«Glaube aus Psalmen geborgt»

So fand Brian Doerksen aus seiner Krise

Vor wenigen Tagen publizierte Brian Doerksen mit seinem aktuellen Ensemble «The Shiyr Poets» ein Album, das sich um die Psalmen dreht. Zurzeit tourt er mit dieser Formation durch den deutschsprachigen Raum – gestern in Gevelsberg (D, 17.05.16) sowie am Wochenende in Steffisburg (CH, 20.05.16), Thun (CH, 21.05.16) und Wädenswil (CH, 22.05.16). Gegenüber «Livenet» erklärte er sein jüngstes Schaffen und wie er seine Krise bewältigen konnte.

Brian Doerksen

Quelle: zVg

The Shiyr Poets

Quelle: zVg

Livenet: Brian Doerksen, die Frage hören Sie vermutlich nicht zum ersten Mal, aber uns interessiert sie natürlich ebenfalls: Seit 2010 produzierten Sie kein Solo-Album mehr – wann kommt Ihr nächstes Album raus und was beinhaltet es?
Brian Doerksen: Ich geniesse im Moment eine Zeit, in der meine Aufnahmen und öffentlichen Konzerte sich weniger um «Brian Doerksen» und vielmehr um einen besonderen Freundeskreis drehen, den wir «The Shiyr Poets» nennen. Bezüglich eines nächsten Albums kann ich heute schon sagen, dass ich derzeit eine Single eines neuen Anbetungsliedes mit dem Titel «Scars On His Hands» ('Gezeichnet vom Kreuz') aufnehme. Es wird diesen Sommer bei «Vineyard Music» erscheinen.

Sie sind nun in Deutschland und der Schweiz mit «The Shiyr Poets» unterwegs, was erwartet die Besucher?
Unsere Auftritte bestehen aus einer Mischung meiner wohlbekannten Liedern und unseren Folk-Rock-Kompositionen zu den uralten Psalmen. Bis heute hatten wir auf der aktuellen Tour sehr besondere Abende und wir spüren eine enge Verbindung mit dem jeweiligen Publikum. Ich denke, dass es Wert ist, den Abend so zu verbringen – besonders, wenn man sich für Musik gerne öffnet. Denn es gibt nichts Vergleichbareres zur Kraft von Live-Musik, die deine Emotionen berührt. Und für mich ist es so, dass diese Abende zutiefst geistlich sind, ohne dass wir das «machen».

Die Geschichte hinter «The Shiyr Poets» ist eine ganz besondere – was ist passiert?
Es ist eine Kombination aus mehreren Faktoren, die ineinander übergehen. Einer davon ist Freundschaft. Wir sind seit langer Zeit miteinander befreundet und wir lieben es, miteinander zu musizieren. Aus unterschiedlichen Gründen fühlten wir uns alle zu den Psalmen hingezogen. Für mich war der Hauptgrund, dass ich damals keine Liedtexte schreiben konnte. Ich hörte mit dem Liederschreiben auf und hatte Mühe zu beten. Dann fand ich heraus, dass die Psalmen die Worte beinhalteten, die ich in dieser Zeit brauchte. Teresa Trask arbeitet mit Frauen, die sich aus einer Sucht herausbewegen, und fand dabei heraus, dass sich diese Frauen mit den Klage-Psalmen identifizieren können. Wir hatten alle persönlichen Gründe, warum wir in diesen uralten künstlerischen Strom von menschlicher Spiritualität eintauchen wollten, und wir lieben die Reise.

Sie sind damals von 2010 bis 2012 durch eine schwere Zeit gegangen. Wie haben Sie aus der Krise herausgefunden und was raten Sie Menschen, denen es gleich ergeht?
Diese zweijährige Krise, in denen ich meine Fähigkeit, Liedtexte zu schreiben, für einige Zeit verlor, hat mich verändert. In diesem Zeitraum, in dem ich mir nicht über jeden Aspekt meines Glaubens sicher war, borgte ich mir den Glauben aus den Psalmen… und vertraute darauf, dass das, was für Gläubige für Tausende von Jahren wahrhaftig gewesen war, auch meine Wahrheit sein kann, während Gott mich erneuert. Ich will damit nicht sagen, dass ich alle Antworten habe und dass ich alles weiss. Ich bin auf einer Reise, einer Glaubensreise – keine Reise voller Gewissheit, sondern voller Vertrauen. Dies ist meiner Meinung eines der hilfreichsten Dinge, wenn wir mit dem Glauben sowie schwierigen und abgründigen Emotionen ringen, dass wir ehrlich mit unseren Schwierigkeiten umgehen.

Finde Wege, um deine wirklichen Gefühle auszudrücken. Wenn du viel trauern musst, lebe die Trauer aus. Beschleunige den Prozess nicht. Es gibt so viele unbetrauerte Sorgen in uns, die sich mit unserem Leid vermischen, wenn wir versucht sind, allen Schmerz in uns hineinzufressen. Ich glaube, dass, wenn wir unseren Weg durch das Buch der Psalmen beschreiten und damit all diese verschiedenen Gefühle und menschlichen Ausdrucksweisen besitzen, wir damit die Erlaubnis gewinnen können, dies alles zu fühlen.

Die Psalmen sind wie ein Skript – sie führen uns in eine grössere Ehrlichkeit in unserem Ausdruck von Anbetung und Spiritualität. Ich glaube, dass, wenn wir das tun, es uns auch darin hilft, wieder auf einer anderen Seite herausgeführt zu werden – nämlich an einen Ort des Friedens und der Befreiung. Wie Walter Brueggemann es lehrt: Es gibt Psalmen der Orientierung, der Desorientierung und Re-Orientierung. Es gibt keine Abkürzungen, um das Land der Re-Orientierung zu erreichen. Wir müssen alle die Reise durch die Desorientierung auf uns nehmen. Das ist einer der Gründe, warum wir unsere Alben «Songs for the Journey» ('Lieder für die Reise') genannt haben.

Welches Ihrer frühen Lieder bewegt sie heute besonders?
«Creation Calls» bewegt mich immer noch. Ich werde auch nie müde, eines meiner weniger bekannten Lieder, «Enter the rest of God» ('Komm in die Ruhe Gottes'), zu singen, denn ich muss die Einladung Jesu immer und immer wieder hören. Und an jedem Konzertabend singen wir einige meiner meist bekanntesten und beliebtesten Lieder wie «You shine», «The River» und «Hallelujah». Das Publikum lächelt und ihre Stimmen vereinen sich mit den unseren und helfen mir, die Beziehung zu diesen Liedern aufrecht zu erhalten. Das ist das Besondere an Live-Musik – es ist eine Beziehung und diese hat realen Einfluss auf uns Songwriter und Musiker. Wir kommen, um dem Publikum zu dienen… und das Publikum wiederum ermutigt und dient uns durch seine Präsenz und die innere Anteilnahme.

Welche Momente in Ihrer Arbeit bewegen sie am stärksten?
Als eine kreative Persönlichkeit bin ich am meisten berührt, wenn ich kreativ bin. Wenn ich alleine bin und an etwas schreibe… vor allem, wenn ich im kreativen Prozess bin. Es gibt nichts Besseres als das. Oft fliessen Tränen. Und ansonsten bewegt es mich am meisten, wenn mir Menschen ihre persönlichen Geschichten erzählen.

Haben Sie ein Erlebnis – vielleicht sogar von der aktuellen Tour –, bei dem das Leben von jemandem durch Ihr Konzert verändert worden ist?
An jedem Abend dieser Tour treffe ich ein paar erstaunliche Menschen, die mir ihre Erfahrungen mitteilen, wie sie zutiefst durch eines oder mehrere Lieder verändert wurden. Einige waren vaterlos und haben durch das Anhören meines Projekts «Father's House» ('Vaterhaus') Heilung erfahren. Einige von ihnen teilen ihre Geschichten mit mir, wie sie durch lange, dunkle Täler gingen und wie es ihnen half, mit einem Lied wie «Psalm 13 – How long o Lord» ( 'Wie lange, oh Herr') oder «Your Faithfulness» ('Deine Treue') durchgehalten haben. Diese Momente, in denen ich diesen Menschen persönlich begegne, sind wahrscheinlich die grösste Motivation, warum meine Frau und ich den Preis bezahlen, dass ich auf Tour unterwegs sein kann.