Umweltveränderungen bringen noch mehr Armut für Afrika

Armut in Afrika

Nairobi. Die Vereinten Nationen prophezeien weltweit deutlich mehr Naturkatastrophen in den nächsten dreissig Jahren. Die Umweltveränderungen werden in Afrika die ohnehin prekäre soziale Lage verschärfen und die Armut vergrössern.

Es regnet in Kenia. Wilson Swenga sitzt auf einer Anhöhe und schaut auf die Fluten, die sein Dorf im Migori-Distrikt, im Südwesten Kenias verschluckten. Der 69-Jährige hat viele Fluten erlebt. Doch diese ist besonders: "Früher kamen die Fluten jedes Jahr, brachten Fisch, und das Wasser zog sich wieder zurück. Solch eine starke Flut habe ich noch nie gesehen." Nach ungewöhnlich starken Regenfällen traten im April und Mai 2002 zahlreiche Flüsse in Kenia über die Ufer. 53 Menschen ertranken oder wurden von Schlammlawinen mitgerissen, mehr als 150000 wurden obdachlos.

Hier Fluten und dort Dürre

1500 Kilometer weiter, im Süden Afrikas, brauchen die Menschen hingegen nichts dringender als Wasser: Seit Dezember 2001 hat es in der Region nicht mehr geregnet, eine Hungersnot entwickelt sich. Zehn Millionen Menschen droht nach Angaben des Welternährungsprogramms (WFP) der Hungertod, wenn keine internationale Hilfe kommt. In einem Appell an die Welt schreiben die Priester des Bistums Lilongwe in Malawi: "In einigen unsere Pfarreien kommen die alten Menschen gar nicht mehr in die Kirche. Sie bleiben in ihren Häusern und warten auf den Tod. Sie haben keine Nahrung und kein Geld, Essen zu kaufen."

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) in Nairobi hält eine düsterere Prognose bereit: Naturkatastrophen wie die Überflutungen in Kenia und die Dürre im südlichen Afrika werden in den nächsten dreissig Jahren weltweit deutlich zunehmen: "Es gibt wachsende Befürchtungen, dass sowohl die Zahl als auch die Intensität von Naturkatastrophen zunehmen werden", warnt UNEP in ihrem jüngst veröffentlichten Global Environment Outlook 3 (GEO-3) Bericht, der einen Ausblick auf die Umwelt in den nächsten dreissig Jahren wagt.

Afrika besonders betroffen

Die Menschen in Afrika werden besonders stark von den verheerenden sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen der Katastrophen betroffen sein: "Durch die weitverbreitete Armut und die geringen Investitionen in die Entwicklung der Infrastruktur sind Millionen Menschen (in Afrika) in Gefahr, unter den Auswirkungen von Fluten, Dürren und dem Ausbruch von Seuchen leiden zu müssen", warnt UNEP in einer Zusammenfassung des noch unveröffentlichten Africa Environment Outlook Report.

Der Trend scheint sich in Afrika bereits seit einigen Jahren abzuzeichnen. Im Jahr 2000 waren weite Teile Mosambiks nach wochenlangen Regenfällen überflutet. Die Fluten richteten einen Sachschaden von 273 Millionen US-Dollar an und warfen das Land in der wirtschaftlichen Entwicklung zurück. Im gleichen Jahr drohte zehn Millionen Menschen in Äthiopien nach eine starke Dürreperiode der Hungertod. Weite Teile Mosambiks und Malawis waren nach starken Regenfällen 2001 wieder überflutet, 400.000 Menschen waren in Mosambik in Lebensgefahr. Und nun die Dürre im südlichen Afrika.

Teufelskreis aus Armut, Unterentwicklung und Naturkatastrophen

Naturkatastrophen aber führen nicht automatisch zu humanitären Katastrophen: "Eine humanitäre Katastrophe entsteht weder nur durch eine Naturkatastrophe noch wegen wirtschaftlicher und sozialer Probleme allein. Es ist eine Kombination beider Faktoren", sagt Brenda Barton, Sprecherin des Welternährungsprogramms in Nairobi.

Ein Teufelskreis aus Armut, Unterentwicklung und Naturkatastrophen ist der Grund dafür, dass Naturkatastrophen in Afrika zu humanitären Katastrophen führen, während andere betroffene Regionen mit den Auswirkungen solcher Katastrophen besser fertig werden: "Afrikas Menschen und Wirtschaft sind von der Landwirtschaft abhängig, die für Wetterveränderungen extrem anfällig ist", erklärt GEO 3.

Der Bericht zählt Landerosion, Abholzung der Wälder, Wassermangel, Küstenerosion, Überflutungen, Dürren und bewaffnete Konflikte als ökologische Probleme in Afrika auf. Globale Phänomene verstärken die lokale Umweltzerstörung: "Afrika bekommt die Auswirkungen vieler globaler Umweltprobleme ab. Eigentlich müsste Afrika viel mehr internationale Hilfe erhalten, denn die afrikanische Bevölkerung muss den Preis für globale Probleme zahlen", sagt ein Mitglied des GEO-3 Koordinationsteams der UNEP.

Nur 3,5 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Produktion

So trägt Afrika beispielsweise zu gerade 3,5 Prozent des weltweiten Aufkommens des Treibhausgases Karbondioxid bei, ist den Konsequenzen des Treibhauseffektes aber schutzlos ausgeliefert. "Diese und andere Probleme haben die Umwelt verändert und zu mehr Unterentwicklung, Armut und Nahrungsmittelkrisen geführt", bemerkt GEO-3.

Die Einflüsse lokaler und globaler Umweltzerstörung lösen die Naturkatastrophen aus, unter denen der Grossteil der afrikanischen Bevölkerung leidet. Wenn extreme Wetterbedingungen wie Dürre oder Fluten die Landwirtschaft einer Region zerstören, fehlt den Menschen ihre einzige Lebensgrundlage (Mehr als 60 Prozent aller Afrikaner leben von Landwirtschaft, die 17 Prozent des Bruttoinlandproduktes des gesamten Kontinents ausmacht).

Armut erlaubt keine nachhaltige Bewirtschaftung

Ohne alternative Einkommensquellen ist eine Hungersnot unausweichlich. Die aktuelle Hungersnot im südlichen Afrika illustriert diese Theorie: Starke Regenfälle und eine anschliessender Dürre brachten die Landwirtschaft zum Erliegen. In Ländern wie Malawi, in denen 80 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben, ist dies eine Katastrophe. Moderne Anbautechniken, Bewässerungsanlagen und Dünger, die trotz der Trockenheit zu geringen Erträgen geführt und die Katastrophe abgemildert hätten, fehlen den meisten Kleinbauern.

Viele Böden sind nach jahrelanger Anpflanzung von Monokulturen ausgelaugt. Ohne Einkommen aus der Landwirtschaft und ohne andere Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu verdienen, müssen die Menschen in den ländlichen Gebieten nun Hunger leiden. Das Welternährungsprogramm fürchtet, dass zehn Millionen Menschen nur durch schnelle Nahrungsmittelhilfen überleben können.

Der einzige Ausweg aus der Krise ist eine entschiedene Bekämpfung der Armut und Entwicklung der Länder. "Die Armut zwingt die Menschen, ihre natürlichen Ressourcen ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeit zu konsumieren. Wenn Menschen um ihr Überleben heute oder morgen kämpfen müssen, können sie die natürlichen Ressourcen nicht schonend nutzen, so dass sie irgendwann aufgebraucht sind", erklärt ein Mitarbeiter der GEO-3 Koordinationsteams des UNEP in Nairobi.

William Nyakwada, stellvertretender Direktor des kenianischen Wetterdienstes, stimmt zu: "Die internationale Gemeinschaft muss Wege finden, die wirtschaftliche Lage der Menschen in den ländlichen Entwicklungsländern zu verbessern, damit sie in der Lage sind, mit den Auswirkungen von Naturkatastrophen fertig zu werden. Es ist besser, sie auf Katastrophen vorzubereiten, als ihnen hinterher Nahrungsmittelhilfe zu geben".

Nächster Umweltgipfel in Afrika

Im August wird sich der Weltgipfel über nachhaltige Entwicklung mit der Frage befassen, wie nachhaltige Entwicklung den Teufelskreis aus Armut und Umweltzerstörung sprengen kann, der Naturkatastrophen zu humanitären Katastrophen ausweitet.

Passenderweise findet der Gipfel in Afrika statt, im südafrikanischen Johannesburg. Viele Beobachter hoffen, dass die geografische Nähe der Delegierten zu den betroffenen Ländern dazu führen wird, dass sie praktische Lösungen zu diesem Teufelskreis finden, damit William Swenga nicht noch einer Flut schutzlos ausgeliefert ist.

Datum: 11.06.2002
Autor: Daniel Pelz
Quelle: Kipa

Werbung
Livenet Service
Werbung