Autor und Vordenker Timothy Keller

Der «C.S. Lewis des 21. Jahrhunderts» geht in den Ruhestand

Tim Keller (66), Gründungspastor der Redeemer Presbyterian Church in New York, hat angekündigt, seine Arbeit dort zum 1. Juli zu beenden. Der «C.S. Lewis des 21. Jahrhunderts» ist weltweit bekannt als Redner und Autor. Er gilt als Vordenker eines zeitgenössischen, urbanen Christentums konservativer Prägung.
Tim Keller

Dass Pastoren von Megagemeinden diesen den Rücken kehren oder andersherum die Gemeinden ihren bisherigen Leitern den Stuhl vor die Tür stellen, kommt immer wieder vor. Bei Timothy Keller liegen die Dinge anders. Er hat diesen Abgang seit 1997 mit seiner Gemeinde vorbereitet und setzt ihn jetzt um.

Ein Pastor mit Profil

Tim Keller ist ein Pastor, der in keine Schublade passt, was schon daran deutlich wird, dass er zwar wertkonservativ lehrt, gleichzeitig aber einen guten Draht zu New Yorks Intellektuellen und Yuppies hat. Wichtige Themen sind für ihn ein Evangelium der Gnade, ein vernünftiger Glaube, der sich diskutieren und begründen lässt, soziale Gerechtigkeit als Auftrag für Politik und Kirche und natürlich Gemeindebau in grossstädtischem Umfeld. In letzterem Bereich gilt Keller schon heute als Pionier, der besonders jungen und gut ausgebildeten Leuten den Zugang zum christlichen Glauben geebnet hat. Seine Bücher sind (in den USA) regelmässig auf den Bestsellerlisten. Sein theologischer Einfluss – besonders auf christliche Leiter – ist enorm. Und dabei spielt die theologische Herkunft kaum eine Rolle.

Bei diesem breiten Themenspektrum überrascht es nicht, dass Keller für sich das Etikett «evangelikal» wegen dessen politischer und fundamentalistischer Bedeutung vehement ablehnt. Der Theologe versteht sich eher als «orthodox», weil er an einer persönlichen Entscheidung für den Glauben bzw. einer Wiedergeburt genauso festhält wie an der Autorität der Bibel.

Eine Gemeinde mit Strahlkraft

1989 gründete Tim Keller die «Redeemer Church» in Manhattan. Anfänglich besuchten nur eine Handvoll Personen die Gottesdienste. Inzwischen zählt Redeemer zu den Megagemeinden. Um die 5'000 Gläubige treffen sich heute in mehreren Sonntagsgottesdiensten. Die Gemeinde hat darüber hinaus 80 Gemeindegründungsprojekte in New York City unterstützt und in 54 Ländern der Erde weitere 381 Neugemeinden in Grossstädten auf den Weg gebracht. Sie beeinflusst also direkt oder indirekt Zehntausende. Das Markenzeichen der Redeemer Gemeinde in New York ist dabei unverändert: «Skeptiker willkommen!» Weil diese Rechnung aufging, nannte das New York Magazine Keller einmal «den erfolgreichsten Evangelisten der Stadt».

In diesem Zusammenhang ist der Rückzug Kellers natürlich spannend. Wie wird die Gemeinde und wie wird ihr Umfeld darauf reagieren, dass sich «das Gesicht von Redeemer» zurückzieht? Die Pläne hören sich hoffnungsvoll an: Es gibt keine Vision für das Erhalten der Megagemeinde. Stattdessen sollen die drei New Yorker Hauptgemeinden eigenständig werden. Keller und seinen Mitverantwortlichen geht es mehr darum, Menschen zu erreichen, als sie in einem Saal zu versammeln.

Ein Rückzug auf Raten

Und was wird der Pastor nach seiner Pensionierung tun? Seine Frau vermeldete bereits: «Er wird sicher genauso viel reden, wie er das heute macht.» Denn Keller plant keinen Ruhestand auf der Veranda oder im Wohnmobil. Er will in New York bleiben, zwar nicht mehr predigen, aber sich in die Ausbildung der nächsten Pastoren und Leiter investieren. Ausserdem will er sich stärker in den Programmen der Gemeinde unter der Woche engagieren. Und wahrscheinlich können wir uns noch auf das eine oder andere Buch des Theologen freuen...

Timothy Keller wuchs in Lehigh Valley (Pennsylvania) auf. Er studierte Theologie, promovierte und arbeitete als Pastor der Presbyterian Church in Virginia, bevor er die «Redeemer Church» in Manhattan gründete. Daraus entstand ein Netzwerk aus 250 Grossstadtgemeinden in 48 Städten. Keller lehrt Praktische Theologie und veröffentlichte über 20 Bücher. Auf Deutsch erhältlich ist unter anderem «Warum Gott? Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit».

Keller ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne.

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Datum: 01.03.2017
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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