Tötungsverbot ist stärker zu gewichten als das Selbstbestimmungsrecht der Frau

Ich besitze ein etwa 7 cm langes Fötusmodell, welches der Entwicklung eines Wesens in der 12. Schwangerschaftswoche entspricht. Kopf, Arme und Hände, das Gesicht, die Beine - alles ist vorhanden. Nach den mir vorliegenden Informationen zu diesem Modell schlägt sein Herz seit dem 21. Tag. Alle Körpersysteme funktionieren, ausser der Lunge. Dieser werdende Mensch blinzelt, schluckt und lutscht schon am Daumen. Tragischerweise ist bei 12 000 solcher Menschen in unserem Land - Jahr für Jahr - das Daumenlutschen zu Ende.

Ob mit oder ohne Empfehlung von Psychiater oder Berater hat die werdende Mutter entschieden - zuerst werden meine Bedürfnisse gestillt. So schlagen die Herzschläge des kleinen Winzlings bald zum letzten Mal. Die Entscheidung einer straffreien Tötung im Mutterleib bis zur 12. Schwangerschaftswoche, Abtreibung genannt, hat das Ende dieses Menschen eingeleitet. Stückweise wird er aus dem Mutterleib herausgeholt. Ohne Beerdigungsanzeige und Trauergottesdienst wird das, was da noch übrig bleibt entsorgt!

Diese Tötungsart des ungeborenen Menschen wird legal in unserem Land und wird Tatsache, wenn man am 2. Juni 2002 der Fristenlösung zustimmt, wie sie uns der Gesamtbundesrat empfiehlt! Die Präsidentin der Rechtskommission des Nationalrates, Anita Thanei, umschrieb dieses Vorgehen gegen das werdende Leben im Mutterleib als ein zähes Ringen um einen gangbaren Weg, welcher nun also dem Volk zur Abstimmung unterbreitet wird.

Unsere Justizministerin Ruth Metzler erläutert: Wenn Wirklichkeit und Gesetz nicht mehr übereinstimmen, müssen wir darüber nachdenken, warum das so ist und wie Gesetz und Realität wieder zusammengeführt werden können. Mit andern Worten, weil eben der Vollzug der strafrechtlichen Verfolgung bei der jetzigen gesetzlichen Regelung bei einem Schwangerschaftsabbruch nicht durchgesetzt wird, werden kann, soll nun das Gesetz dem Denken und Handeln unserer Gesellschaft angepasst werden. Diese «Wirklichkeit» soll bis zur 12. Schwangerschaftswoche jeder Frau erlauben, selber zu bestimmen, ob sie dem werdenden Leben ein Ende setzen will. Nach dieser Frist muss für einen Abbruch eine Notlage geltend gemacht werden.

Hier erlaube ich mir die Frage - ja was ist denn mit der Notlage jener Person, die im Mutterleib lebt, schluckt, blinzelt und am Daumen lutscht? Dieser Mensch steckt doch in der grössten Notlage, die man sich vorstellen kann. 12 000 sterben Jahr für Jahr diesen Tod und haben nicht mal den Hauch einer Chance, etwas dazu zu sagen. Dem in Entwicklung begriffenen Kind kommt doch auch Personalität und Würde zu und hat deshalb ein Anrecht auf staatlichen Schutz. Das Tötungsverbot ist doch stärker zu gewichten als das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Eine Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch ist doch nur dann folgerichtig, wenn ein Ungeborenes eine Sache und kein Lebewesen wäre.

Notlagen kann es immer geben. Aber für Notlagen einer Frau kann immerhin nach Lösungen gesucht werden. Für den abgetriebenen Menschen gibt es aber keine Lösung mehr. Ich befürworte deshalb ein Gesetz, das den Schwächeren schützt und das auch in den ersten 12 Wochen seines Lebens.

Erwin Plüss, Rothrist, ist Inhaber einer Beratungsfirma in den Bereichen Metallbau und Verglasungen, Grossrat der Eidgenössischen Demokratischen Union (EDU) von 1997 bis 2001, zurzeit Mitglied der Geschäftsleitung der EDU Aargau und Mitglied des Vorstandes der EDU-Ortspartei Rothrist.

Datum: 14.05.2002
Autor: Erwin Plüss

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service