen. Beschwichtigend wird mit einer «medikamentösen Behandlung einer Schwangerschaft» scheinbar eine Krankheit geheilt, mit «Absaugen des Inhaltes der Gebärmutter» ein Geschwür entfernt oder mit «Ausstossung der Frucht» etwas Unreifes entsorgt. Die deutsche Statistik der Abtreibungsarten zeigt das Grauen ungeschminkt. Von den über 130000 Abtreibungen Deutschlands im Jahr 2000 wurden 111226 Babys abgesaugt. Der Ansaugdruck bei dieser Methode reisst dabei das meist mehrere Zentimeter grosse Kind auseinander. 15107 Babys wurden im Mutterleib zerschnitten (Kürettage) und dann entfernt. 4140 Kinder wurden medikamentös vergiftet oder ausgestossen. Bei 4120 Abtreibungen kam Mifegyne (RU 486) zur Anwendung, das die Einnistung des Embryos in der Gebärmutter verhindert und ihn aushungert.

Abtreibungsbefürworter betonen immer wieder, wie unentwickelt, unfertig und klein die abgetriebenen Föten seien. Auch hier spricht die Statistik des deutschen statistischen Bundesamtes eine andere Sprache. Gemäss den Zahlen des Jahres 2000 waren zum Zeitpunkt der Abtreibung 15478 Embryos 6 Wochen alt und jünger. 46492 Embryos hatten ein Alter von 6–8 Wochen. 46773 Embryos waren 8–10 Wochen alt. 23769 Embryos lebten bereits 10–13 Wochen. 1943 Embryos waren sogar 13–23 Wochen alt bei der Abtreibung. Zusammengekauert misst ein Embryo von 6 Wochen ca. 15 mm, ein Embryo von 8 Wochen 25 bis 30 mm, einer von 10 Wochen ca. 50 mm und ein Embryo von 15 Wochen 120 mm.

Eines der wichtigsten Argumente der Abtreibungsbefürworter ist die vermeintliche Abnahme von Abtreibungen bei einer liberalen Gesetzgebung. Verschiedene Statistiken werden hierzu herangezogen. Die amtlichen Zahlen besagen aber das Gegenteil. In Amerika, Kanada, Holland und Neuseeland hat die Abtreibungsrate mit zunehmender Liberalisierung zugenommen. Dabei ist zu bedenken, dass die Einführung der Pille sowie die konsequenter angewandten Verhütungsmittel (AIDS-Prävention) eine Senkung der ungewollten Schwangerschaften und damit auch der Abtreibungen hätten mit sich bringen sollen.

Als gegenläufiger Trend ist das Beispiel Polens bemerkenswert. 1993 wurde dort das geltende Abtreibungsrecht verschärft. Die möglichen Abtreibungsindikationen (medizinische, juristische und eugenische Indikation) werden restriktiv geprüft. Die Anzahl Abtreibungen sank in der Folge von beinahe 60000 Abtreibungen 1993 auf 250 Abtreibungen 1999.

Auch die finanzielle Unterstützung von Abtreibungen erhöht deren Anzahl. Langzeit-Studien in Amerika haben ergeben, dass Bundesstaaten, die Abtreibungen finanziell (über Sozialversicherungsleistungen) unterstützen, eine wesentlich höhere Abtreibungsquote (37,15 Abtreibungen auf 100 Schwangerschaften) aufweisen als Bundesstaaten, die dies nicht tun (25,48 Abtreibungen auf 100 Schwangerschaften).

Halten wir nochmals fest: Das Datenmaterial ist unvollständig. Statistiken vermögen die Einzelschicksale und die damit verbundene Not nicht auszudrücken. Dennoch betrauern wir die Opferzahlen von Kriegen, Hungersnöten und Erdbeben. Was führt uns dazu, die Schwächsten unserer Art, die Ungeborenen, nicht zu bedauern? •

Harry Graf

Datum: 10.04.2002
Quelle: factum Magazin

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