Das "Monster" in meinem Bauch

Ein Baby wächst heran

Wie es einer Mutter geht, die ihr behindertes Kind abtreiben liess, zeigt folgende Schilderung. Sie war 36 Jahre alt, Mutter von zwei Töchtern und verheiratet, als „es“ passierte: Katharina S. wurde ungewollt schwanger. Es ist eine schwierige Zeit für die Maschinenbau-Ingenieurin: Die Lebensgefährtin ihres Vaters ist nach schrecklicher Krebserkrankung qualvoll gestorben, der Vater zu ihr gezogen: „Es war überall eine sehr traurige Stimmung.“

Zusammen mit ihrem Ehemann entscheidet sie sich für eine Fruchtwasser-Untersuchung. An Abtreibung hat sie dabei nicht gedacht: „Ich wollte nur eine Bestätigung haben, dass mein Kind gesund ist.“ Problem der Untersuchung: Sie kann frühestens ab der 16. Woche gemacht werden. Vorher ist eine Fruchtwasser-Untersuchung - mit der eventuelle Behinderungen erkannt werden können - nicht möglich, weil die Menge des Fruchtwassers nicht ausreichend gross ist. Zwei Wochen dauert es, bis das Ergebnis vorliegt. Der Abbruch kann also frühestens in der 18. Woche erfolgen. Ein genetischer Defekt lässt sich zwar auch durch die Untersuchung der Plazenta bereits in der 9. Woche feststellen: Die Rate der durch die Untersuchung ausgelösten Fehlgeburten liegt allerdings bei circa fünf Prozent. Während die Schwangerschaft fortschreitet, kommen Katharina S. grosse Bedenken.

Die Ärztin, die die Entnahme durchführen wird, bagatellisiert die Untersuchung. Sie ist bereits in der 17. Woche schwanger, als sie zum Test geht. Die Möglichkeit eines negativen Ergebnisses verdrängt sie. So kauft Frau S. bereits Babywäsche, näht sich Umstandskleidung und ist inzwischen in der 20. Schwangerschaftswoche, als sie die Nachricht bekommt: Ihr Baby leidet an einer Chromosomen-Anomalie, wird vermutlich mit dem Down-Syndrom auf die Welt kommen. Katharina S. und ihr Mann geraten in Panik. Der Arzt rät: „Treiben Sie ab, solange noch Zeit ist.“ Dieses unerwartete Ergebnis, der Rat des Arztes und die Zustimmung ihrer Freundinnen und Bekannten suggerieren ihr, dass sie ein „Monster“ in ihrem Bauch hat. Voller Wut und Angst geht sie einen Tag, nachdem sie die Diagnose erfahren hat, ins Krankenhaus. Sie kommt auf die Entbindungsstation, erhält ein Wehenmittel, das die „Geburt“ einleiten soll.

„Jetzt ist es zu spät“

Immer noch ist sie voller Panik. Stundenlang liegt sie alleine in ihrem Zimmer. Schliesslich schläft sie voller Zweifel über ihre Entscheidung ein. Als sie wach wird, sind ihre Beine nass, die Fruchtblase ist geplatzt: „Ich wusste, jetzt ist es zu spät.“ Heute noch kann Katharina S. ihre Gefühle in jenem Moment kaum in Worte fassen, kämpft mit den Tränen.

Eine Schwester fährt sie in den Kreisssaal. Die Abtreibung erfolgt - wie üblich - unter Vollnarkose. Die 36jährige ist inzwischen so am Ende, dass sie nur noch einen Wunsch hat: „Ich wollte mit dem Kind sterben. Dem Arzt wollte ich sagen, er soll die Narkose so stark machen, dass ich nicht mehr aufwache.

Aber ich war so fertig, schaute ihn nur an und brachte kein Wort heraus.“ Als sie aufwacht, ist sie aber erleichtert, dass das „Monster jetzt weg war“. So schnell wie möglich geht sie unter die Dusche, „ich wollte alles abspülen und nie mehr daran erinnert werden“. Als sie jedoch aus der Dusche kommt, hat sie Gesellschaft in ihrem Krankenhauszimmer bekommen: Eine behinderte junge Frau liegt dort als Patientin. „Ich habe ihr zur Begrüssung die Hand gegeben. Dabei bin ich mir total mies und dreckig vorgekommen.“ Sie flieht aus dem Zimmer, spricht noch einmal mit dem Arzt, der die Abtreibung vorgenommen hat. „Plötzlich hatte ich das Gefühl, nicht richtig informiert gewesen zu sein.“ Katharina S. dringt auf vorzeitige Entlassung, will nach Hause zu ihren Kindern, ist körperlich und seelisch erledigt.

Ein Gefühl, nicht richtig informiert gewesen zu sein

Doch das Schlimmste steht ihr noch bevor: „Ich bin in ein tiefes Loch gefallen. In mir war und ist ein riesiger innerer Schmerz darüber, dass das Kind tot ist.“ Zu ihren zwei Töchtern geht sie innerlich auf Distanz: „Wenn ich heute, meine beiden Kinder in den Arm nehme, höre ich immer noch jemanden im Hintergrund, der ruft: ‚Und ich?’“ Katharina S. bekommt Angstzustände, fährt stundenlang ruhelos mit dem Auto durch die Gegend. Sechs Wochen nach dem Eingriff geht sie auf Vorschlag ihres Frauenarztes zu einer human-genetischen Beratungsstelle. Zum ersten Mal setzt sie sich mit der Behinderung auseinander.

Dort erfährt sie auch, was mit ihrem toten Kind geschehen ist: „Mir wurde gesagt, dass alles ‚menschliche Material’, wie auch das Kind, in einer zentralen Anlage verbrannt wird.“ Sie erfährt aber auch, dass man heute mongoloide Kinder auf den Entwicklungsstand eines vier- bis sechsjährigen Kindes bringen kann: „Danach war mir endgültig klar, dass die Abtreibung falsch war. Alle Versuche zu verdrängen oder zu entschuldigen haben nur dazu geführt, dass es mir immer schlechter ging.“

Katharina S. liest viele Bücher zum Thema Abtreibung, macht eine psychologische Beratung, wendet sich schliesslich an eine christliche Selbsthilfegruppe. Der persönliche Beistand hilft ihr, vor allem wird ihr klar, dass viele Frauen unter den Folgen einer Abtreibung leiden - seelisch und körperlich. Doch trotz aller Hilfen schläft Katharina S. noch heute jeden Abend mit dem Gedanken an ihr drittes Kind ein, das nicht leben durfte, wacht nachts zitternd auf. Katharina S. möchte heute ihre Geschlechtsgenossinnen warnen: „Frauen geht es nach einem Schwangerschafts-Abbruch nicht gut. Er verletzt sie innerlich.“ Heute bekennt sie: „Schwangere Frauen haben kein Recht auf Abtreibung. Sie haben ein Recht auf Hilfe für ihr Kind.“

Datum: 14.05.2002
Autor: Ulrike Lotze
Quelle: idea Deutschland

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