Berner Regierungsrat Schnegg

«Für mich ist der Glaube an Gott ein Vorteil»

Er ist erst seit drei Jahren politisch aktiv. Heute sitzt der Jurassier Pierre Alain Schnegg bereits in der Berner Regierung. Nach neun Monaten im Amt sieht er sich am richtigen Platz. Kraft und Ermutigung für den Alltag holt er sich im Gottesdienst.
Pierre Alain Schnegg

idea Spektrum: Hätten Sie vor fünf Jahren wirklich nicht gedacht, einmal Berner Regierungsrat zu sein?
Pierre Alain Schnegg: Nein, absolut nicht! Ich bin erst im Herbst 2013 in die Partei eingetreten. Ich war vorher immer an der Politik interessiert, aber einfach als Bürger. Dann wurde ich gefragt, ob ich mich auf die Grossratsliste der SVP setzen liesse. 2014 wurde ich in den Grossen Rat gewählt. So begann mein politischer Weg.

Der «Bund» bezeichnet Sie als «selbstbewussten Senkrechtstarter». Haben Sie Ihr hohes Amt auch Ihrem Selbstbewusstsein zu verdanken?
Schwierige Frage! Wenn ich mich für etwas engagiere, dann voll. Als ich für dieses Amt nominiert wurde, war mir klar, dass ich mich mit allen Kräften dafür einsetzen würde, auch während der Wahlkampagne. Aber noch einmal: Regierungsrat war kein Lebensziel für mich.

Sie führen etwa 325 Mitarbeiter. Wenden Sie die gleichen Führungsprinzipien an wie in der Privatwirtschaft?
Ich habe an meinen Prinzipien nicht viel geändert. Ich will ein Ziel und eine Strategie haben. Wenn definiert ist, was wir erreichen wollen, müssen wir ständig kontrollieren, ob wir gut unterwegs sind und wenn nötig auch wieder Anpassungen vornehmen. Wir arbeiten jetzt vielleicht etwas anders, so wie ich es mir aus der Wirtschaft gewohnt bin. Klar, wenn Sie ein Gesetz revidieren müssen, dann braucht es mehr Zeit. Es ist auch gut, wenn der demokratische Prozess stattfinden kann.

Worauf führen Sie die grossen gesellschaftlichen und auch familiären Probleme unserer Zeit zurück?
Wir haben wichtige Grundwerte verloren. Wir sind zu einer egoistischen Genussgesellschaft geworden. Man will etwas, man will es sofort, und man wirft es wieder fort, wenn es nicht mehr passt und sucht etwas Neues. In einer Familie gibt es schöne und weniger schöne Momente. Wer nur das Schöne will, der ist heute schnell bereit, die Familie zu verlassen. Unsere Vorfahren hatten zum Teil noch ganz andere Probleme. Viele Familien haben ein Kind verloren. Viele Familien mussten enorm kämpfen, nur um genug zu essen zu haben. Doch sie waren vielfach glücklicher als die Familien heute.

Welche Grundwerte sollten wir mehr schätzen?
Ich denke an Respekt, an Treue, an Durchhaltevermögen.

In Ihrer Direktion stehen laufend Entscheidungen an, die aus moralisch-ethischer Sicht sensibel sind. Wie lassen Sie sich da als Christ leiten?
Ich bemühe mich um Entscheidungen, die lösungsorientiert, fachlich abgestützt und tragbar sind. Aber ich will meine Entscheidungen auch mit gutem Gewissen fällen können. Meine Entscheidungen sollen stark von Wertschätzung geprägt sein.

Wie gehen Sie damit um, dass Sie als Mitglied der Gemeinde für Christus (GfC), der früheren Brüdergemeinde also, unter besonderer öffentlicher Beobachtung stehen?
Es ist so, dass meine Zugehörigkeit zu einer Freikirche im Wahlkampf zum Thema gemacht wurde. Damit hatte ich kein Problem. Ich weiss auch nicht, ob mir das im Wahlkampf geschadet oder genützt hat. Die Leute haben mich wohl eher wegen meiner Persönlichkeit und meiner politischen Ideen gewählt. Doch ich stehe dazu: Ich bin Christ, ich glaube an Gott und an Jesus Christus. Das ist ein sehr wichtiger Teil meines Lebens. Aber als Regierungsrat bin ich da, um Probleme zu lösen.

Hat es ein überzeugter Christ schwerer in der Politik?
Es gibt Medien und Leute, die diesen Aspekt gerne hervorheben und kritisieren. Damit kann ich leben. Ich habe es als Christ sicher nicht schwerer. Für mich ist der Glaube an Gott ein Vorteil. Ich habe ein Fundament, das mich trägt, und eine Kraft, die mir hilft.

Was bedeutet Ihnen der Gottesdienst am Sonntag?
Wenn ich keine offizielle Verpflichtung habe, besuche ich in aller Regel den Gottesdienst. Das ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich werde ermutigt für den Alltag, und ich kann Gemeinschaft pflegen mit andern Gläubigen.

«Die Religion spielt in der Politik wieder eine Rolle», schrieb die Presse, nachdem Bundespräsidentin Doris Leuthard dem Volk zum neuen Jahr «Gottes Segen» gewünscht hatte. Erleben Religion und Glaube eine Renaissance?
Das kann ich nicht beurteilen. Doch es gibt sicher manche Leute, die in der heutigen Zeit mit all den Veränderungen und Unsicherheiten wieder Fragen stellen nach dem Sinn des Lebens und nach Gott. Das kann ich mir gut ­vorstellen.

Warum braucht unser Land den Segen Gottes?
Gottes Segen ist das Höchste, das wir haben können! Unser Land wurde vor zwei Weltkriegen und vor ganz schlimmen Katastrophen bewahrt. Wir können Gott dafür nur danken, wie auch für den Wohlstand in der heutigen Zeit.

Im Gegensatz zu Ihrer Kindheit machten Sie sich heute fast keine Sorgen mehr, sagen Sie in einem Zeitungsinterview. Wie werden Sie Ihre Sorgen los?
Für mich ist das eine Frage des Gottvertrauens. Ich kenne aber auch Christen, die sich immer wieder grosse Sorgen machen. Wir sollten uns entscheiden, uns weniger Sorgen zu machen. Ich will das nicht oberflächlich sagen. Wir müssen auch damit leben lernen, dass wir nicht alles im Griff haben. Wer sich viele Sorgen macht, schadet sich selber am meisten.

Viele politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Prognosen sind düster. Mit welchen Gefühlen blicken Sie als Politiker in die Zukunft?
Es gibt heute viele Bereiche mit fragwürdigen Entwicklungen. Ich denke an die ganze wirtschaftliche Situation. Wenn Geld nichts mehr kostet, dann läuft etwas schief in unserem wirtschaftlichen System. Die Politik neigt heute dazu, Probleme nicht zu lösen, sondern vor sich her zu schieben. Ich befürchte, dass einige grosse wirtschaftliche, gesellschaftliche und auch ökologische Probleme in Zukunft nicht mehr lösbar sind.

Was macht Ihnen als Christ trotzdem Hoffnung?
Ich habe durch meinen Glauben an Gott eine lebendige Hoffnung. Meine Zukunft wird das ewige Leben bei Gott sein. Das macht mir Hoffnung.

Zur Person

Geboren 1962 in Moutier, verheiratet mit der ehemaligen Krankenpflegerin Marcelle, vier erwachsene Kinder, ein Enkel, wohnhaft in Champoz, einem Dorf mit 160 Einwohnern im Berner Jura. Sohn eines Mechanikers, absolvierte eine kaufmännische Lehre, später ein Ingenieur- und ein Managementstudium. 1984-86 Mitbegründer und Leiter eines Unternehmens im Bereich landwirtschaftliche Bauten, 1986-87 Leiter Abteilung Mikroinformatik in der Uhrenfirma Ebel, 1987-2014 Mitbegründer und CEO der Firma Pro-Concept SA, 2009 umbenannt in SolvAxis SA, einem Unternehmen für Entwicklung und Vertrieb von Unternehmenssoftware mit zuletzt 145 Mitarbeitern. 2009-16 Vizepräsident und Präsident des Verwaltungsrats der Hôpital du Jura bernois SA. Politik: 2013 Beitritt zur SVP, 2014-16 Berner Grossrat, 2015 Gemeinderat von Champoz, 2015-16 Präsident des Conseil du Jura bernois, seit Juli 2016 Berner Regierungsrat, führt die Gesundheits- und Fürsorgedirektion.

Datum: 17.04.2017
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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