Miet-Disco in Kirche: Tabubruch oder belebendes Experiment?

disco

Zürich. Zu sehr gemischten Reaktionen hat eine am letzten Freitag in der reformierten Kirche St. Jakob in Zürich durchgeführte Disco-Party ausgelöst. Während der Zürcher Kirchenratspräsident Ruedi Reich den Anlass als ein "problematisches Zeichen" und als "Tabubruch" ansieht, hebt die zuständige Kirchgemeindepräsidentin Jutta Müller die Bedeutung der "Citykirche" als "Gottes- und Menschenhaus" hervor.

Die zuständige Zürcher Kirchgemeinde Zürich-Aussersihl hatte sich kürzlich dafür ausgesprochen, die Citykirche Party-Veranstaltern vorerst für einen einmaligen Anlass zu vermieten. Die Disco stieg denn auch am vergangenen Freitag und war gemäss Medienberichten sehr gut besucht. Die Vermietung brachte der Kirchgemeinde rund 2.000 Franken ein.

Einige Kirchenmitglieder goutierten den Entscheid der Kirchgemeinde jedoch überhaupt nicht und traten aus der Kirche aus. Gemäss Ruedi Reich waren es vier, gemäss Jutta Müller zwei. Für Reich ist dies ein Ausdruck dafür, dass "sich viele Leute verletzt fühlten und den Anlass als eine Art Ausverkauf der Kirche empfanden". Die Disco sei ein problematisches Zeichen, erklärte Reich gegenüber dem Zürcher "Tages-Anzeiger".

"Kulisse"

"Wir müssen ein geistliches Profil bewahren, an dem die Leute uns erkennen. Das Bedürfnis, dass es neben dem Freizeit- und dem kommerziellen Bereich auch Orte geben soll für Spirituelles, ist aktueller denn je, was sich gerade nach den traurigen Ereignissen im letzten Herbst zeigte", so Reich. Mit kirchlichen Symbolen und Räumen dürfe man aber nicht unbedacht einen Tabubruch vornehmen.

Es gehe ihm nicht darum, die Jugendkultur auszugrenzen, und er schätze die phantasievolle Arbeit der offenen Kirche St. Jakob. In dem Fall habe jedoch die Kirche "nur als Kulisse" gedient". Dabei seien Kirchen ein Symbol für die Präsenz Gottes in der Welt, sagte Reich.

Mut zu belebenden Experimenten

Eine Citykirche sei ein Gottes- und ein Menschenhaus, betonte Jutta Müller gegenüber dem "Tages-Anzeiger". "Wir möchten mit verschiedensten Bevölkerungskreisen in Kontakt kommen und auch Menschen beteiligen, die nicht zur Kirche gehören." Die Kirche solle belebt werden, damit sie nicht ungenutzt bleibe oder gar geschlossen werden müsse. Und: "Mit der Disco wollten wir ein Zeichen setzen, dass wir junge Menschen akzeptieren, so wie sie sich ausdrücken."

Wer die Disco besucht habe, habe feststellen können, dass sehr respektvoll mit dem Gebäude umgegangen worden sei, sagte Jutta Müller weiter. Man solle das Traditionelle im Auge behalten, aber auch Mut zu Experimenten haben. Durch die Reibung ergebe sich nämlich neues Leben in den Kirchen.

Datum: 11.06.2002
Quelle: Kipa

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