Spirituelle Schwarmintelligenz

«Pray for Las Vegas» – na und?

Spätestens seit den Anschlägen in Paris im letzten Jahr wurde es Mode, zu «beten». Wir haben für London, für Marseille, für Brüssel, für Berlin gebetet – aber die Terroristen machen weiter. Was bringts?
Bei der Demonstration vor der nordkoreanischen Botschaft wurden 7'000 Kerzen angezündet.

Soziale Medien machen es möglich: Millionen beten für die Opfer eines terroristischen oder Gewaltaktes. Jedenfalls klicken sie. Es scheint so etwas wie eine spirituelle Schwarmintelligenz zu geben, mit der man wenn nicht seine Hände falten, so doch zumindest durch einen Klick seine Betroffenheit ausdrücken kann. Was bleibt, wenn wir diese Übung vorurteilsfrei anschauen?

Die schlimmsten nehmen wir nicht wahr

Zum einen fällt auf, dass lange nicht alle – und auch nicht die schlimmsten – Attacken auf der Welt gleich mit «Pray for…» geehrt werden. Eine aufschlussreiche Weltkarte der terroristischen Angriffe – 1018 allein in diesem Jahr – zeigt, dass die meisten (und opfermässig die schlimmsten) Angriffe in der Regel gar nicht in die Medien und in das Bewusstsein des Westens dringen. Irak, Afghanistan, Pakistan, Syrien – hier schlagen Gewalttäter fast täglich zu. Die Orte, die am meisten Gebet und göttliches Eingreifen brauchten, kommen bei uns nicht vor. «Pray for Mosul» lesen wir nirgends – und das ist noch eine grössere Stadt, die Gebet nötig hätte. Fazit: «Pray for…» gilt nur, wenn es uns trifft oder uns nahekommt.

Trotzdem Gebet

Dennoch – Gebet ist eine nötige Reaktion, immer wenn wir von Gewalttaten hören. Hier sind vier Gründe.

Erstens redet die Bibel davon, dass Beten mithilft, Gottes Willen auf der Erde wie im Himmel geschehen zu lassen. Das lehrt uns Jesus im «Unser Vater». Egal, wie hilflos wir uns angesichts des oft rohen Bösen fühlen – wir sollen immer und immer wieder Gott bitten, dass seine Herrschaft (und das ist Liebe, Frieden und Versöhnung) auf der Erde zunimmt.

Durch die ganze Bibel zieht sich eine Tatsache wie ein roter Faden: Gott handelt in Antwort auf Gebet. Israel betete um Freiheit, Mose um Sieg gegen ein grosses Heer, Hiskia um Verlängerung seines Lebens, Abraham um einen Sohn und ein Leprakranker schrie zu Jesus um Heilung – das sind nur ein paar Beispiele von vielen, wo Gott auf ausserordentliche Art als Antwort auf das Gebet handelte.

Zweitens: Gebet ist ein Stück Kriegsführung – nicht mit sichtbaren Waffen, aber in der unsichtbaren Welt, wo die eigentlichen Entscheidungen fallen. Die Bibel macht es sehr klar, dass es eine sichtbare und eine unsichtbare Welt gibt – und dass vieles, was wir sichtbar erleben, eigentlich unsichtbare Ursachen hat. «Wir kämpfen nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen unsichtbare Mächte», sagt Paulus sinngemäss (Die Bibel, Epheserbrief, Kapitel 6, Vers 2). Gebet wirkt in diese unsichtbare Welt hinein, «hinter den Vorhang». Es geht nicht um die Alternative «Beten oder Handeln»; aber «die Hände falten» kann oft eine viel wirkungsvollere Aktion sein als eine Waffe in die Hand zu nehmen.

Drittens gehört zum Gebet auch «Hören auf Gott». Beten ist ein Gespräch in beide Richtungen. Wenn wir also für die Opfer eines Gewaltakts beten, kann es sein, dass Gott uns zeigt, wie wir helfen können (durch Spenden oder eine besondere Aktion etwa). Interessant wird es, wenn wir ein Stück Böses, z.B. Hass oder Aggressionen, in unserem eigenen Inneren entdecken. Gebet kann ganz schön gefährlich sein!

Viertens lehrt uns Jesus (und machte es uns vor), auch für unsere Feinde zu beten. Das ist etwas, was echtes Gebet von blossen schönen Wünschen unterscheidet. Wenn wir auch für die Terroristen beten und nicht nur für ihre Opfer, ist das ein Hinweis auf die unverdiente, unbegrenzte Gnade Gottes, die jeden Menschen erreichen kann, egal wie weit weg er ist.

Also: «Beten für…» ist gut, aber beten wir wirklich und schielen nicht nur auf möglichst viele Klicks oder Retweets. Gott sucht Menschen, die angesichts der Grausamkeit der Welt auf die Knie gehen und in den Riss treten. Und wirkliche Gebete werden immer von Gott gehört, egal wie viele oder wie wenige Klicks sie in den sozialen Medien finden.

Zum Thema:
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Datum: 13.10.2017
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch

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