Genfer Posse

«Noahs Sintflut» wegen religiöser Beeinflussung verboten

Das Genfer Kammerorchester wollte die Kinderoper «Noahs Sintflut» von Benjamin Britten aufführen. Doch die Regierung sieht dahinter eine Verletzung der religiösen Neutralität.
Die nachgebildete Arche Noah
Artikel in 20 Minuten
Jean-Michel Bugnion

Es wäre Stoff für eine Glosse, was das Genfer Bildungsdepartement entschieden hat: «Ein Verstoss gegen das Prinzip der Religionsneutralität» – so lautet sein Urteil. Es verhindert damit ein Projekt des Genfer Kammerorchesters (OCR). Schon im Februar hatte Genf eine Zusammenarbeit an der Produktion von «Noahs Sintflut» («Noye's Fludde», 1958), der Oper von und für Kinder des Engländers Benjamin Britten, ausgeschlossen, wie die Pendlerzeitung «20 Minuten» berichtet.

Die Oper mit dem biblischen Thema animiert Kinder und Publikum zum Singen, begleitet von einem Orchester. Was daran so gefährlich ist? Viele Verse haben religiöse Inhalte: Die Zeitung nennt folgendes Beispiel: «Herr Jesus, erbarme dich meiner und erlöse mich von meinen Sünden.» Nicht auszudenken, wenn sich ein Kind davon beeinflussen liesse...

Lehrer und Politiker zeigen Unverständnis

Das Bildungsdepartement bezieht sich bei seinem Entscheid auf Artikel 15 der Schweizerischen Bundesverfassung: «Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen.» Das Departement präzisierte: Zugang haben zu einem Werk, sicherlich, teilnehmen aber nicht, denn, «die Teilnehmenden sind zudem sehr jung, und dies erlaubt es ihnen nicht, in Fragen des Glaubens gefestigt zu sein.»

Zwei ehemalige Lehrer und aktuelle Politiker hinterfragen diese Begründung, wie «20 Minuten» berichtet: «Das ist präventive Zensur», sagt Jean Romain (FDP). «Wenn man diese Idee weiterverfolgt, kann man nicht einmal ‹Notre-Dame de Paris› von Victor Hugo studieren. So wird unsere Kultur amputiert.»

Was heisst «religiöse Neutralität»?

Auch der Grüne Jean-Michel Bugnion hält das Verbot für «unverhältnismässig». «Die Kultur ist stark religiös», begründet er. Und er reicht eine wichtige Erklärung nach: «Laizität, die religiöse Neutralität des Staates, sollte bedeuten, dass alle Religionen gleichberechtigt stattfinden dürfen, nicht, dass man sie aussperrt.»

Schön, das von einem Grünen zu hören. Bleibt zu hoffen, dass jemand der Direktion im Genfer Bildungsdepartement Nachhilfeunterricht erteilt, wie der Artikel 15 der Bundesverfassung zu interpretieren ist. Wer ihn so anwendet, fördert nicht das Zusammenleben der Religionen, sondern Intoleranz und Unverständnis. Das Verbot der Weihnachtsfeiern in einigen Schulen, das vor Jahren Schlagzeilen machte, lässt grüssen.

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Datum: 27.05.2015
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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