Besondere «Männerarbeit»

Was Männer unter 13 Jahren brauchen

Das «Camp Adventure für Männer unter 13 Jahren» ist eine ungewöhnliche Freizeit. Diese besondere Art der «Männerarbeit» macht Stefan Kaiser seit ein paar Jahren beim ECJA, der Kinder- und Jugendarbeit des Chrischona Gemeinschaftswerks Deutschland. Er erzählt, wie Männer das sein können, was Jungs brauchen: nämlich Vorbilder.
Jungs am Lagerfeuer
Stefan Kaiser
Spass im Kletterpark

Väter und Mütter reagieren in der Regel unterschiedlich, wenn sie von dem «Camp Adventure für Männer unter 13 Jahren» lesen. Väter sagen: «Da muss mein Sohn hin» – «Endlich mal ein Projekt, wo man sich austoben kann» – «Da würde ich auch gerne mitfahren – schade, dass ich zu alt bin». Mütter sagen: «Das ist zu gefährlich» – «Und wenn er sich verletzt?» – «Kann mein Sohn das?» In dem Einladungs-Flyer zur Freizeit legen wir noch einen drauf und provozieren – weil Jungs im Camp all das tun dürfen und sollen, was sie in ihren behüteten Kreisen und zu Hause nicht dürfen! Eine Kampfansage an eine frauendominierte Gemeindewelt?

Wie die Idee entstand…

Schon länger beschäftigte uns im ECJA die Frage, warum Jungen in unserer Arbeit mit Kindern oft gelangweilt und desinteressiert sind oder einfach nur stören. Bei Anfragen nach Schulungen in unserem Verband begegneten uns immer wieder Fragen zu Disziplin bei Kindern und zum Umgang mit «wilden Jungs» (interessanterweise eher von den weiblichen Mitarbeitern). Uns fiel auf, dass es wenige männliche Mitarbeiter in der Arbeit mit Kindern gibt. Aber wo Männer mitarbeiten, fahren die Kinder (nicht nur Jungs!) auf diese Mitarbeiter unglaublich ab!

Beim kritischen Betrachten unserer Gemeinden ist uns ausserdem aufgefallen, dass es generell immer weniger Männer in den Gemeinden gibt und oft ein «femininer Touch» vorherrscht. Interessanterweise gibt es in Verantwortungspositionen viele Männer, aber an der Basis der Gemeinde, in der klassischen Mitarbeit, in unseren normalen Veranstaltungen werden sie immer weniger. Unsere Jungs haben in den Gemeinden oft niemand mehr, der ihnen als männliches Vorbild dienen kann.

Was Jungs brauchen und man(n) machen kann

Es hilft nichts, immer nur zu klagen, wie schlecht alles sei. Besser wir richten den Blick nach vorne und tun etwas – besonders wir Männer. Es ist ebenso keine Lösung zu denken, Frauen seien das Problem, weil sie alles dominieren. Wir haben als Männer eine Verantwortung, nicht nur uns selbst gegenüber, sondern auch gegenüber unseren Jungs. Gibt es spezielle männliche Themen, Bilder, Sprachen? Gibt es spezielle Methoden? Besteht die Gefahr, durch die klischeehafte Meinung, wie Männer sind, in das andere Extrem zu kippen? Gibt es auch Grenzen? Viele Fragen beschäftigten uns – und unsere Reaktion darauf waren Zielvorstellungen, geleitet von der Frage, was wir im Jugendverband tun können.

Folgende Ziele haben wir formuliert:

  • Wir wollen Jungs das Vertrauen entgegenbringen, dass sie etwas können.
  • Wir wollen Vorbild sein.
  • Wir wollen nicht immer verbieten, sondern auch zulassen und die Spannung von Grenzsituationen aushalten.
  • Wir wollen das «Männlichsein» bejahen, in all seinen Facetten.
  • Wir wollen die Entwicklung des Selbstbewusstseins unterstützen.
  • Wir wollen der Einstellung «Gute Jungs sind wie Mädchen» entgegenwirken und den Jungs die Chance geben, so zu sein, wie sie sind.
  • Wir wollen keine «Stammtischparolen» darüber, wie ein echter Mann zu sein hat.
  • Wir wollen, dass Jungen nicht als Problem angesehen werden.

Wie die Idee vom «Camp Adventure» entstand

Einige Männer taten sich zusammen und die Idee eines Jungen-Camps entstand. Das Camp sollte ein Ort sein, an dem Jungs das tun dürfen, was sie zu Hause und in ihrer Kinder- und Jugendarbeit nicht dürfen: Feuer machen, Holz hacken, rund um die Uhr schnitzen und im Stehen pinkeln. Jungs sollten mal so richtig auf ihre Kosten kommen. Darüber hinaus wollten wir uns Gedanken darüber machen, was Gott sich für junge Männer denkt und spezielle Workshops zu spannenden Dingen anbieten. Wir begannen, dies umzusetzen. Schnell fanden wir ein ideales Gelände: Zwei Jagdhütten, von einem Grafen zur Verfügung gestellt, mitten in einem einsamen Wald im Vogelsberg, sollte der Ort für vier Tage «Männerträume» werden. Pfingsten 2011 startete das erste Camp für Männer unter 13.

Die Jagdhütten haben weder fliessend Wasser noch Strom. Alles, was man zum Leben braucht, muss gemeinsam organisiert werden, und das ist gar nicht so einfach: Wasser holen, Feuer vorbereiten und erhalten, dem Koch beim Zubereiten des Essens über offenem Feuer helfen. Es ist interessant, wie schwierig es sein kann, wenn man die sonst so selbstverständlichen Alltäglichkeiten jeden Tag neu organisieren muss! Die Jungs haben beim Camp die Möglichkeit, selber aktiv zu werden und den Alltag nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten. Tolle Workshops gibt es bei den Camps, vorbereitet von grossen und kleinen, alten und jungen, aber immer «echten Männern». Zum Beispiel «Baumklettern», an dem man mit Kletterausrüstung in einer grossen Eiche unterwegs war, und sogar eine Nacht im Baum übernachten konnte. Oder «Überlebenstraining», «Orientierung mit dem Kompass» oder «Bauen mit Holzstämmen», in dem wir eine Dusche und eine Riesenhollywoodschaukel bauten.

In den Bibelarbeiten ist uns wichtig, erfahrbare und praktische Momente für Kopf, Herz und Hand einzubringen. Die Themen orientieren sich an Themen für Jungs: über Gott als Vater, über starke und schwache Männer und was die Bibel dazu sagt, über biografische Berichte von eingeladenen gestandenen Männern. Abgerundet wird jedes Camp mit einem Spanferkelessen mit den Eltern, wo die Jungs präsentieren, was sie gemeinsam während des Camps gemacht haben.

Auswirkungen auf die Männer

Wir merken, dass das Projekt «Camp Adventure» später auch Auswirkungen auf Männer im ECJA und Chrischona Gemeinschaftswerk hat – sogar stärker als angenommen. Wir erleben immer wieder, dass die Teilnehmer von früher heute tolle Mitarbeiter in der laufenden Kinder- und Jugendarbeit sind und oft auch in Bereichen unterwegs sind, wo sie in ihrer Art als Männer gefragt sind. Sie übernehmen Verantwortung und werden für andere Jungs und Männer zum Vorbild. Aus dem Camp Adventure ist ein weiteres Projekt entstanden: Eine Männerfreizeit, in denselben Jagdhütten, an der Männer einen Motorsägenschein machen können und daneben auch lernen, mit der Säge zu schnitzen oder Bänke zu bauen. Natürlich bauen wir auch spezielle Angebote ein wie etwa einen Smoker-Kurs oder eine Whisky- oder Schnapsverkostung. Auch hier greifen wir immer wieder biblische Themen über das «Mannsein» auf. Diese Freizeit führen wir mittlerweile seit fünf Jahren durch, und auch hier merken wir: Männer fahren verändert nach Hause und prägen mit ihrem Mannsein ihre Gemeinde.

Zum Autor

Stefan Kaiser ist Bildungs- und Kinderreferent beim ECJA, der Kinder- und Jugendarbeit des Chrischona Gemeinschaftswerks Deutschland.

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Datum: 24.04.2017
Autor: Stefan Kaiser
Quelle: Chrischona Panorama

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