BESSER MIT GOTT

Wie Sie sich immer mehr zum Positiven entfalten können

Wer hat noch nicht versucht, etwas in seinem Leben zu ändern? Egal, ob wir früher aufstehen, uns gesünder ernähren oder das Lästern im Büro unterlassen wollen – zumindest insgeheim hat jeder Sehnsucht nach Veränderung. Nicht selten jedoch scheiterten unsere Bemühungen ebenso schnell wie die guten Vorsätze entstanden sind.
Boy
Besser mit Gott

Von Reinhold Ruthe

Unbefriedigende Lebenssituationen zu ändern oder alte Gewohnheiten aufzugeben fällt uns eben nicht leicht. Und ganz besonders schwer ist es, wenn Wunden der Vergangenheit uns blockieren. So schreibt der amerikanische Theologe und Psychologe Lawrence J. Crabb: „Kann eine Frau, die als Kind missbraucht wurde, wirklich ihre Sexualität geniessen? Können Menschen, die sich zu viele Sorgen um ihre Kinder oder das Geld machen, oder Paare, deren Ehe nicht aufregender ist als die x-te Wiederholung eines Fernsehkrimis, oder andere, die ständig schlechte Laune haben, sich wirklich ändern? Dabei kommt es auf das Wörtchen ,wirklich’ an. Nicht wenige stellen sich unter Veränderung eine fast vollständige, zumindest dramatische Wandlung vor – alles andere zählt bei ihnen nicht. Auch überzeugte Christen erwarten manchmal zu viel – oder genauer gesagt, sie erwarten eine Veränderung, die Gott nicht versprochen hat. Natürlich werden sie eines Tages ohne jeden Fehler und Makel sein – im Himmel. Aber zunächst müssen sie sich weiter mit diesen Problemen auseinandersetzen. Zum Leben in dieser Welt gehört ein Schmerz, den sie akzeptieren müssen.“

Veränderung ist ein Prozess

Wir Menschen verändern uns im Grunde dauernd – von der Geburt bis zum Tod. Das bedeutet auch, dass wir uns Zeit unseres Lebens mit Problemen, Krankheiten, Konflikten und seelischen Belastungen auseinander setzen müssen. Dieser Prozess beinhaltet einen Verlauf und eine Entwicklung. Crabb beschreibst dieses Geschehen so: „Ganz im Gegensatz zur Operation, bei der der Chirurg das befallene Gewebe entfernt und uns dann als geheilt entlässt, handelt es sich bei der Veränderung um einen Vorgang, der sich über ein ganzes Leben erstreckt. Es darf uns deshalb auch nicht verwundern, wenn wir (oder andere) bisweilen unreif (und sündig) reagieren. Allzu oft erwarten wir, dass ein dramatischer Augenblick uns ein für alle Mal verändert. Wenn wir dann wieder auf das übliche Mass an Ungeduld, Langeweile oder Rastlosigkeit zurücksinken, stellt sich schnell Ernüchterung ein.“¨

Eine Veränderung zu erfahren bedeutet demnach oft genug, sich auf einen langen Weg zu begeben. Gott möchte unsere tägliche Hingabe im Gebet. Er wünscht sich unsere Kooperation mit seinem Heiligen Geist in uns. Aber niemand wird dadurch ein perfekter, gut funktionierender und fehlerloser „Roboter“. Wir sind und bleiben Menschen. „Mensch“ heisst auf Griechisch anthropos. Wörtlich übersetzt bedeutet „anthropos “der „Nach-oben-Blickende“ – ein wunderschönes Bild für den Menschen, der seinen Kopf nicht hängen lässt, der nach oben schaut und eine enge Beziehung zum Himmel pflegt.

Die Bibel bezeichnet diesen Menschen als „neuen Menschen“. Jemanden, der sich als „alter Mensch“ mit seinen Gewohnheiten und unbefriedigenden Lebenssituationen hin zu Christus gewandt hat und von nun an Veränderung erlebt. Er kann mit Paulus bekennen: „Wer zu Christus gehört, ist ein neuer Mensch geworden. Was er früher war, ist vorbei; etwas ganz Neues hat begonnen. Das hat Gott getan“ (2. Korinther 5, 17–18).

Neuwerden ist ein Geschenk

Wie aber ist das Neuwerden zu verstehen? Wenn Gott Menschen verändert, verhält es sich so wie bei dem Gleichnis vom Hochzeitsfest (Matthäus 22,1–14). Der König lädt die Leute von der Strasse, Gute und Schlechte. Sie sind seine Gäste. Er ist der Gastgeber. Sie werden beschenkt. Sie bringen nichts mit, nur sich selbst. Der Eintritt in den Festsaal ist kostenlos. Der Eintritt in Gottes Reich ist ohne Bedingungen. Aber als sich der König die Gäste anschaut, entdeckt er, dass da ein Gast sitzt, der ohne ein festliches Gewand eingetreten ist.

Was verdeutlicht diese Geschichte? Es war damals im Orient üblich, dass Könige den geladenen Gästen die Festgewänder schenkten. Der König sieht nun jemanden, der mit seinem eigenen Gewand, mit seiner eigenen Strassenkleidung dasitzt. Der König wirft ihn hinaus. Warum? – Weil er sich nicht beschenken liess. Er wollte so, wie er war – mit seinen selbst verdienten Kleidern – an der Festtafel sitzen.

Paulus verdeutlicht das Wesentliche über den neuen Menschen im Korintherbrief: „Was er früher war, ist vorbei.“ Die Vergangenheit ist bedeutungslos geworden. Heisst das, dass auch meine Erbanlagen, meine Erziehung, meine Sozialisation völlig bedeutungslos geworden sind? Ausradiert, ganz ohne Wirkung? Das ist sicher nicht gemeint. Die Vergangenheit reicht in unsere Gegenwart. Unsere Ursprungsfamilie beeinflusst unsere heutige Persönlichkeit. Eintrainierte Verhaltensweisen sitzen tief. Vorurteile prägen unsere Gegenwart. Aber: In Christus bin ich ein neuer Mensch. Christus ist mein Schmuck und Ehrenkleid. Und ich darf mich immer mehr verändern in das Bild, das er schon von mir hat. Nur wenn wir Jesus zu unserem Leben Zutritt verschaffen, vollzieht sich in uns dieses Neue. Die Veränderung passiert dann an uns. Und dies geschieht durch die Gnade Gottes, durch den Glauben an Christus – nicht durch unser eigenmächtiges, krampfhaftes Bemühen.

Mensch bleiben

Es gibt aber auch Menschen, die zum Glauben kommen und sich nicht nur positiv verändern. Sie kehren ihr Christsein aufgesetzt heraus und verlieren ihre Menschlichkeit. Sie verwandeln sich in unangenehme Pharisäer. Sie rümpfen ihre Nase, ihre Kritik verdreifacht sich, ihre lockere Art ist einem bedrückenden Ernst gewichen. So hat sich schon einst der Philosoph Friedrich Nietzsche über die zwanghafte und unnatürliche Art mancher Christen beschwert: „Die Christen müssten erlöster aussehen, wenn ich an ihren Erlöser glauben soll.“ Der neue Mensch muss weder eine gekünstelte Fröhlichkeit noch einen verkrampften Ernst an den Tag legen. Wer im Tiefsten verändert ist, lebt aus sich heraus verändert.

Authentisch leben

Dieser Gedanke hängt eng mit dem Vorhergehenden zusammen. Das Wort „authentisch“ ist aus der griechischen Sprache abgeleitet und heisst so viel wie „echt, zuverlässig, verbürgt, glaubwürdig.“ Für Christen sollten diese Eigenschaften selbstverständlich sein – sie sind ihr Markenzeichen. Der neue Mensch ist authentisch. Er muss nicht überspielen, er traut sich etwas zu, er weiss sich wertgeachtet, er sagt Ja zu sich, weil Christus zu ihm Ja gesagt hat.

Wer über einen Menschen denkt, er sei authentisch, stellt ihm das höchste Lob aus. Dieser Mensch übertreibt und untertreibt nicht. Er darf sein, wie er ist. Sein verbales und sein nonverbales Verhalten stimmen überein.

Niemandem wird das tagtäglich gelingen. Aber je mehr Christus in uns Gestalt gewinnt, fallen die unechten, aufgesetzten Züge von uns ab. Wir müssen nicht mehr etwas spielen, was wir nicht sind. Der neue Mensch kann sagen: „So, wie ich bin, bin ich gut genug.“ Sein Anspruch, sein Ehrgeiz, sein Fleiss und seine Zuverlässigkeit werden nicht eingesetzt, um andere zu überflügeln, um moralisch und geistlich den Mitmenschen zu überholen. Der neue Mensch setzt seine Gaben ein, die Gott ihm anvertraut hat. Er will damit nicht glänzen noch sich über andere erheben. Er gibt sein Bestes, ohne sich mit anderen zu vergleichen.

Der Satz, der den neuen Menschen charakterisiert, lautet: So, wie ich bin, bin ich gut genug. – Nicht gut an sich – Gott allein ist gut –, aber gut genug. Er stellt fest: Ich reiche aus und brauche keine selbst auferlegten Klimmzüge zu machen. Warum ist das so?

- Weil Gott in Christus Ja zu ihm gesagt hat.
- Weil Gott ihn gerechtfertigt hat.
- Weil Gott ihn so recht sein lässt.

Das schafft Befreiung an Geist, Leib und Seele. Das macht gelassen. Und es macht beschwerdefrei: Ich bin einverstanden mit mir – wie ich bin. Weil ich jetzt fehlerfrei bin? Nein, weil Gott mich so akzeptiert, wie ich bin mit meinen Eigenarten, Fehlern und Schwächen, mit meine Begabungen, Grenzen und Begrenzungen. Er hat mich aus reiner Gnade in einen neuen himmlischen Stand versetzt. Diese Gewissheit nimmt Spannungen und Hektik aus meinem Leben. Ich kann und darf locker lassen.

Nobody is perfect

Die Forderung nach Vollkommenheit macht jedoch vielen Christen grosse Schwierigkeiten. Sie verwechseln häufig Vollkommenheit mit Perfektionismus, mit Fehlerlosigkeit und weisen dabei auf Jesu Bergpredigt hin, in der er seinen Jüngern sagt: „Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“(Matthäus 5,48). Aber das griechische Wort, das „vollkommen“ bedeutet, beschreibt nicht eine Makel- und Fehlerlosigkeit. Gemeint ist, man solle reif und vollendet sein. Wenn Jesus seinen Anhängern gebietet, sie sollen „vollendet“ sein, dann würde das in der heutigen Sprache vielleicht so klingen: Werdet reif, werdet so, wie Gott euch geplant hat. Zumal der Text im Matthäus-Evangelium Bezug auf den vorhergehenden Kontext nimmt. Die Jünger sollen dahin kommen, auch die Feinde zu lieben. Sie sollen ebenso menschlich offen, so natürlich heiter, so warm und freundlich sein zu den Bösen wie zu den Guten.

Professor Helmut Thielicke, der als Theologe viele Jahre in Hamburg wirkte, sagte einmal in einer Predigt: „Wer aus eigener Kraft Vollkommenheit anstrebt, ist biblisch-theologisch vollkommen im Irrtum.“ Vollkommenheit meint also: ungeteilt zu sein und ganz Gott zu gehören. Es passt nicht zueinander Geld und Karriere zum Mittelpunkt des Lebens zu machen und nebenbei ein bisschen fromm zu sein. Oder in erster Linie nach Selbstverwirklichung zu streben und die Beschäftigung mit Gott wie eine schöne Dekoration zu betrachten.

„Christsein ist ein Werden und kein Gewordensein“, sagte bereits Martin Luther. Das heisst wir sind und bleiben unvollkommen. Aber: Christus ist unsere Vollkommenheit. In ihm sind wir neue Menschen. Wir sind nicht mehr die Alten.

Datum: 11.11.2005
Quelle: Neues Leben

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