Sunnebad

Die stille Tankstelle im Zürcher Oberland

Manche Menschen kommen hier müde und wie ausgetrocknete Schwämme an. Nach ein paar Tagen reisen sie gestärkt, gerüstet und gesegnet wieder ab. Und dies seit 25 Jahren. Eine Begegnung im «Sunnebad», dem Haus der Stille und Einkehr.
Sunnebad
Das Labyrinth im Garten vom Sunnebad

Es ist kein Wellnesshotel, es hat weder ein türkisches Dampfbad noch eine Kräutersauna, kein Arzt berät hier und keine Gesichtsmasken werden verpasst. Vielmehr fallen hier die Masken. Ich wette, dass der Erholungswert anhaltender ist als der einer Woche Wellness! Ich lade Sie ein zu einem Rundgang durchs «Sunnebad», einem Gästehaus des Chrischona-Werkes.

Der Weg ist schmal

An einem Sonntagmorgen Ende Januar fahren wir nach Sternenberg, der höchst gelegenen Gemeinde im Kanton Zürich, 885 Meter über dem Meer. Die Strasse ist steil, und Schneegestöber empfängt uns in den lieblichen Hügeln des Zürcher Oberlandes. Knapp, aber nicht zu spät kommen wir im «Sunnebad» an. Eigentlich typisch: Menschen kommen aus der Hektik des Unterlandes und finden hier eine Oase. Das grosse alte Fachwerkhaus steht einsam auf einer Hügelkuppe. Der Zufahrtsweg ist schmal, zwei Autos können sich nicht kreuzen. Mir geht durch den Kopf: «Der Weg ist schmal, der zum Leben führt...» Für die herrliche Aussicht haben wir keine Augen, denn wir werden erwartet.

Gestärkt ins neue Jahr

Minuten später sitzen wir im Gottesdienst. Die anwesenden Gäste sind Freunde des Hauses. Sie haben an diesem Tag eine besondere und schöne Aufgabe. Sie beginnen mit dem «Sunnebad»-Team das neue Arbeitsjahr und sind da, um die zwölf Mitarbeitenden persönlich zu stärken und zu segnen. Elisabeth Limbach und Susanna und Ernst Oppliger sind das Leitungstrio. Zusammen mit acht Mitarbeiterinnen und einem Koch führen sie das Haus der Stille und Einkehr. Was dieses Haus von einem Wellnesshotel unterscheidet, ist in Susanna Oppligers Predigt treffend zusammengefasst: «Wir wollen üben, auf Jesus zu vertrauen. Wir wollen nicht einfach nur positiv denken. Wir binden uns mit unserem Glauben an Jesus an, in Ängsten, Nöten, Sorgen und Freuden.»

Vielfältiges Angebot

Und mit diesen Ängsten, Sorgen und Freuden kommen die Gäste ins «Sunnebad». Das Jahresprogramm umfasst 62 Kurse oder Tagungen. Dazu kommen viele Belegungen durch externe Gruppen. Trotz lebhaftem Betrieb wirkt das Haus wohltuend still. Die Räume sind sorgfältig und stilvoll eingerichtet. Überall finden sich kleine Kunstwerke, an denen sich der Gast erfreuen kann, seien dies Tonfiguren oder Aquarelle von Susanna Oppliger oder geschmackvolle florale Gestecke von Sabine Degen.

Schweigen statt Massage

Exerzitien statt Whirlpool, Fasten statt Saunen, Schweigen statt Massage. Ein Teil der angebotenen Tagungen laden die Gäste bewusst zur Stille ein. Dazu meint Susanna Oppliger: «Oft kommen die Menschen hier ganz zerknittert an. Sie kommen mir wie vertrocknete Schwämme vor. Sie sind müde von der Hektik unserer Zeit, von den Anforderungen in Beruf, Beziehungen und Gemeinden. Sie suchen unser Haus auf, um sich zu erholen, aufzutanken und zurüsten zu lassen. Wir sind nicht im Trend, wir sind in gewissem Sinne im Antitrend.»

Auch ein Risiko

Immer wieder erleben sie es als Leiter des «Sunnebads»: Wer sich auf die Stille einlässt, geht auch ein Risiko ein. In sich hinein und auf Gott zu hören kann zu existenziellen Veränderungen führen. Deshalb bietet das Team auch Gesprächsmöglichkeiten an, nicht im Sinne von Therapie, sondern als Zuhörer und Gedankenbegleiter. «Schwachheit darf sein, darf man zulassen, muss nicht weggebetet werden. Wir möchten, dass ein heilender Umgang mit den Verletzungen und Problemen geschehen kann und möchten das Gute, Starke zum Wachsen bringen», so Susanna Oppliger.

Wandern statt Tae Bo, Töpfern statt Shiatsu, Seidenmalen statt Ayurasan. Nicht exotisch und nicht fernöstlich, einfach ganz gewöhnlich ist auch das übrige Programm des Hauses. Es finden sich kreative und aktive Angebote für Männer und Frauen.

Frei für eigene Formen

Bei Tisch sprechen wir mit dem Leitungstrio über den Frömmigkeitsstil, der im Hause gepflegt wird. Ernst Oppliger dazu: «Wir können hier einen ganz eigenen Stil leben. Wir stehen nicht unter dem Druck einer Gemeinde mit verschiedensten Wünschen. Unsere Anbetungszeiten sind geprägt von Liturgie und Freiheit, von Verweilen und Ruhen vor Gott. Wir glauben, dass weniger mehr ist. Wir scheuen uns nicht, bei wenig zu bleiben. Unser Ziel ist, in die Tiefe zu gehen.» Ein Gast schaltet sich ins Gespräch ein und erzählt, dass er anfänglich mit den Tageszeitgebeten etwas Mühe hatte (morgens, mittags und abends je 15 Minuten Liturgie in der hauseigenen Kapelle). Er habe aber bald gespürt, dass in diesen Texten und Liedern eine Ruhe und Geborgenheit, eine Möglichkeit zur Vertiefung und Anbetung enthalten sei, die er sonst nicht kenne, die er unterdessen als wohltuend erlebe.

Labyrinth und Kreuzweg

Im «Sunnebad» finden sich andere Erholoasen als in einem Wellnesshotel. Eine davon ist das Labyrinth im Garten. Es ist ein Meditationsort, der zum Kreuz Christi einlädt. Hier öffnen Gäste oft ihr Herz, lehnen am Kreuz an, verweilen, weinen. Beim Kreuz steht auch ein grosser Tontopf. Darin finden sich kleinste Papierschnitzel von Menschen, die ihre Lasten und Verletzungen aufgeschrieben und Jesus symbolisch übergeben haben, um befreit weiterzugehen. Weitere Meditationsorte bieten sich am Weg der Stille, der grossräumig auf dem schönen Gartengelände angelegt ist. Im Haus können die Kreuzwegbilder helfen, sich ins Leben Jesu zu vertiefen und zu begreifen, was er für die Menschheit getan hat.

Die Uhr im Speisesaal

Während dem Mittagessen entdecke ich im Speiseraum des Hauses eine alte Uhr. Sie tickt geduldig vor sich hin. Ihr ist es egal, wer hier ein und aus geht. Wie aber geht es dem Team, wenn es dauernd Menschen stärken und unterstützen muss? Wo ist seine Tankstelle? Ist das keine Überforderung, immer mit müden Christen und erwartungsvollen Feriengästen zu tun zu haben? Susanna Oppliger meint: «Für uns ist es das Schönste, wenn Menschen beim Abschied sagen, dass sie neu gestärkt in die Herausforderungen des Alltags zurückkehren.» Auftanken können sie alle zu Hause. Sowohl Oppligers wie auch Elisabeth Limbach wohnen nicht im «Sunnebad». Die räumliche Distanz zum Arbeitsort ist ihnen wichtig. Erholung bieten ihnen das Musizieren, Malen, Töpfern und Spielen.

Ideales Trio

Sie suchen auch für sich regelmässig Ruhe und Stille. Durch das, was sie im Haus mit den Gästen erleben, wächst bei ihnen die Verantwortung vor Gott. Sie bereiten sich auf alle Angebote seriös und mit Freude vor. Dass sie keine Gewöhnung und kein Ausgebranntsein empfinden, das könne nur der Heilige Geist wirken, betont Ernst Oppliger. Mir wird klar, dass das Leitungsteam ein ideales Trio ist. Ernst ist väterlich, ruhig, mit liebevollem Umgang, Susanna ist die Künstlerin mit feinem Gespür für die Menschen. Und Elisabeth bringt alles mit, was es für die Betriebsleitung und für die Mitarbeiter braucht.

Trainingsgemeinschaft

Alles tönt nach heiler Welt auf diesem Flecken Erde. Ist das auch so hinter den Kulissen? «Nein, wir sind ganz normale Menschen mit Stärken und Schwächen – gewissermassen eine Trainingsgemeinschaft», sagt Ernst Oppliger. «Hier üben wir das, was wir weitergeben. In der Leitung, im Team und jedes allein für sich. Es ist keine heile Welt, aber wir gehen aktiv mit unseren Schwächen um und arbeiten daran.»

Zum Abschied lassen wir den Blick übers weite Land schweifen. Hierher wollen wir zurückkommen, dann aber nicht zum Schreiben und Fotografieren, sondern um den Alltag loszulassen.

Datum: 18.05.2005
Autor: Esther Reutimann
Quelle: Chrischona Magazin

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