Das Wunder von Manhattan: Die Trinity-Kirche blieb unzerstört

Die Trinity Church in New York

New York. "World Trade Center" steht auf den Wagen der U-Bahnlinie E - so als hätte es die Terroranschläge vom 11. September nie gegeben. Und auch die Trinity Church in Manhattan, unzerstört in der Nähe des ehemaligen World Trade Centers gelegen, strahlt wie je und je majestätische Würde aus.

Noch immer hängen die Menschen am Kirchenzaun Briefe, Fotos, T-Shirts, Teddybären und Fahnen mit Gebeten oder Trauerbekundungen von allen Seiten dort auf. Manche schreiben ihren Namen spontan dazu, andere lesen andächtig die Traueranzeigen toter Feuerwehrmänner oder anderer Opfer.

Die zur Kirche gehörende Pauls-Kapelle, unmittelbar auf der anderen Strassenseite gegenüber dem World Trade Center gelegen, wurde zum zentralen Sammelpunkt des Gedenkens für Menschen aus der ganzen Welt. "Wir haben hier eine regelrechte Wallfahrt erlebt", erzählt John Allen, der für die Öffentlichkeitsarbeit der Trinity Church zuständig ist. Für ihn ist Sankt Paul ein Symbol der Hoffnung in all der Tragik des Terrors. In den Medien wurde das Überleben der Kirche als "das Wunder von Manhattan" gefeiert.

Dankbarkeit ausdrücken

Rund 2800 Todesopfer werden beklagt. Von weniger als der Hälfte wurden sterbliche Überreste gefunden. Bei den Bergungs- und Aufräumarbeiten konnte kaum schweres Gerät eingesetzt werden. Hunderte von Freiwilligen räumten den Schutt per Hand und mit einfachen Werkzeugen ab. In der Kapelle wurden die Helfer acht Monate lang mit Essen und Getränken versorgt. Hier konnten sie ausruhen, schlafen, beten. "Interessanterweise wollten die Angehörigen der Opfer, die hierher kamen, weniger mit einem Pfarrer sprechen als mit diesen Arbeitern und Freiwilligen der Bergungstrupps, um ihnen ihre Dankbarkeit ausdrücken zu können", erinnert sich John Allen.

"Wir hatten hier ein Paar, das in unserer Kirche getraut worden war. Der Mann starb bei dem Anschlag, man fand monatelang keine Überreste", erzählt Allen. Wann soll man sich dann entscheiden, eine Beerdigung zu halten? Was soll man beerdigen? Seine Kleider? Sein Foto? Und was ist, wenn man nach der Beerdigung doch noch etwas von ihm findet, einen Fingernagel oder Zähne? Öffnet man dann noch einmal den Sarg oder die Urne? "Die Ehefrau hat sich entschieden, den Staub aus der Baugrube zu bestatten, in dem ja im gewissen Sinne auch ihr Mann enthalten sein musste", schildert Allen die Schwierigkeiten von Trauer und Bestattung für so viele Hinterbliebene.

Hoffen auf irdische Spuren

Die Bergungsarbeiten an "Ground zero" wurden im Mai offiziell abgeschlossen. Leichenreste hofft man noch in den umliegenden Hochhäusern zu finden, die allmählich wieder in Stand gesetzt werden. Die Baugrube ist zur Touristenattraktion geworden. Fliegende Händler verkaufen Bücher, T-Shirts und Nippes, auf denen die Doppeltürme abgebildet sind. Auf einer provisorischen Plattform kann man in die Tiefe schauen. Für die Angehörigen gibt es eine eigens abgeschirmte Plattform.

Am Bauzaun und in der amerikanischen Öffentlichkeit generell reissen die Diskussionen über die Zukunft dieser teuersten Immobilien der Welt nicht ab. Es gibt Entwürfe für ein Mahnmal, zum Beispiel, die symbolischen Fussabdrücke der Opfer auf der Grundfläche der einstigen Doppeltürme abzubilden. Andere Stimmen fordern den Bau eines noch grösseren Hochhauses, als es das World Trade Center gewesen ist. "Das ist Denkmal genug, denn wenn wir nicht wieder alles aufbauen, dann haben sie uns besiegt", so ein Besucher am Bauzaun.

Datum: 06.09.2002
Quelle: Kipa

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