Grossangelegte Studien zeigen:

«Kiffen vergiftet die kreativsten Köpfe»

Ein deutscher Professor an der Universität Heidelberg bezeichnet es als «atemberaubend», wie wissenschaftliche Befunde in der Diskussion um die Legalisierung von Cannabis ignoriert werden. So verdoppelt sich u.a. bei häufigem Gebrauch das Psychose-Risiko.
Zwei Jugendliche rauchen Joints.

In einem Artikel in der «Frankfurter Allgemeinen» vom 4. Juli 2015 stellt der Heidelberger Professor, Psychiater und Psychoanalytiker Rainer M. Holm-Hadulla pointiert fest: «Der medizinische und psychosoziale Preis (einer Freigabe von Cannabis) ist hoch. Ihn zahlen die Jungen.» Dabei greift der Autor sowohl auf Beobachtungen aus seiner eigenen Praxis als auch auf breit angelegte wissenschaftliche Studien zurück.

Erfahrungen mit einem Kunststudenten

«Beispiele (für die Risiken des Gebrauchs von Cannabis) kennt die Wissenschaft inzwischen viele. So wie jenen Kunststudenten, der mich vor einigen Jahren aufsuchte, weil er seine Einfälle nicht umsetzen konnte. Er hatte einige Schriften von mir über Kreativität gelesen und meinte, ich könne ihm ein paar Tipps geben. Nach guten Schulleistungen und der Aufnahme in eine Stiftung für besonders Begabte blieb er weit unter seinen Möglichkeiten. Er konnte seine Einfälle nicht festhalten und einmal ausgewählte Ideen nicht umsetzen. Leichte Konzentrations- und Antriebsstörungen fielen ihm selbst auf. Er kam aber nicht auf die Idee, dass dies etwas mit seinem jahrelangen Cannabiskonsum zu tun haben könnte.

Er liess sich auf einen Abstinenzversuch ein. Es dauerte einige Monate, bis er wieder gezielt arbeiten konnte. Dann absolvierte er sein Examen mit Auszeichnung, erhielt eine Dozentenstelle, und seine Kunstwerke finden mittlerweile Anerkennung. Nach fünf Jahren fasst er rückblickend zusammen: 'Marihuana beruhigt und entspannt. Aber genau das macht auch unproduktiv. Als ich Cannabis konsumierte, war ich vollkommen unkreativ, aber es quälte mich nicht.' Er fügte hinzu: 'Viele meiner Kommilitonen sind auf der Strecke geblieben: Schlichte Lustlosigkeit, aber auch Depressionen und Ängste, und am schlimmsten sind die Psychosen.'»

Gezielte Fehlinformationen

Der Dozent stellt in Bezug auf die Wirkung von Cannabis gezielte Fehlinformationen fest, etwa auf Wikipedia. Dort werde behauptet, dass hirnorganische Veränderungen nicht nachgewiesen wurden und der Zusammenhang von Cannabiskonsum mit schizophrenen Psychosen bezweifelt werde. Auch der Deutsche Hanfverband arbeite mit Fehlinformationen.

Holm-Hadulla hält demgegenüber fest: «Die in angesehenen Fachzeitschriften veröffentlichten Studien vermitteln dementsprechend ein weniger harmloses Bild. Im 'New England Journal of Medicine' wurden 2014 die wissenschaftlichen Daten zusammengefasst und bewertet. Bei häufigem Konsum von den heute üblichen hochdosierten Cannabisprodukten verdoppelt sich das Psychose-Risiko. Schädigungen der Hirnentwicklung, die mit Störungen von Motivation, Konzentration und Gedächtnis einhergehen, gelten als wissenschaftlich bewiesen.» Und er fährt fort: «Auch das kombinatorische Denken wird durch Cannabis beeinträchtigt. Die Störungen von Hirnfunktionen und Hirnstrukturen sind bei frühzeitigem, längerem und hochdosiertem Gebrauch oft dauerhaft. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass bei häufigem Cannabiskonsum vermehrt Ängste und Depressionen auftreten. Statistisch ist chronischer Marihuanagebrauch mit geringerem Einkommen, Arbeitslosigkeit, sozialer Hilfsbedürftigkeit, kriminellem Verhalten und geringerer Lebenszufriedenheit assoziiert.»

Erfolgreiche Verdrängung

Aus seiner Praxiserfahrung weiss Professor Holm-Hadulla, dass die langjährige Verharmlosungspraxis Cannabis gegenüber dazu führen kann, dass eine Problematik gar nicht erkannt bzw. verdrängt werden kann. «In meiner Beratungs- und Therapiepraxis kontaktieren mich viele jugendliche Patienten wegen diffuser Verstimmungen, Konzentrationsstörungen, Lustlosigkeit und Beziehungsproblemen», berichtet er und fährt fort: «Die Betroffenen und ihr Umfeld kommen erstaunlicherweise nicht auf die Idee, dass dies auch an ihrem Cannabiskonsum liegen könnte. Sie reagieren manchmal sogar ärgerlich, wenn man diese Möglichkeit nur in Betracht zieht. Gelingt es ihnen aber, ihren Cannabiskonsum zu reduzieren, verbessert sich ihre Stimmung, die Konzentrationsfähigkeit nimmt zu, und ihre Beziehungen werden lebendiger.»

Pubertät: «Loch in der Entwicklung»

Die Pubertät sei wegen der in dieser Zeit stattfindenden «neuronalen Umbauprozesse» besonders anfällig. «Es ist katastrophal, wenn Jugendliche schon mit zwölf Jahren oder früher beginnen, Haschisch und Marihuana zu rauchen und grosse Mengen Alkohols zu trinken. Dabei wird gebetsmühlenhaft wiederholt, dass Cannabis weniger Menschen schade als Alkohol. Ist das ein Trost angesichts der viel weiteren Verbreitung von Alkohol?» Der Grund: «Nicht nur aus neurobiologischer, sondern auch aus psychoanalytischer Sicht ist die Adoleszenz, das typische Eintrittsalter für Cannabisgebrauch, eine hochkreative Umbauphase. Sie ist mit Spannungen und Konflikten verbunden. Wenn man diese persönlichen und sozialen Spannungen nicht durchlebt, sondern chemisch dämpft, geht persönliches Entwicklungspotential verloren. So dient Cannabis eben nicht dem emanzipatorischen Unabhängigkeitsbestreben, sondern dem resignativen Einfügen in bestehende Missstände.

Bei frühem Beginn und hochdosiertem Gebrauch sprechen Patientinnen und Patienten rückblickend oft von einem 'Loch in ihrer Entwicklung'» Dabei gebe es es «bessere Rituale, die Turbulenzen des Erwachsenwerdens zu gestalten, etwa Musik, Kunst, Literatur, Sport und nicht zuletzt schulisches Lernen. Diese verlangen allerdings mehr Aktivität und kosten Geld. Schliesslich sind auch Freundschaften, Liebesbeziehungen und Sexualität kreative Aufgaben, die durch Cannabis eher gedämpft werden können.»

Kreative Künstler durch Cannabis?

Immer wieder würde dennoch Cannabis und anderen Drogen «kreativitätsfördernde Wirkung» zugeschrieben: «Es ist so, als wären Janis Joplin, Jimmy Hendrix, Brian Jones, Jim Morrison und Amy Winehouse, die durch Alkohol und Drogen ihre Kreativität und sich selbst zerstörten, in Vergessenheit geraten.» Einzelfallstudien zeigten, dass «Alkohol und Drogen konsumierende Künstler nicht kreativ waren, weil, sondern obwohl sie Drogen einnahmen. Diejenigen, die länger schöpferisch sind, verzichten irgendwann einmal auf Cannabis und andere Drogen sowie auf regelmässig zu hohe Mengen Alkohols. Viele sind aber schon vorher auf der Strecke geblieben.»

Der Autor schliesst mit der Bemerkung, dass die Aussage, «Cannabis beruhige und entspanne», auch für manche Eltern, Lehrer und Politiker gelte und hält fest: «Der Schaden dieser beruhigten Entspannung ist leider nicht unerheblich.»

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Datum: 06.07.2015
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Frankfurter Allgemeine

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