Papst spricht Mutter Teresa selig – Die andere Seite der Medallie

Mutter Teresa und Papst Johannes Paul II.
Schwestern des Mutter-Teresa-Ordens verlassen in Neu Delhi eine Kirche, wo ein Gottesdienst zu Ehren der Gründerin stattgefunden hat
Szene aus Kalkutta

Papst Johannes Paul II. hat die Ordensgründerin Mutter Teresa von Kalkutta selig gesprochen. Die Seligsprechung Mutter Teresas ist eine der schnellsten in der jüngeren Kirchengeschichte. Zugleich legte er fest, dass ihr kirchlicher Gedenktag auf lokaler Ebene künftig am 5. September, dem Tag ihres Todes, begangen werden soll. Bestimmt hat diese Frau hohe Verdienste. Doch wenn man genauer hinsieht, findet man nicht nur Licht, sondern auch Schatten.

Mutter Teresa wurde am 27. August 1910 als Agnes Bojaxhiu in der damals zu Albanien gehörenden Stadt Skopje geboren. Mit 18 Jahren trat sie in den Orden der Loreto-Schwestern in Rathfarhan bei Dublin ein. Alles schien auf eine "übliche" Missionskarriere hinzudeuten, als sie im indischen Darjeeling ihr Noviziat absolvierte.

Auch die kommenden 20 Jahre verliefen durchaus in kalkulierten Bahnen. Sie wurde Geographie-Lehrerin und schliesslich Direktorin der Missions-"High-School" Saint Mary in Kalkutta.


Berufung in die Slums

Doch im Jahr 1946 änderte sich das Leben der Ordensfrau , die inzwischen den Ordensnamen "Teresa" angenommen hatte, grundlegend. "Gott rief mich", erklärte sie später den plötzlichen Wunsch, ihr Leben völlig umzukrempeln. Sie wollte nicht länger die Kinder der reichen und etablierten Inder unterrichten, sondern vielmehr denen helfen, die niemals Aufnahme in die Eliteschule fanden.

Kampf gegen die "schlimmste Krankheit"

Teresa ging nach Tiljala, in eines der schlimmsten Elendsvierteln von Kalkutta. War es zuerst nur eine Familie, der sie zu helfen versuchte, so wuchs das Heer derer, die Unterstützung im Kampf gegen Hunger oder Krankheit suchten, schnell an. Nach nur wenigen Tagen betreute sie bereits mehr als 40 Kranke und Hungernde. Aber es waren nicht nur die physischen Bedürfnisse, derentwegen die Menschen Mutter Teresa aufsuchten. Sie wollten Zuneigung und Verständnis.

Und Teresa war bereit, ihnen diesen Wunsch zu erfüllen. "Die schlimmste Krankheit", sagte sie später einmal, "ist nicht die Lepra oder die Tuberkulose sondern das Gefühl, verlassen und ungeliebt zu sein". Gegen diese Not hatte die Ordensfrau schon bald ihr eigenes Rezept: "Lass nie zu, dass du jemandem begegnest, der nicht nach der Begegnung mit dir glücklich ist". Ihre Arbeit ist für Mutter Teresa ein "Tropfen im Ozean", aber ein Tropfen, der dem Ozean fehlen würde, wenn es ihn nicht gäbe.

Mutter Teresa blieb nicht lange allein. Nur fünf Monate, nachdem sie in das Elendsviertel von Kalkutta gezogen war, bat ein erstes Mädchen darum, ihr helfen zu dürfen. Wenig später hatten sich bereits so viele Helferinnen gefunden, dass Teresa mit ihnen eine neue Kongregation gründete: die "Missionarinnen der Nächstenliebe".

Bald waren die "Missionarinnen der Nächstenliebe" in ganz Indien verbreitet. 1965 entstand die erste ausländische Ordensniederlassung in Venezuela. Weitere Stützpunkte folgten in Tansania, Jordanien, England, in den Städten New York, Belfast, Palermo und an vielen anderen Orten. Auch im damals noch kommunistischen Osteuropa rang Mutter Teresa Regierung um Regierung die Erlaubnis ab, Stützpunkte ihres Hilfswerkes zu errichten. In Wien gibt es die "Missionarinnen der Nächstenliebe" seit 1985. Inzwischen hat der Orden mehr als 350 Niederlassungen in rund 80 Ländern der Erde.

1979 erhielt Mutter Teresa für ihre Arbeit den Friedensnobelpreis. Bei der Verleihung sorgte die kleine Ordensfrau für einige Verwirrung. Liess sie doch den sonst üblichen Festempfang ausfallen. Anstatt zu essen, betete man. Zur Preisverleihung kam sie mit dem Text des Franz von Assisi "Herr, mach mich zum Werkzeug deines Friedens", den sie an alle Anwesenden verteilte. Anschliessend betete sie laut vor. Das Geld für das abgesagte Festessen steckte Mutter Teresa dennoch ein - für die Armen in Kalkutta. Auch ihre Dankansprache fiel aus dem üblichen Rahmen. Sie nutzte ihre Rede zu einem leidenschaftlichen Appell gegen die Abtreibung. "Es gibt keine grössere Zerstörung des Friedens in der Welt als den Schrei der ungeborenen Kinder", rief sie den Anwesenden zu.

"Nicht der Kirche, sondern Jesus gegenüber verantwortlich"

Am 5. September 1997 starb Mutter Teresa in Kalkutta an Herzversagen. Bei der Trauerfeier erklärte ihre Nachfolgerin als Ordensoberin, Schwester Nirmala, sie hoffe, dass der Orden künftig mit der gleichen Entschlossenheit für die Armen kämpfe wie bisher. Das Geheimnis des Werks von Mutter Teresa sei ihre Liebe zu Christus gewesen. Christus hatte sich Teresa ihr Leben lang verantwortlich gefühlt, aber "nicht der Kirche gegenüber", wie sie selbst einmal sagte.

Mutter Teresas Tagebuch deckt Glaubenskrise auf

Im Buch: “Mother Teresa's diary reveals her crisis of faith”, Autor Bruce Johnston, zeigt ein anderes anderes Bild dieser Nonne auf: Während Jahren soll sie unter einer schweren Glaubenskrise gelitten haben. Ihre Briefe und Tagebücher zeichnen ein total anderes Bild von dieser Nonne als das in der Öffentlichkeit und als Nobelpreisträgerin zur Schau gestellte Image einer tief gläubigen Frau. Ihre Biografie müsste nach diesen Informationen eigentlich neu geschrieben werden.

Mutter Teresa, welche für viele Jahre unter den Armen von Kalkutta arbeitete, schrieb 1958: „Mein Lächeln ist wie eine grosse Wolke, die viele Schmerzen verbirgt. Weil ich immer lächelte, glaubten die Leute mein Glaube, meine Hoffnung und Liebe sei überwältigend und dass meine Gottesnähe und Gottes Wille mein Herz fülle. Wenn diese nur wüssten...“

Mutter Teresa schrieb in einem Brief: „Die verdammte Hölle leidet ewige Qualen weil sie mit dem Verlust von Gott experimentierten. In meiner Seele fühle ich einen schrecklichen Schmerz des Verlustes. Ich fühle, dass Gott mich nicht will und dass Gott nicht Gott ist und dass es ihn nicht wirklich gibt.„

CNN berichtete am 7. September 2001: Die Briefe von Mutter Teresa wurden in den 50er und 60er Jahren geschrieben und waren an ihre geistlichen Kirchenführer gerichtet. Diese zeigten die verwirrenden und zum Teil schmerzlichen Konflikte auf, die sie mit ihrem Glauben hatte.

„Mir wurde gesagt, Gott lebe in mir. - stattdessen ist in Realität eine grosse Dunkelheit, Kälte und Leere in mir, dass nichts meine Seele berührt“, schrieb sie in einem ihrer Briefe. Einigedieser Briefe wurden im Journal für Theologische Überlegungen veröffentlicht. Offensichtlich zeigten einige dieser Briefe, dass Mutter Teresa Glaubenskämpfe hatte: „Während ich versuche meine Seele zu Gott zu erheben,war da eine solche Leere, dass diese Gedanken wie scharfe Messer zurückkehrten und meine Seele verletzten. Das Wort .... er bringt nichts,“ schrieb diese als „Liebe Gottes“ bekannte Frau.“

Ältere Kirchenwürdenträger bestätigten, dass sie von Mutter Teresas Exorzismus in ihrem späteren Leben wussten. „Der Exorzismus wurde in einem Spital durchgeführt, wohin sie wegen Herzproblemen eingeliefert wurde“, sagte Erzbischof Henry d’Souza. Der Erzbischof selbst war ebenfalls auf derselben Abteilung hospitalisiert und wurde vom selben Arzt wie Mutter Teresa behandelt. Er habe bemerkt, dass Mutter Teresa tagsüber sehr ruhig war, aber in der Nacht extrem unruhig. D’Souza behauptete, sie habe die Kabel und andere Überwachungsgeräte herausgerissen, die in ihrem Körper steckten, er habe deshalb glaubt Mutter Teresa leide unter der Attacke des Bösen. Erzbischof Henry D’Souza berichte das dem CNN-Korrespondenten Satinder Bindra in einem Interview vom 7. September 2001.

Sie bleibt eine hoch geachtete Persönlichkeit. Nach ihrem Tod kamen anerkennende Worte aus allen Regierungspalästen, bei Umfragen unter Jugendlichen taucht sie regelmässig unter den Top Ten der Vorbilder auf.

Leiden als Tugend?

Medienberichte, vor allem aus Grossbritannien, kratzen jedoch ebenfalls am Image von Mutter Teresa. Mutter Teresa habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass ihr eigentliches Interesse dem Leben nach dem Tod galt und dass sie ihre Nonnen nicht als Sozialarbeiterinnen verstanden wissen wollte. Für Mutter Teresa war der Schmerz “das schönste Geschenk für den Menschen”, weil er so, “am Leiden Christi teilnehmen kann”; die britische Zeitung Guardian hingegen sah in den Sterbehospizen nur eine “organisierte Form unterlassener Hilfeleistung”.

Mutter Teresa: „Es ist etwas sehr Schönes, wenn man sieht, wie die Armen ihr Kreuz tragen. Wie die Passion Christi, ist ihr Leid ein grosses Geschenk für die Welt.”

Der britische Schriftsteller Christopher Hitchens untersuchte das Leben ihrer Heiligkeit und stellte in seinem leider nicht auf Deutsch erschienen Buch The Missionary Position: Mother Teresa in Theory and Praxis heraus, dass es Mutter Teresa vorrangig darum gegangen sei, “einen Kult zu begründen, der sich auf Tod, Leiden und Unterwerfung stützte.” Der Autor verweist darauf, dass Betschwester Teresa sogar die Lepra als Geschenk des Herrn ansah und kommt zum gewagten Schluss, dass es sich bei ihr um keine Wohltäterin der Benachteiligten und Bedrängten handelte, sondern um eine besondere Geissel Gottes.

Selig sprechen?

In der 2000jährigen Geschichte der katholischen Kirche hat kein Oberhaupt so oft Heilig- und Seligsprechungen durchgeführt wie Johannes Paul II. In den ersten 20 Jahren seines Pontifikats hat der polnische Papst insgesamt 280 Frauen und Männer zu Heiligen und 805 weitere zu Seligen erklärt. Dies entspricht ziemlich genau der Zahl, die all seine Vorgänger seit 1592 zusammen erreicht haben! Trotzdem findet man nirgends in der Bibel, dass ein Mensch, einen anderen Menschen selig sprechen kann. Mutter Teresa hat bestimmt viel gutes getan, aber auch sie bleibt ein sündiger Mensch, der hoffentlich die Vergebung und rettende Erlösung durch Jesus Christus erfahren hat.

Quelle: Kipa/ZENIT/CNN/Livenet

Datum: 21.10.2003

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