Freude in kubanischen Hauskirchen

Thomas Kemper, Missionssekretär der Methodistenkirche in Deutschland, hat vor kurzem Kuba besucht. Sein Bericht (leicht gekürzt):

Guantanamo - Sonntags um 8 Uhr: Gottesdienst am äussersten östlichen Ende Kubas. In einer wackeligen Hütte ohne Glasfenster sitzen fast 40 Menschen dicht gedrängt auf Holzlatten. Zum Lobpreis und Gebet steht die methodistische Gemeinde auf. Ihr begeisternder Glaube steckt an. Der Heilige Geist ist spürbar gegenwärtig und es scheint, dass er das löchrige Kirchendach trägt.

Wir sind in einer der über 500 Hausgemeinden - Casa Culto - der methodistischen Kirche auf Kuba. Weil die kubanische Regierung nur sehr restriktiv den Bau und die Renovierung von Kirchen erlaubt, haben die Kirchen überall solche Hausgemeinden gegründet. So ist das Evangelium den Menschen sehr nahe gekommen. In ihr Hochhaus, ihr Wohnviertel, ihr Dorf. Die Christen leben mit den Menschen die Gute Nachricht. Sicher eine Erklärung für das rasante Gemeindewachstum auf Kuba. Allein die Methodisten zählen heute 11'000 Mitglieder. Etwa 30'000 Menschen besuchen regelmässig ihre Gottesdienste und Veranstaltungen. Jeden Monat werden ein, zwei neue Gemeinden gegründet.

Dies war nicht immer so. Nach der kubanischen Revolution 1959 wurden die Kirchen verfolgt. Viele Christen standen auch gegen die Revolution und verliessen das Land in Richtung USA. Am Tiefpunkt hatte die methodistische Kirche noch zwei ordinierte Pastoren und etwa 1.000 Mitglieder. "In diesen schwierigen Zeiten," so der derzeitige Bischof Ricardo Pereira, "seid ihr an unserer Seite gestanden". Es waren die Christen und gerade auch die Methodisten in der ehemaligen DDR, die in diesen Jahrzehnten den Kontakt und die Geschwisterlichkeit mit Kuba gepflegt haben.

10.00 Uhr in Guantanamo: Inzwischen sind wir in der renovierten methodistischen Zentralkirche im Stadtzentrum. Hunderte von Menschen sind zum Gottesdienst gekommen, selbst auf der Strasse stehen sie. Die Musik ist sehr laut, aber auch sehr gut. Die Musik vereint alle Rhythmen, die Kuba berühmt gemacht haben. Der Gottesdienst dauert - wie auf der Insel üblich - drei Stunden. Keiner verlässt die Kirche, im Gegenteil - es kommen immer mehr hinzu. Kein Gottesdienst ohne einen Aufruf zur Entscheidung für Christus. Dies ist eine evangelisierende Kirche und eine sehr kubanische dazu: Sehr viele der Gottesdienstbesucher sind Schwarze, die Mehrzahl junge Leute. Später berichtet mir der Bischof, dass 80% der Pastoren unter 40 Jahren sind. Heute ist die Methodistische Kirche vielleicht die in Hautfarbe, Alter und regionaler Zusammensetzung kubanischste der protestantischen Kirchen auf der Insel.

Die Beziehungen zur Regierung haben sich entspannt. Im Gottesdienst grüsst der örtliche Parteivorsitzende mit den Worten "Companheiros e Hermanos" - Genossen und Brüder. Am Abend auf der Insel der Jugend nehmen ich an einer kleinen Feier teil, bei der ein Kirchengebäude wieder an die Methodisten zurückgegeben wird. Es ist über Jahrzehnte als Metzgerei benutzt worden. Mit grosser Begeisterung stehen einige Hundert Menschen am späten Abend auf der Strasse, um diesen etwas zerfallenen Bau wieder entgegenzunehmen.

Zu Beginn der 90er Jahre musste die Wirtschaft über Nacht auf die Bedürfnisse des Weltmarkts umgestellt werden. Inzwischen ist dies weitgehend gelungen, aber die Aussichten sind nach wie vor schwierig. Ein Ausweg schien die Wiederbelebung des Tourismus zu sein. Heute kommen alleine aus Deutschland jährlich 300'000 Touristen nach Kuba. Die Folgen sind eine "Dollarisierung" der Gesellschaft. Wer Dollars hat, kann in den Dollarläden alles kaufen, was sonst auf dem Markt nur schwer zu erhalten ist. Wer als Türhüter oder Taxifahrer im Touristengebiet arbeitet, verdient durch Dollar-Trinkgelder mehr, als ein Arzt pro Monat in kubanischen Pesos bekommt. Dies hat zu neuen Ungleichheiten zwischen Dollar-Reichen und Peso-Armen geführt. Die Folgen sind wachsende Kriminalität, Prostitution und eine immer grössere Spaltung der Gesellschaft.

Datum: 22.07.2002
Autor: Thomas Kemper
Quelle: EMK Deutschland

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