Anstoss zur Debatte

Was sind denn eigentlich christliche Werte?

Welche Werte soll die Schweiz verteidigen oder lancieren? Je nach politischer Links- oder Rechtslage sind sie anders. Muss das sein? Und wofür lohnt es sich zu kämpfen? Ein Kommentar von Fritz Imhof.
Wehende Schweizer Fahne mit Bergen im Hintergrund

Was hat die Schweiz zu verteidigen? Das hehre Vaterland, wie es in der geltenden Nationalhymne heisst? Die grossartige Bergwelt? Die saubere Luft, Flüsse und Seen? Das Schweizer Volk? Die Multikulturalität? Oder das Erbe von Henry Dunant? Welche davon sind «christliche Werte»?

Welche Werte den Menschen in der Schweiz wichtig sind, hängt stark von ihrer politischen Ausrichtung, aber auch von ihrer religiösen und kulturellen Prägung ab. Von rechter politischer Seite hören wir, dass Freiheit und Unabhängigkeit die grössten Werte sind. Aus linker Sicht sind es Solidarität, Umweltschutz und Toleranz. Christen neigen je nach Ausrichtung entweder linken oder rechten Wertmustern zu. Das Gemeinsame: alle deklarierten Werte haben ihre Berechtigung, sollten aber nicht verabsolutiert oder gegen die Werte, die andern wichtig sind, ausgespielt werden.

Linke und rechte Werte

Politiker im rechten Spektrum sollten zur Kenntnis nehmen, dass Unabhängigkeit und Freiheit die Solidarität gegenüber Schwachen nicht aufheben dürfen. Menschen, denen der Umweltschutz und bessere Arbeitsbedingungen wichtig ist, müssen sich sagen lassen, dass gute Bedingungen für wirtschaftliches Handeln Voraussetzungen dafür sind. Klar: Das erfordert zuweilen einen Spagat!

Die Fragen, die sich dabei stellen, können nicht in einem kurzen Beitrag abgehandelt werden, aber zwei Hinweise mögen dabei weiter führen. Der erste: Vor neun Jahren hat Bundeshauspfarrer Alfred Aeppli im Auftrag der EVP neun Werte für eine lebenswerte Schweiz ausformuliert. Sie reichen von «Glaubwürdigkeit» bis «Frieden» und können weder einseitig links noch rechts angesiedelt und so schubladisiert werden. Eine Petition forderte den Bundesrat auf, eine schweizerische Wertekommission zu schaffen. Leider ist das Anliegen noch nicht erhört worden.

Zwei besonders umstrittene Werte

Der zweite Hinweis: In einem Gastkommentar in der NZZ setzte sich der katholische Theologe Daniel Kosch mit der Werte-Frage auseinander. Aus christlicher Sicht sieht er die Religionsfreiheit und die Menschenrechte als zentrale Werte an. Denn sie entsprechen «dem christlichen Bild des Menschen, das diesen als Ebenbild Gottes sieht», so Kosch. Sich für christliche Werte einzusetzen, bedeute nicht, sich gegen etwas abzugrenzen, sondern sich für das Richtige einzusetzen. Kosch: «Christliche Werte verteidigen heisst also zunächst, sich mit all jenen solidarisieren, die für Menschenrechte und religiöse Freiheit eintreten – und zwar für Angehörige aller Religionsgemeinschaften.» Und er schliesst daraus: «Es ist unzulässig, im Namen der 'christlichen Kultur' zu fordern, die religiöse Freiheit der Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften sei einzuschränken.» Damit hat er natürlich gleich ein heisses Eisen angepackt.

An Jesus orientieren?

Damit kommen wir auf etwas Grundsätzliches: Christen unterstützen zwar den Rechtsstaat und seine Organe. Aber dabei darf es nicht bleiben. Das Vorbild Jesu, die Berpredigt und sein Leiden für die Menschen erfordern noch eine andere Wertehaltung. Daniel Kosch bringt es auf den Punkt: «Christinnen und Christen sind Menschen, die sich an der Botschaft und am Leben von Jesus Christus orientieren. Zentral sind daran bekanntlich die besondere Sorge für leidende und randständige Menschen, der Mut, sich über Grenzen und Konventionen hinwegzusetzen, die Warnung vor Habgier und die Forderungen, das Brot mit den Hungrigen zu teilen, auf Gewalt zu verzichten und sogar die Feinde zu lieben.»

Er gibt dabei zu bedenken: «Mit diesen Werten steht es in der Tat nicht zum Besten.»

Zur Webseite:
Lebenswerte

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Datum: 17.08.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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