Bestechungsskandal – Italienspieler zwischen Hammer und Amboss

Gianluca Pessotto spielte 22mal im italienischen Nationalteam.
Sechsmal wurde er mit Juventus Turin italienischer Meister.
Jetzt ist Pessotto Juve-Manager.
Team von Athletes in Action. Primo Cirrincione ist der Mann in der Mitte mit der weissen «Weste».
Team von SRS Pro Sportler. Beat Fuhrimann ist der Mann ganz vorne im gestreiften Hemd, seine Weste freilich hat die gleiche Farbe wie die von Primo Cirrincione.

Betrugsskandal in Italien. Mehreren Clubs droht der Zwangsabstieg. Ein Manager von Juventus Turin wollte sich offenbar umbringen. Wir sprachen mit zwei Sportpfarrern darüber.

Skandal im WM-Jahr: Vier Clubs müssen wegen Betrug in die Serie-B absteigen. Tief verwickelt ist Klubboss Luciano Moggi. Und was geschieht? Italien wird Weltmeister! Nein, das ist keine Prognose für diese WM. Es geschah eingangs der 1980er Jahre. 1982 wurde Italien Weltmeister. Moggi war damals bei Lazio Rom. Die Geschichte wiederholt sich. Juventus Turin und andere Teams stehen vor dem Zwangsabstieg.

Gianluca Pessotto, langjähriger Spieler bei Juventus und heute Manager des Vereins, hat offenbar einen Selbstmordversuch gemacht. Mit einem Rosenkranz in der Hand stürzte er aus dem zweiten Stock. Pessottos Vorgänger Luciano Moggi gilt als Drahtzieher des Bestechungsskandals.

Wir sprachen mit zwei Sportpfarrern darüber, Beat Fuhrimann von SRS Pro Sportler und Primo Cirrincione von Athletes in Action («Ich heisse zwar Primo, bin aber Secondo»).

Sport gilt als fair. Wie kann so etwas passieren?
Primo Cirrincione: Die Prioritäten sind in Italien ganz anders als in der Schweiz. Fussball ist Religionsersatz. Auch wer wenig verdient, kauft eine Jahreskarte. Es ist ein 90minütiger Gottesdienst wo etwas geistliches konsumiert wird. Anbetung. Wer nicht über Fussball informiert ist, hat keine Gesprächsbasis. Man fragt nicht nach dem Namen, sondern ob man für Inter oder Milan ist. Darum konnte es passieren, weil es so wichtig ist.

Beat Fuhrimann: Für mich ist klar, fair ist etwas dann, wenn für alle die gleichen Regeln gelten und sich alle daran halten. Das gilt im Leben und im Sport. Es sind immer die gleichen Stichworte die zu so etwas führen: Geld, Macht, manchmal Sex. Geld und Macht zogen in den letzten Jahren im Sport ein. Dazu kommt, dass man Angesehen und bedeutend sein will.

Offenbar wollte Juve-Manager Pessotto Selbstmord machen. Was läuft da, dass ein langjähriger Juve-Spieler und Funktionär keinen anderen Weg mehr sieht?
Primo Cirrincione: Das ist typisch Mensch. Man ist in etwas drin und kommt nicht raus. Da ist Druck, der irgendwo raus muss. Einer verneint alles, einer kämpft und ein Anderer einer sieht keinen Ausweg.

Beat Fuhrimann: Meistens ist Druck von aussen und innen da. Vielleicht war er mit der Entwicklung überfordert. Geld oder Machtspiele, ich weiss es nicht.

Fünf italienische WM-Spieler gehören Juventus. Die Serie B droht. Jetzt der Selbstmordversuch. Wie kann das Nationalteam in Ruhe arbeiten? Was braucht dieses Team jetzt?
Primo Cirrincione: In der italienischen Kultur muss das Äussere stimmen, das Innere ist nicht relevant. Man geht auch über Unwahrheiten.

In diesem Fall ist es wie ein Ballon, den man unter Wasser drückt. Nicht sprechen, nichts zugeben. Das kostet Energie. Irgendwann ist die weg. Es kann befreien und entlasten, wenn man entspannt spielen kann. Man kann es auch verdrängen, aber das Team fährt mit angezogener Handbremse. Man kann es nicht auf die Seite legen. Man nimmt es mit und ist belastet. Wie 1982 kann es eine Trotzreaktion geben. Aber man bringt es besser ans Licht und lässt diese Ballone hochkommen.

Beat Fuhrimann: Sie müssen sich irgendwann damit auseinandersetzen. Aber jetzt ist die falsche Zeit. Sie müssen es nehmen wie es ist, sie können nichts ändern, nichts verarbeiteten. Sie müssen sich aufs nächste Spiel konzentrieren. Im Wissen, dass sie irgendwann daran kauen müssen. Dann zeigt sich, was im Leben wirklich trägt. Es ist ein schwerer Moment. Aber auch eine Chance. Man sieht, auf was man sich dann noch verlassen kann. Was trägt und was nicht. Da kommt Gott ins Spiel. Ich wünsche, dass die Spieler das erkennen.


WM-Dossier: www.jesus.ch/wm06
Websites: www.athletes.ch
www.sportpfarrer.ch
www.srsonline.ch

Datum: 29.06.2006
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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