Maries Vater:

«Gott ist nicht aus meinem Leben verschwunden»

Im Mai 2013 wurde die 19-jährige Marie Schluchter von einem rückfälligen Sexualstraftäter ermordet. Heute spricht ihr Vater, ein reformierter Pfarrer, über seine Gefühle.
Apologize
Pfarrer Antoine Schluchter, der Vater von Marie Schluchter
Marie Schluchter

Hat der Verlust Ihrer Tochter Ihren Glauben an einen Sinn im Leben infrage gestellt?
Eine schwierige Frage. Der Verlust von Marie ist ein Unsinn. Ich konnte es nicht akzeptieren, wenn man mir sagte: «Das ist das Leben.» Für mich ist das genau das Gegenteil von Leben. Gleichzeitig sagt uns die Hoffnung auch, dass das Leben mehr ist als das irdische Dasein. Der Tod von Marie beendet ihr Leben auf Erden, aber es ist nicht das Ende. Ich muss mich nicht darum sorgen, was mit Marie jetzt geschieht. Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens müssen wir auch anerkennen, dass wir nicht alles kontrollieren und verstehen.

Hat Ihr Glaube durch dieses Schicksal an Tiefe gewonnen?
Der Glaube, das ist das Vertrauen zu Gott. Es ist nicht der erste Schicksalsschlag, den ich erlebe, aber der schwerste. Gott ist in diesem schweren Moment nicht aus meinem Leben verschwunden. Also kann ich ihm auch das anvertrauen, was ich nicht verstehe.

Was hat Sie getröstet?
Die Grausamkeit dieses Ereignisses hat eine riesige Welle von Anteilnahme ausgelöst. Es ist ein Privileg, wenn man von Behördenmitgliedern oder Polizisten hört: «Wir beten für euch.»

Wie denken Sie an den Mörder Ihrer Tochter?
Ich bin keineswegs von Rache- oder Hassgefühlen beherrscht. Irgendwie haben wir diesen Mord Gott und den Gerichten anvertraut. Meine Motivation ist nicht, dass der Mörder bestraft wird, aber es ist wichtig, dass er nie wieder anderen Menschen solchen Schaden zufügen kann. Unser Gebet geht noch weiter: Wenn er sich Gott zuwenden würde, wäre das der schönste Sieg!

Diese Aussage ist sehr mutig.
In der Tat: Viele waren erstaunt über unsere Weigerung, uns dem Hass hinzugeben. Wir haben bei den Menschen um uns viel Respekt und Mitleid gespürt. So fallen viele Mauern und wir können uns direkter über sehr tiefsinnige Dinge unterhalten.

Datum: 09.01.2014
Autor: Sandrine Roulet / Thomas Härry
Quelle: viertelstunde für den Glauben

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