Menschenveredelung ohne Züchtung

Peter Sloterdijk

Begonnen hat es mit einem Vortrag des Philosophen Peter Sloterdijk im bayerischen Schloß Elmau: Der Humanismus habe versucht, durch Bildung und Lektüre den Menschen aus der Barbarei herauszuholen, das Bestialische mit seinen Enthemmungsneigungen in ihm zu zähmen. Diese Versuche seien gescheitert, die Epoche des Humanismus sei unwiderruflich abgelaufen. Gleichwohl bleibt es bei der Epochenfrage: Wie kann eine Zähmung des Menschen gegen alle Bestialisierungstendenzen gelingen? Wie wollen wir uns der "Züchtung" des Menschen als Aufgabe der Zukunft stellen?

Die Notwendigkeit dazu sei immer wieder erkannt worden, beim griechischen Philosophen Platon, später bei Humanisten, Priestern und Philosophen, die an der Veredelung des Menschen arbeiten wollten. So Sloterdijk. Die Deutung aller Bildungsbemühungen als Züchtung und Selektion, bringt er mit der Frage der sich abzeichnenden Perspektive der gentechnischen Manipulation und Gestaltung des Menschen der Zukunft zusammen. Er wirbt dafür, die Aufgabe einer solchen "Anthropotechnik" ohne Panik anzupacken. Welche Regeln im Menschenpark gelten sollen, erfährt man zunächst nicht. Die Debatte kam ins Rollen, nachdem einige Thesen Sloterdijks als faschistoide Tendenzen scharf attackiert worden waren. Sloterdijk erklärte daraufhin das ständige Alarmschlagen (Alarmismus) zu einem deutschen Grundproblem.

Aus christlicher Sicht scheint mir zur Debatte bemerkenswert: Anstoß erregte Sloterdijk, als er vom Menschen mit einer Begrifflichkeit sprach, die wir auf Tiere beziehen: Züchtung, Selektion, Domestikation, Menschenpark, etc. Vielfach wird die Sprache Nietzsches aufgenommen. Vor allem aber greift Sloterdijk damit nur auf, was als evolutionäre Deutung des Menschen heute oft als Selbstverständlichkeit hingestellt wird. Das hat ihm Schelte eingetragen, bis zum unvermeidlichen Faschismusvorwurf. Man kann jedoch nicht an Sloterdijk Kritik üben, ohne zugleich das weit verbreitete evolutionäre Menschenbild als Grundproblem zu betrachten.

Vielleicht ist es ein heilsames Erschrecken darüber, daß ein Menschenbild, in dem der Mensch nicht mehr wesentlich vom Tier unterschieden wird, auf die Abschaffung des Menschen hinausläuft. Bedenkenswert ist die Bilanz, die Sloterdijk zieht. Welche Träume waren zur letzten Jahrhundertwende noch im Schwange? Der Traum vom humanen Menschen, der durch Wissenschaft alle Welträtsel zu lösen vermag, sich durch Moral und Kultur vervollkommnet. Der Traum vom arischen Menschen, der durch rassische Veredelung sich zum Herren-und Übermenschen emporarbeitet. Der Traum vom klassenlosen Menschen, der in internationaler Solidarität ein Reich der Freiheit und der Gleichheit errichtet. Nach zwei Weltkriegen, den Leichenbergen von Totalitarismus und Kommunismus, sind diese Träume hinfällig.

Die Hoffnung, die Gentechnik zu einem Mittel der Menschenveredelung zu machen, scheint naiv. Der Glaube antwortet auf die Frage nach dem neuen Menschen mit dem Namen Jesus Christus. Hier ist der neue Mensch. Auf diesen Weg komme ich nicht durch Züchtung, sondern durch Wiedergeburt und Bekehrung (2. Kor. 5,17).

Datum: 26.03.2002
Quelle: idea Deutschland

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