Die Gesinnungsfrage

«Christliche Werte» – das Unwort des Jahres?

Während Europa das Aufkommen von weiteren Machtmenschen und Populisten an die Schalthebel der Demokratien fürchtet, tun sich die Kirchen schwer damit zu sagen, was eigentlich der christliche Glaube zum Zusammenleben der Gesellschaften zu sagen hat.
Christliche Werte Kirche Schweiz
Gerhard Pfister

«Die Grundlage für ein gutes Zusammenleben sind die Menschenrechte. Und diese sind kein christliches Monopol.» Auf diese Schlussfolgerung hat sich gemäss einem Text der reformierten Medien eine Diskussionsrunde von drei Kirchenleuten mit CVP-Präsident Gerhard Pfister in Fribourg Ende November verständigt. Weshalb tun sich gerade Theologen und christliche PolitikerInnen oft so schwer damit, zu den Fundamenten ihres Glaubens zu stehen?

Angst, die Finger zu verbrennen

Zum einen: Niemand will heute den Anschein erwecken, die Wahrheit zu haben. Damit stellt man sich in der postmodernen Gesellschaft ins Abseits und verstösst gegen das Toleranzgebot. Man ist daher auch vorsichtig, den eigenen Glauben und seine Aussagen und Werte als Heilmittel für die Gesellschaft zu proklamieren. Gerhard Pfister hat daher mit seiner Berufung auf die «christlichen Werte» als Grundlage der Gesellschaft in ein Wespennest gestochen. Selbst christliche Theologen werfen ihm vor, dass überhaupt nicht klar sei, was unter «christlichen Werten» zu verstehen sei. Lieber diskutiert man über Menschenrechte, die kein direkter Output der Kirche sind. Sie sind neutraler abgefasst und sind weithin akzeptiert.  

Neues Unwort?

Sind «christliche Werte» damit auch schon zum Unwort geworden? Würde man heute noch solche Werte definieren, wie es die EVP vor acht Jahren getan hat? Die Partei hat gut daran getan, von Lebenswerten zu sprechen, nicht einfach von (christlichen) Werten, auch wenn es die Webseite die «werte.ch»  oder «christlichewerte.ch» noch gar nicht gab und noch heute nicht gibt. Sie lassen sich leichter kommunizieren, wenn man sie mit gelingendem Leben verbindet. Denn «christliche Werte» werden heute leichthin zur Abgrenzung, insbesondere gegen den Islam, gebraucht.

Was sagt denn die Bibel?

Aber vielleicht kommt es heute mehr denn je darauf an, die Haltungen zu betonen, die wir mit den christlichen Werten verbinden. Sie werden vom Apostel Paulus im Galaterbrief in atemberaubender Kompaktheit zusammengefasst: «Die Frucht hingegen, die der Geist Gottes hervorbringt, besteht in Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Rücksichtnahme und Selbstbeherrschung.» Dass diese Werte von Paulus als «Frucht» einer geistlichen Haltung – bezeichnet werden, soll Christen zu denken geben. Denn «Frucht» eignet sich natürlich nicht als politisches Schlagwort – und schon gar nicht zur Abgrenzung von andern Gruppen. Vielleicht müsste auch in der politischen Diskussion wieder mehr die Haltung und Gesinnung angesprochen werden.

Zur Webseite:
Lebenswerte.ch

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Dossier Ehe & Familie

Datum: 05.12.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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