Perspektive für Flüchtlinge

«Aufstehen für ein neues Wir!»

«Wir schaffen das!», propagierte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. «Wir haben keinen Platz für euch, ihr seid hier nicht willkommen!», skandierte eine Menschenmenge vor Geflüchteten. Auch über ein Jahr nach der Flüchtlingswelle gehen die Emotionen noch hoch. Der Pfarrer und Autor Burkhard Hose plädiert für Nächstenliebe und Zivilcourage, die uns allerdings etwas kosten werden.
Aufstehen für ein neues Wir!
Pfarrer und Autor Burhard Hose mit Claudia Roth, der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und ehemalige Bundesvorsitzenden der Partei Bündnis 90/Die Grünen.
Aufstehen für ein neues Wir!

Die Diskussion rund um eine Willkommens- oder Abschottungspolitik ist längst im Buchmarkt angekommen. Neben zahlreichen differenzierten und sachlichen Informationen boomen in erster Linie Verschwörungstheorien und Krisenszenarien wie im rechtspopulistischen «Grenzenlos kriminell». In diese Situation hinein veröffentlicht der Würzburger Studentenpfarrer Burkhard Hose (49) sein Buch «Aufstehen für ein neues Wir!». Er betont darin: «Es braucht mehr Menschen, die mitten im Dunkel ein Licht in den Händen halten, anstatt Schwarzmaler, die die Dunkelheit suchen.»

Persönlich

Burkhard Hose ist kein friedensbewegter Theoretiker. Seit 30 Jahren setzt sich der Geistliche für Geflüchtete, Asylbewerber und Randgruppen ein. Und man spürt seinem Buch ab, dass hier jemand um den richtigen Weg ringt. Um den Weg, den auch Jesus gehen würde. Dazu gehören auf der einen Seite sachliche Hintergrundinformationen. Auf der anderen Seite aber immer wieder die konkreten und persönlichen Begegnungen mit Menschen.

Hose erzählt von Bekannten, die sich als Christen den Pegida-Demonstrationen anschliessen. Er leidet mit, wenn deren Engagement für christliche Werte sich plötzlich in einer Diskussion um «Leitkultur» erschöpft und kein Platz mehr für das Nachdenken über Nächstenliebe bleibt. Er erlebt die eigene Sprach- und Mutlosigkeit. Und er freut sich an Menschen, die manchmal ohne grosse Worte die richtigen Worte finden. Wie bei der älteren Frau, die in einer hitzigen Podiumsdiskussion über die Unterbringung von Flüchtlingen im Ort ans Saalmikrofon ging und einfach erzählte: «Meine Mama hat mir früher mal erzählt, dass in dem Haus schon oft Flüchtlinge gewohnt haben. Das wäre jetzt nicht das erste Mal für das Haus. Leute, wenn das Haus das schafft, dann schaffen wir das auch!» Das berührt ihn. Und auf genau dieser persönlichen Ebene berührt Burkhard Hose auch seine Leserinnen und Leser. Immer wieder stellt er klar: «Was für mich zählt, ist der Mensch!»

Blauäugig?

Wer so wie Hose über die Flüchtlingsfrage redet oder schreibt, handelt sich schnell den Vorwurf ein, nicht kritisch genug zu sein, blauäugig, ein «Gutmensch» eben. Doch der Studentenpfarrer ist kein Traumtänzer. Das hindert ihn jedoch nicht daran, immer wieder herkömmliche Denkmuster zu durchbrechen – bei sich und anderen –, um Fremde als das zu sehen, was sie sind: Menschen, die Gott liebt. Mit all ihren Stärken und Schwächen, liebenswerten und problematischen Eigenschaften. Und bei seinem Einsatz für ein neues Wir merkt er manches Mal Gottes Humor. Bei einer Bürgerversammlung auf dem Dorf wurde über die Zukunft von drei Flüchtlingsfamilien diskutiert. Ein alteingesessener Franke meldete sich zu Wort und forderte: «Ich will nicht, dass die wegmüssen, ich will nämlich nicht, dass da Fremde hinkommen.» Die scheinbar Fremden waren längst seine Nachbarn geworden, waren ihm vertraut. Und obwohl die Frauen Kopftücher trugen, waren sie für ihn nicht mehr fremd oder bedrohlich. Es ist nicht blauäugig, wenn man damit rechnet, dass aus Fremden Nachbarn oder sogar Freunde werden können.

Teilbar

Bei allen positiven Beispielen und Geschichten im Buch macht der Autor eines deutlich: Ein neues Wir wird uns als Gesellschaft etwas kosten. Doch das Teilen von Geld und Gütern, das Reden über Religion und Werte hat laut Hose sehr konkrete Nebenwirkungen: «Ihr helft uns, wieder unsere christliche Identität zu entdecken, indem wir euch helfen, hier anzukommen.» Der Pfarrer sieht und beschreibt die gegenwärtige Krise denn auch nicht als Flüchtlingskrise, sondern als Wertekrise. Als eine Situation, die uns gerade als Christen herausfordert, zu unseren Glaubenswurzeln zurückzufinden und Liebe zu leben. Burkhard Hose unterstreicht: «Die Offenheit für Beziehungen ist ein Reichtum in unserem Land! Wer sich mit Menschen vertraut macht, der fragt sich irgendwann nicht mehr, ob wir es schaffen, sondern sucht nach Wegen, wie wir es schaffen, gut miteinander zu leben.»

Die Forderung nach einem Aufstand der Anständigen ist im besten Sinne lesenswert, ermutigend und notwendig.

Zum Buch: Burkhard Hose: Aufstehen für ein neues Wir! Adeo Verlag, Asslar 2016, ISBN 978-3-86334-124-4. 14,99 EUR / SFR 22,50

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Dossier Migration

Datum: 08.11.2016
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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