Viele Missverständnisse lassen sich vermeiden

Mit dem Missverstehen beginnt es ja bereits da, wo wir meinen, unser Gegenüber sicher zu verstehen oder uns klar ausgedrückt zu haben. Unausgesprochene Erwartungen, Meinungen, Gedanken, machen einen viel grösseren Teil unserer Kommunikation aus, als das, was wir mit Worten sagen. Was wir aussprechen, ist nur die Spitze des Eisberges. Die unausgesprochenen Dinge (90 Prozent des Eisberges!) prägen aber den Inhalt der Botschaft entscheidend mit. Oft entstehen Missverständnisse bei und nach den Gesprächen.

Woher kommen Missverständnisse?

Ich höre die Botschaft, aber ich verstehe nicht, was der Absender wirklich gemeint hat: "Ist Herr Meier heute nicht da?" kann bedeuten: "Ist Herr Meier da oder nicht?" (als sachdienliche Information) oder: "Ich hoffe bloss, dass er nicht da ist!" (sagt mehr über die Beziehung zu ihm aus) oder: "Es darf doch wohl nicht wahr sein, dass Herrn Meier nicht da ist!" (als Vorwurf oder Appell, hinter dem zum Beispiel der Gedanke steht, dass man strengere Saiten aufziehen und zum Rechten sehen müsste.).

In der Kommunikationslehre spricht man von Sender und Empfänger. Der Sender verpackt die Botschaft in einen hörbaren, gesprochenen Teil und in einen nicht hörbaren, unausgesprochenen Teil, der durch Tonfall, Verhalten und Gestik interpretierbar wird. Der Empfänger entschlüsselt die Botschaft entsprechend dem, was er das Gefühl hat, dass sie eigentlich bedeutet. Hinzu kommt, dass sich Kommunikation oft nicht auf kurze Äusserungen beschränkt. Eine Botschaft baut auf der anderen auf. Umso verheerender können sich da Missverständnisse auswirken, die schon beim Gesprächsbeginn entstehen und nicht geklärt werden.

Wie Missverständnisse entstehen

Aber auch bei kurzen Begegnungen kann viel "ablaufen". Da komme ich zum Beispiel früher zu einem Treffen mit verschiedenen Personen (Sitzung, Gottesdienst, Bibelstunde, Feier) und unterhalte mich mit den ersten Gästen und neue Gäste treffen ein. Die einen umarmen sich, andere schütteln lange die Hände, einige sehen sich in die Augen oder vermeiden dies, schauen beim Begrüssen schnell weg. Die Art, wie die Begrüssung stattfindet, spricht Bände.

Missverständnisse entstehen auf zwei Ebenen:

a) Da, wo ich als Empfänger nicht bereit bin, auf den anderen einzugehen und mir nicht wirklich Mühe gebe, ihn zu verstehen, wo ich immer von mir ausgehe, gar nicht richtig zuhöre und alles nach meinen Wertmassstäben beurteile. Auch unter Gläubigen ist die Haltung des "Besserwissens" nicht selten anzutreffen. Wir gehen oft gar nicht auf den anderen ein und haben immer gleich einen guten Ratschlag bereit.

b) Da, wo ich falsche Signale sende, zu zurückhaltend bin, mich nicht bemühe, den unter der Wasseroberfläche verborgenen Teil des Eisberges sichtbar zu machen. Sichtbar wird er dadurch, dass wir Gefühle, Gedanken und Erwartungen aussprechen, beziehungsweise unmissverständlich zeigen.

Beziehungen prägen die Kommunikation

Ob wir uns gut verstehen oder in einen Konflikt hineingeraten, hängt davon ab, wieweit wir uns aufeinander einlassen, unsere Andersartigkeit respektieren und einander wirklich ernst nehmen. Jeder muss sich die Frage stellen: Will ich verstehen; selbst wenn es für mich schmerzlich sein könnte? Will ich hören, auch wenn ein negatives Verhalten von mir aufgedeckt wird und Anlass des Gespräches ist, wenn ich den Anderen verletzt und verärgert habe?

Solange unsere Vorurteile und Meinungen über andere Personen der allein gültige Massstab für uns sind, verbauen wir uns den Weg zueinander. Dann bemühe ich mich auch nicht, den andern zu verstehen.

In der Beratung begegnen mir oft Menschen, die sich selbstsicher geben und immer sehr genau wissen, wie eine ihnen unangenehme Person ist, denkt, handelt, und dementsprechend pflegen oder meiden sie die Beziehung zu dieser Person. Bei näherem Hinsehen und nach langen Gesprächen kam es schon oft zu einem "Aha-Effekt" und zur Einsicht, dass der andere ganz andere Absichten und Gedanken hatte.

Rückfragen statt rätseln

Wenn wir uns auf andere Menschen einlassen, können wir unser Verständnis fördern, indem wir den unteren Teil des Eisberges nicht nur vermuten, sondern Fragen dazu stellen. Zum Beispiel: "Vermute ich richtig, dass du mir das und das sagen wolltest oder so und so fühlst?", oder: "Wie hast du das gemeint? ", oder: "Wie kommst du auf diese Frage?", oder: "Was stört dich daran?", oder: "Denkst du, wir sollten….?"

Dort, wo wir bloss rätseln und vermuten, was unser Gegenüber denkt, oder wieso auf eine bestimmte Weise handelt, entstehen notgedrungen Konflikte.

Was auch Christen lernen sollten

An diese Aspekte der Kommunikation wird oft nicht gedacht, gerade auch bei der Vermittlung des Evangeliums. Hier gehen wir so selbstverständlich von uns aus und meinen zu wissen, was andere brauchen, denken, fühlen. Mitunter überfahren wir sie mit Wertvorstellungen, die uns logisch und wichtig scheinen. Von daher rührt das zum Teil negative Image der Christen.

Ein konfliktfreies Leben gibt es allerdings auch für Christen nicht! Nur lassen sich viele Konflikte vermeiden und im Keime ersticken, wenn wir versuchen, andere zu verstehen; die Situation nicht nur durch unsere eigene Brille zu betrachten und das Wagnis eingehen, einen Schritt mehr auf den anderen zuzugehen.

Datum: 24.06.2010
Autor: Hans-Peter Lächler
Quelle: Chrischona Magazin

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