Justin Welby an Studientagen

«Ohne Evangelisation ist die Kirche nur eine NGO»

Justin Welby, der Erzbischof von Canterbury, gab an den vierten «Studientagen  seine Perspektive über das Wirken des Heiligen Geistes in der weltweiten Kirche weiter.
Justin Welby bei seinem Referat an den Studientagen zur theologischen und gesellschaftlichen Erneuerung» an der Uni Fribourg.
600 Teilnehmer waren an den Studientagen 2017 dabei.
Walter Dürr, Leiter des Studienzentrum Glaube und Gesellschaft

«Eines der am zuverlässigsten Zeichen für das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche liegt in der Überwindung von Grenzen», betonte der anglikanische Theologe in der Aula Magna der Universität Fribourg vor etwa 600 Zuhörern. Schon in der Apostelgeschichte seien durch die Kraft des Heiligen Geistes Mauern zwischen Arm und Reich, Sklaven und Freien sowie Juden und Heiden gefallen.

Ökumenische Erneuerung als Zeichen des Heiligen Geistes

Heute sieht Welby diese Kraft im Beginn einer ökumenischen Erneuerung. Als Beispiele nannte er etwa eine gemeinsame Erklärung, die er im letzten Oktober mit Papst Franziskus unterzeichnete sowie eine Gebetsinitiative mit dem Namen «Thy Kingdom Come», die in der anglikanischen Kirche begann, sich aber mittlerweile zu einer globalen Bewegung ausgweitet habe. Ein weiteres Zeichen des Heiligen Geistes erkenne man im sozialen Engagement der Kirche. «Es ist selbstverständlich, dass die Liebe, die man in Gott erfährt, sich in der Liebe für die Bedürftigen ausdrückt», so Welby.

Soziales Engagement und Evangelisation

Christliche Gruppen würden heute viel mehr als früher die Partnerschaft mit nichtchristlichen Gruppen suchen, um sich zusammen für das Gemeinwohl einzusetzen. «Darin sehen wir, dass die Liebe Gottes für die Armen, die Angst voreinander überwindet.» Im Vereinigten Königreich beobachte er dadurch aber keinen «Zusammenbruch in Form eines synchretistischen Einheitsbreis», sondern einen «gesunden Respekt für die gegenseitige Unterschiedlichkeit».

«Die Kirche existiert aus zwei Gründen»

Entgegen den Erwartungen habe das soziale Engagement auch nicht dazu geführt, dass die Evangelisation an Bedeutung verliere. Im Gegenteil. Als Beispiel nannte er «Tearfund», eine der grössten Entwicklungshilfe-Organisationen in Grossbritannien, deren Arbeit soziales Engagement und Verkündigung des Evangeliums verbinde.

Justin Welby betonte: «Die Kirche existiert aus zwei Gründen: Erstens, um Gott in Jesus Christus anzubeten und zweitens, um die Auferstehung und das Heil durch Christus zu bezeugen.» Wenn das nicht geschehe, sei die Kirche eine gute NGO, aber eben nur eine NGO.

Drei Prioritäten einer erneuerten Kirche

Welby nannte als wichtigste Priorität einer erneuerten Kirche die Betonung des Gebets. «Im Gebet erlauben wir Gott, uns zu formen. Wir üben uns darin, auf Gott und aufeinander zu hören.» Zweitens gehöre gelebte Versöhnung dazu, die sich etwa im ökumenischen Prozess widerspiegle. Als drittes Merkmal nannte er Evangelisation und Zeugnis. «Nicht um der Selbsterhaltung willen, sondern als ein Ausdruck des Wirkens des Heiligen Geistes unter uns.» Eine Kirche könne nicht mit dem Heiligen Geist erfüllt sein, ohne anderen von der Liebe und der Gegenwart Christi zu erzählen, betonte Welby.

An den Studientagen unter dem Motto: «Komm, heiliger Geist!» (19.-21- Juni) auf dem Campus Miséricorde der Universität Fribourg beleuchten rund 40 Referentinnen und Referenten aus verschiedenen konfessionellen Perspektiven das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche und der Welt. «Der Heilige Geist ist in allen Traditionen am Wirken und nicht etwa an eine bestimmte Traditions- oder Kulturform gebunden», sagt Walter Dürr, Direktor des Studienzentrums für «Glaube und Gesellschaft», das die Studientage ausrichtet. Am Montag sprachen neben Justin Welby auch der Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn und der britische Theologe N. T. Wright (Durham). Rund 600 Personen hatten sich im Vorfeld für die Konferenz angemeldet.

Zum Thema:
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Datum: 21.06.2017
Autor: Christof Bauernfeind
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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