SEK-Präsident Locher:

Ungewisse Zukunft der ägyptischen Christen

Die ägyptischen Muslim-Brüder gehen jetzt auch gegen Juden und Menschenrechtler vor. Ein Bischofstreffen, an dem auch SEK-Präsident Gottfried Locher teilnahm, setzte in Kairo Zeichen der Solidarität.
Koptische Kirche in Kairo

«Bewegende Zeugnisse von ägyptische Christen mit einer ungewissen Zukunft begleiten mich zurück in eine Schweizer Kirchenlandschaft, deren Probleme ganz anders sind, aber vielleicht nicht kleiner.», funkte SEK-Präsident Gottfried Locher in der Nacht auf Donnerstag vom Rückflug aus Kairo. Dort haben 40 Kirchenleiter aus aller Welt miteiannder gebetet und gesprochen», Zeichen der Solidarität mit Ägyptens bedrängten christlichen Kopten gesetzt. 

Druck auf Christen

Der koptische Übergangspatriarch Pachomios informierte am Mittwochabend Locher und die mit ihm angereisten evangelischen bzw. katholischen Bischöfe über die Not seiner Kirche. Seit Beginn der Re-Islamisierung Ägyptens unter Präsident Sadat ab 1972 werden die heute gut zwölf Millionen Christen am Nil schikaniert, diskriminiert und immer wieder offen verfolgt. Mit der Machtergreifung der Muslim-Bruderschaft im Zug der ägyptischen Revolution 2011/12 verstärkt sich der Druck auf die Kopten bedrohlich.

Druck auf Juden

Gleichzeitig geht das neue islamistische Regime gegen die letzten Juden Ägyptens vor. Ihnen wurde eben verboten, in ihren zwei übrig gebliebenen Synagogen am 16. September das jüdische Neujahr Rosch Haschanah zu feiern. Bisher hatten nicht einmal deklarierte Juden-Feinde wie Präsident Nasser deren religiöses Leben beeinträchtigt, Selbst während der Kriege Ägyptens mit Israel nicht!

Auch der ägyptische Menschenrechts-Rat wird jetzt mit einem Muslim-Bruder als neuem Vorsitzenden an die kurze Leine von Präsident Muhammad Mursi genommen. Damit nicht genug: Mursi wechselte Mitte der Woche zehn Gouverneure aus. Die sind in ihren Provinzen genauso allmächtig wie der Präsident über ganz Ägypten. Drei der neuen Statthalter kommen aus dem Obersten Führungsrat der Muslim-Bruderschaft. Neu ernannt wurden nicht nur die Gouverneure von Kairo und Alexandria, sondern besonders im noch knapp mehrheitlich christlichen Oberägypten.

«Ichwanisierung»

Der ägyptische Volksmund hat für diese Entwicklung schon ein Schlagwort geprägt: «Ichwanisierung», vom arabischen «Ichwan» für die Muslim-Brüder. Diese Durchdringung des gesamten öffentlichen Lebens mit den Exponenten und der Ideologie des politischen Islams wird dadurch erleichtert, dass nach dem Sturz von Mubarak in Kairo dessen diktatorische Machtapparat intakt geblieben ist: Präsident Mursi kann so gut wie alles einfach dekretieren, ohne unter der geringsten demokratischen Kontrolle zu stehen!

Artikel zum Thema:
Für die Kopten wird es immer enger
Ägypten wird zum Staat der Muslim-Brüder
Keine Christen in der neuen Regierung

Datum: 06.09.2012
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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