Orthodoxer Christ:

Israel als letzter Hort der Christen in Nahost?

Wenn die Christenverfolgung in Nahost weiter geht wie bisher, könnte Israel das letzte Land mit Christen in Nahost werden. Pater Gabriel Naddaf, griechisch-orthodoxer Priester aus Nazareth, rüttelt auf.
Syrische Flüchtlinge
Gabriel Naddaf ist der spirituelle Führer der Aramäischen Christen.

Israel wird wegen seiner Politik besonders in Europa kritisch beobachtet und beurteilt. Man erwartet vom jüdischen Staat und einziger demokratischer Bastion in der Region, dass er sich nach ähnlichen Massstäben verhält wie ein europäisches Land. Und dass er in der Lage ist, die grossen kulturellen Gräben nicht nur im eigenen Land, sondern auch mit den Nachbarn zu überbrücken. Kritik erfährt Israel aber auch öfter von der arabischen Bevölkerung im eigenen Land, auch von führenden Christen.

Eigener Sohn wurde attackiert

Gabriel Naddaf ist der spirituelle Führer der Aramäischen Christen und Vorsitzender des «Israeli Christians Recruitment Forum». Er setzt ganz auf die Karte Solidarität mit den israelischen Behörden und ermutigt zum Beispiel die jungen arabischen Christen, in die israelische Armee einzutreten. Sein eigener Sohn, der diesen Rat befolgte, wurde kürzlich von einem israelischen Araber attackiert und verletzt.

Im Forum der «Schweiz am Sonntag» begründet Pater Naddaf jetzt seine Motivation für die Unterstützung des israelischen Staates mit Zahlen. Nämlich mit den Zahlen von ermordeten und vertriebenen Christen in den Nachbarländern. Naddaf im Wortlaut: «Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung der Region bei 20 Prozent. Heute sind es nur noch 4 Prozent, und sie verschwinden weiter. Rund 77 Prozent der irakischen Christen sind seit 2000 aus dem Land geflohen und Tausende wurden getötet. Von den 2 Millionen Christen, die einst in Syrien lebten, sind nur noch 250'000 übrig.»

Immer weniger Christen in Bethlehem

Der orthodoxe Priester weist auch auf die Situation in der Geburtsstadt von Jesus hin: «Die christliche Bevölkerung in Bethlehem, dem Geburtsort Christi, ist seit der Übergabe der Regierungsgewalt an die palästinensische Behörde 1995 signifikant und kontinuierlich gesunken. Heute sind nur noch 2 Prozent der Bevölkerung in der Stadt christlich – und die Situation in Gaza ist unter der Kontrolle der Hamas noch gravierender.»

Ganz im Gegensatz zu dieser Entwicklung sieht er die Lage im eigenen Land: «Inmitten dieses Chaos existiert eine Insel der Vernunft, wo Christen nicht unterdrückt werden. Im gesamten Nahen Osten gibt es nur einen Ort, an dem sie geschützt sind und ihnen Religions- und Redefreiheit zugesichert werden. Dieser Ort ist der jüdische Staat Israel, das Land meiner Geburt. Juden und Christen leben in Israel in nachbarschaftlichem Frieden, nicht nur weil Jesus als Jude im jüdischen Bethlehem geboren und aufgewachsen ist, sondern auch, weil Frieden ein Wert und eine Vision ist, die wir teilen.»

Worte und Taten sind gefragt

Mit diesen Worten will er ganz offensichtlich die (christlichen) Politikerinnen und Politiker sowie die Kirchenleute auffordern, ihre zum Teil kritische Haltung gegenüber Israel zu überdenken, auch wenn Regierungsbeschlüsse immer wieder Anlass zu Kritik geben. Heute und morgen dürfen sich Christen in Israel sicher fühlen. Was aber, wenn das Land dem Ansturm juden- und christenfeindlicher Horden nicht mehr standhalten sollte? Genügt es, wenn Europa sich für eine Zweistaatenlösung einsetzt, aber wenig Worte über die Lage der christlichen Minderheit in den muslimischen Ländern inklusive Palästina und Gaza verliert?

Der Bundesrat hat unlängst versprochen, die Lage verfolgter Christen ernster zu nehmen. Livenet hat darüber berichtet. Hoffen wir, dass den Worten auch Taten folgen.

Datum: 22.12.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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