Wie weit darf die Satire gehen?

Satire: Nicht nur mit dem Hammer draufschlagen.

Christlich-jüdisches Podiumsgespräch zum Thema "Religion und Satire". Die Satire muss ihren festen Platz in der Gesellschaft haben und soll auch die Religion nicht von ihrer Kritik ausnehmen. Die Satire muss aber auch Grenzen einhalten.

Dies waren die übereinstimmenden Meinungen an einer Podiumsdiskussion zum Thema "Religion und Satire" in Basel. Organisiert wurde das Gespräch von verschiedenen christlich-jüdischen Organisationen.

Auf dem Podium Platz genommen hatten drei Vertreter des Basler Fasnachtskomitees. Dieses ist für die Durchführung der weltberühmten Fasnacht in der Stadt am Rheinknie verantwortlich. Dem Komitee obliegt auch die Kontrolle über die Verse, die als Schnitzelbänke, Laternensprüche oder Langgedichte auf Zetteln zum Besten gegeben werden. In diesen Versen werden Politik, Gesellschaft und auch die Religionsgemeinschaften verulkt.

"Kinderschlächter"

Böses Blut gab es im Jahr 2003, als eine Fasnachtsgruppe (Clique) auf ihrer Laterne einen Vers auf den Reim "Kinderschlächter" und "schächten" malte. Das Fasnachtskomitee nahm die Proteste jüdischer Organisationen ernst und suchte mit der Clique das Gespräch, führte der Obmann (Präsident) des Basler Fasnachtskomitees, Felix Rudolf von Rohr, am Podiumsgespräch in der Karwoche in Basel aus. Der Katholik in der Gesprächsrunde betonte, es sei notwendig, dass auch eine Religionsgemeinschaft "verulkt" werden dürfe. Auch sie habe es zuweilen nötig, mit den Augen eines "Hofnarren" betrachtet zu werden.

Florence Develey, Pfarrerin in Reinach, ist als Komiteemitglied im Zusammenhang mit der Fasnacht für ethische Fragen zuständig. Sie warnt davor, sich leichtfertig über eine Religion zu äussern. Vielmehr sei es nötig, dass man sich sehr gut über den Gegenstand der Kritik informiere, bevor man seinen Reim darauf mache. "Institutionelle Macht", wie sie in der römisch-katholischen Kirche und im Islam sichtbar sei, dürfe mit Recht Inhalt der Satire sein - "besonders wenn es eine mächtige Religion ist". Und Obmann von Rohr ergänzte, Satire dürfe sich durchaus über ein "Kollektiv" und ihre Spitzenrepräsentanten, im Fall der katholischen Kirche über die Bischöfe, auslassen.

"Ihren Ort und ihre Zeit"

Grösstmögliche Freiheit für die Satire forderte das dritte anwesende Komiteemitglied, Andreas Guth, ein. Aber, und diesem "aber" mass der Jude Guth grosse Wichtigkeit zu, Satire habe "ihren Ort und ihre Zeit". Die spitzen Sprüche, die an der Fasnacht zum Besten gegeben würden und dort als literarische Gattung zum Tragen kommen, hätten ausserhalb der Fasnachtszeit nicht zu suchen. Während der Fasnacht gälten andere Massstäbe als ausserhalb dieser Auszeit.

Guth rief zudem zum sorgfältigen Umgang mit den Stoffen auf. Antisemitismus gehöre nicht in die Satire. Gesprächsleiter Nico Rubeli, evangelischer Pfarrer sowie Projekt- und Studienleiter beim partnerschaftlichen Netzwerk von Juden und Christen in der Nordwestschweiz "Christlich-Jüdische Projekte", ergänzte, auch Sexismus habe in der Satire nichts zu suchen.

Klischees vermeiden

Wer Satiren schreibe oder mit verwandten Kunstformen wie Karikaturen arbeite, müsse sich vor "Klischees" hüten. Beim angeführten Beispiel über das "Schächten" habe sich die Clique durch das alt hergebrachte Klischee des Juden als Kindermörder zu einem unangebrachten Spruch verleiten lassen. Wo ist die Grenze, welche die Satire nicht überschreiten darf? Florence Develey dazu: "Alles ist tolerierbar, solange man spürt, dass eine echte Auseinandersetzung mit dem Thema stattgefunden hat." Wenn man ein Klischee unüberprüft übernehme, könne keine Rede von einer "echten Auseinandersetzung" sein.

Die Kunstform respektieren

Herbert Wohlmann, Mitglied des Vorstandes der Christlich Jüdischen Arbeitsgemeinschaft beider Basel und an der Podiumsdiskussion ebenfalls Gesprächsleiter, mahnte die Qualität der Arbeit an. Es gehe nicht an, einen plumpen Kalauer zur "Satire" zu erheben. Komitee-Obmann von Rohr führte den Gedanken weiter: Satire stelle einen Sachverhalt nicht eins zu eins dar. Diese Kunstform lebe vielmehr von ihrer Doppelbödigkeit.

Toleranz forderte Andreas Guth. Die heutige Gesellschaft ist seiner Ansicht nach viel zu empfindlich. Wahrheit, die in Form der Satire daherkomme, dürfe nicht zurückgewiesen werden. Pfarrerin Florence Develey liess die Forderung in dieser Ausschliesslichkeit nicht gelten. Für die Politik könne die Aussage Gültigkeit haben. Aber Religion sei "unvertretbar persönlich" und für die Menschen von existentieller Bedeutung. Religion gehe im Menschen "eine Schicht tiefer als andere". Satire, auf Religion angewandt, benötige darum ein entsprechendes Fingerspitzengefühl.

Datum: 07.04.2005
Quelle: Kipa

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