Kapelle im Berliner Olympiastadion nur auf Anfrage offen

Berliner Stadionkapelle
Der neuerstellte Andachtsraum

Der neuerstellte Andachtsraum im Berliner Olympiastadion bleibt auf Betreiben der FIFA grundsätzlich geschlossen. Nur auf individuellen Wunsch der Spieler wird aufgemacht. - Der Weltfussballverband hat das Hausrecht.

Nach Protesten von Kirchenleuten ist die Kapelle im Berliner Olympiastadion wenigstens nicht mehr definitiv verriegelt. "Wenn ein Spieler kommt und sagt, er möchte sich dort gerne fünf Minuten besinnen, dann wird aufgeschlossen", sagte gestern Donnerstag der Sprecher des WM-Organisationskomitees, Gerd Graus, in Berlin. Ausserhalb der Spiele bleibe der Andachtsraum aber geschlossen; Stadionbesucher hätten keinen Zutritt.

Taktierende FIFA

Wegen angeblicher "Sicherheitsbedenken" hatte der Weltfussballverband FIFA die beiden Andachtsräume im den Stadien von Berlin und Gelsenkirchen ("AufSchalke") schliessen lassen. Bernhard Felmberg, der Sportbeauftragte der Berliner evangelische Landeskirche*, verhandelte weiter. Vorgestern Mittwoch meinte ein FIFA-Sprecher, Angehörige anderer Religionen könnten sich ausgeschlossen fühlen, weil es sich um einen spezifisch christlichen Raum handle. Die Kapellen blieben also geschlossen.

Mit diesem Vorgehen handelte sich die FIFA aber massive Kritik der Kirchen ein. Der Berliner Bischof Wolfgang Huber erklärte am Donnerstag, "dass ein christlich geprägter Ort des Gebets keinen Andersgläubigen kränkt oder gar ausgrenzt". Ausserdem würden die Räume allen Spielern offenstehen. Der Rückzieher des Weltfussballverbandes beendete nun dieses peinliche Tauziehen.

Ein Ort der Hoffnungen und Ängste

Die Berliner Stadionkapelle war erst vor wenigen Wochen fertiggestellt und am 20. Mai offiziell eingeweiht worden. In einer Vorab-Erklärung betonte Huber damals den besonderen Wert dieses Raumes: "Für Sportlerinnen und Sportler ist es wichtig, einen Raum zu haben, in dem sie sich mit ihrer Hoffnung auf Sieg wie mit ihrer Angst vor einer Niederlage Gott anvertrauen können. In der neuen Kapelle finden sie Ruhe und können im Gebet Kraft und Hoffnung schöpfen."

"Natürlich ist die Kapelle ausserhalb der Spielzeiten für Besucher geöffnet", hatte Huber noch im Mai erklärt. Doch da hatte er die Rechnung ohne den Hauswirt gemacht: Die FIFA beharrt darauf, dass die Türen grundsätzlich geschlossen bleiben und Stadionbesucher keinen Zutritt finden.

Andacht in Gold

Die Berliner Stadionkapelle stellt von aussen einen roten Kubus dar, in dessen Inneren eine elliptische Wand geformt ist. Sie wurde mit Blattgold belegt und mit Bibelversen in 18 verschiedenen Sprachen verziert. Der Umbau kostete rund 270.000 Euro, die die Deutsche Klassenlotterie Berlin und zahlreiche Spender zusammentrugen.

* Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

Weiterführende Links:
Einweihung der Berliner Kapelle
Kapelle im Berliner Olympiastadion eingeweiht
Die Ansprache von Bischof Wolfgang Huber bei der Kapelleneinweihung
Bilder aus der der Berliner Stadionkapelle

Kommentar


von Lothar Mack

Die FIFA, ein unfreundlicher Gast

"Zu Gast bei Freunden" lautet das Motto der Fussballweltmeisterschaft. Die Menschheit der Deutschen findet, dass man diesem Leitspruch recht gut nachkommt. Als unfreundlicher Gast erweist sich ausgerechnet der Weltfussballverband.

Erst auf massive Proteste hin erlaubt er es den Spielern - und nur ihnen -, sich vor oder nach einer Veranstaltung den Schlüssel für ein spirituelles Bedürfnis geben zu lassen. Ansonsten bleiben die einzigen beiden Kapellen in deutschen WM-Stadien geschlossen. Dafür gebührt der FIFA eine Gelbe Karte.

Gastfreundschaft verhindert

Mehrere hunderttausend Euro hatten es sich die Berliner Spender kosten lassen, um eine weitere Dimension von Gastfreundschaft zu zeigen. Sie haben einen ansprechenden Andachtsraum ins Olympiastadion gesetzt. Spieler wie auch Besucher könnten davon profitieren. Denn der Mensch lebt bekanntlich nicht vom Spiel allein, sondern auch und grade von einer Beziehung mit Gott.

Doch die dürfen nur die Spieler selber dort pflegen und auch sie nur auf Anfrage. Besuchern des Stadions bleibt der Zutritt ganz verwehrt. Rein rechtlich darf die FIFA solche Bestimmungen erlassen. Für die Zeit der WM ist sie Hausherrin in den deutschen WM-Stadien. Moralisch jedoch ist es eine Anmassung, wenn auf diese Weise Gastgeber und Besucher bevormundet werden.

Verschlossene Herzen

In vorauseilendem Gehorsam liess die FIFA verlauten, Angehörige anderer Religionen könnten sich ausgeschlossen fühlen. Der halbherzige Kompromiss von Donnerstagabend zeigt an, dass der Fussballverband seine Haltung nicht grundsätzlich geändert hat. Von gastlicher Offenheit ist man meilenweit entfernt.

Es bleibt der Eindruck, dass die FIFA "keinen anderen Gott neben sich" zulassen will. Die Sportkathedrale verträgt keinen Andachtsraum, nicht einmal in den Katakomben. Oder ist diese Selbstherrlichkeit der Sportherren gerade ein Zeichen dafür, dass ein Korrektiv nicht nur angebracht, sondern sogar dringend geboten wäre?

Weiterführende Links:
Der Fussball kriegt sein Oratorium
WM-Dossier: www.jesus.ch/wm06/

Datum: 23.06.2006
Autor: Lothar Mack

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