1:0 für Jesus

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Die Spieler widmen die Treffer ihren Frauen, ihren Kindern - und zunehmend auch Jesus. Der Drang zur religiösen Botschaft hat dem einen oder andern aber auch schon Probleme bereitet.

Eduardo Ribeiro dos Santos jubelte nach seinem 1:1-Ausgleich für die Grasshoppers gegen St. Gallen in der selben Manier, wie es später Ionel Gane tun wird: er zieht sein Leibchen aus. Doch im Gegensatz zum Rumänen trägt der GC-Brasilianer darunter nicht nackte Haut zur Schau, sondern noch ein Shirt, auf dem «Jesus ist treu» zu lesen ist. Der 20-Jährige, der in seiner Freizeit regelmässig mit einer Gruppe betet, ist bei weitem nicht der Einzige, der mit einem Slogan seine religiöse Überzeugung kundtut.

Der ehemalige FCZ-Stürmer Shaun Bartlett erregte beim Afrika-Cup Aufsehen, als er nach einem Torerfolg die Aufschrift: «Soccer is not my life, Jesus is!» (Fussball ist nicht mein Leben, Jesus ist es!) vor die Kameras hielt. Nürnbergs Brasilianer Cacao - auch er betet in einer Bibelgruppe - feierte sein 2:0 gegen Köln, in dem er die Aufschrift «Jesus rettet» präsentierte.

Sergios Rückzug

Bei südamerikanischen und speziell bei brasilianischen Fussballern sind solche Jubel-Botschaften mittlerweile Standard. Der Bundesliga-Verein Bayer Leverkusen beschäftigt seit Jahren ein Kontingent von Brasilianern, die offen zu ihrer tiefen Religiosität stehen. Aus diesem Fundus ist auch der jetzige Bayern-Stürmer Paulo Sergio («Meine Beziehung zu Gott lässt mich immer als Sieger dastehen»). Dieser setzte sich allerdings unlängst in die Nesseln, weil er seinen Namen auch für das Buch «Kraft zum Leben» hergab, das von einer amerikanischen Stiftung vertrieben wird. An dem Buch des verstorbenen Baptisten-Führers James William Buckingham, das zur inneren Einkehr und zum Innehalten bewegen soll, ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Der Herausgeber, die Arthur-S.- DeMoss-Stiftung, macht die problematische Note dieses Engagements aus. Sie hat engste Kontakte zu einem prominenten Sprecher der evangelikalen Rechten. Als ideologischer Kopf der DeMoss-Stiftung fungiert Jerry Falwell. Der Fernsehprediger erklärte im US-Sender CBS, die Terroranschläge in New York und Washington seien die Strafe Gottes für das Treiben von Frauenrechtlern, Homosexuellen und Abtreibungsbefürwortern. Der Brasilianer distanzierte sich darauf: «Ich habe das Buch unterstützt, um die Botschaft von Jesus Christus weiterzugeben. Die Ziele der Stiftung kannte ich nicht.»

Das wichtigste Tor

Dass der Bayern-Stürmer mit diesem Einsatz ins eigene Tor traf, ist er sich bewusst. Unproblematischer ist da schon seine Zugehörigkeit zur Gemeinschaft «Athleten für Christus», der Sportler aus allen Kontinenten und Konfessionen angehören. Gerald Asamoah (Schalke 04), Zé Roberto (Leverkusen) oder beispielsweise Ademar (VfB Stuttgart) schiessen unter diesem Label «Tore für Gott». Als Ademar - auch er trägt immer eine Botschaft unter dem Vereinstrikot - vor seinem Engagement in Deutschland einen entscheidenden Treffer für Sao Caetano erzielte und darauf von den Reportern gefragt wurde, ob dies das wichtigste Tor seiner Karriere gewesen sei, antwortete er: «Nein, die Entscheidung, mit Jesus zu leben, war das absolut wichtigste Tor meiner Karriere.»

Die Arbeitgeber der gläubigen Fussballer können der Überzeugung ihrer Angestellten grösstenteils positive Seiten abgewinnen. Kerstin Dankowski, die Pressesprecherin des Bundesligavereins 1. FC Nürnberg: «Dass unser Stürmer Cacao sich so mitteilt, ist in Ordnung. Er ist bekennender Christ und darf seine Meinung äussern.» Natürlich sei es eine Gratwanderung, wenn man sich mit irgendwelchen Organisationen einlasse, «aber mir ist nicht bekannt, dass Cacao mit sonst jemandem zusammenarbeitet. Er hat seine rein persönlichen Gründe dafür.»

Im Verein gehe man sehr offen mit dem Thema Religiosität um und bringe diesen Botschaften nicht nur Verständnis, sondern sogar Sympathie entgegen. «Solange auf seinem Shirt nicht draufsteht: Kauft dieses oder jenes Buch, ist das in Ordnung. Und wenn er ausserhalb des Spielfeldes Werbung für ein Produkt machen will, muss er erst mit uns Rücksprache nehmen.»

GC-Sportchef Mathias Walther sieht die Sache mit dem GC-Stürmer Eduardo ähnlich: «Bis jetzt hat es noch nie ein Problem gegeben. Wenn ich ehrlich bin, haben wir uns noch gar nie damit befasst. Ich denke, solange einer nicht Bin Laden auf seinem Leibchen huldigt oder anderweitig fanatisch ist, dann geht das. Nur wenn er damit Geld verdient, liegt es im Grenzbereich.»

«Bald nackt auf dem Platz»

Nun, mit einer solchen Aufschrift Geld zu verdienen, ist schon über der Grenze, weil von der Fifa untersagt. Nationalliga-Direktor Edmond Isoz hält sich an die Weisungen des Weltverbandes. «Man darf nichts Rassistisches zeigen und keine Werbung machen.» Er macht keinen Hehl daraus, dass ihm der Trend mit den ausgezogenen Shirts nicht passt: «Eigentlich sollte diese Mode, die mittlerweile eine sinnlose Grösse angenommen hat, verboten werden. Egal, ob jemand eine Botschaft geschrieben hat oder nicht. Was hat das mit dem Spiel zu tun? Das ist doch nicht der Zweck der Sache. Die Spieler sollen jubeln, natürlich. Aber bitte angezogen. Als nächstes schreibt einer ‚Hallo Liebling’ auf seine Unterhose und zieht sich die Shorts aus. Dann können wir bald nackt auf den Platz gehen.»

Die Fifa jedenfalls hat die Weisung zurückgezogen, dass Spieler verwarnt werden sollen, die sich das Leibchen ausziehen. Bis zur nächsten Regeländerung werden die Gläubigen weiterhin ihre Überzeugung verkünden. Wie Shaun Bartlett, der sagt: «Es liegt übrigens an Gott, dass ich heute ein professioneller Fussballspieler bin. Ursprünglich wollte ich das gar nicht werden. Gott gab mir aber das Talent.»

Datum: 28.04.2002
Autor: Christian Bürge
Quelle: St. Galler Tagblatt

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